Soziale Netzwerke sind nicht so schlecht wie ihr Ruf - bei Katastrophen bieten sie Bürgern eine Plattform, um sich effizient vernetzen und organisieren zu können. [...]
Wie gut das klappen kann, hat Ning Nan von der Sauder School of Business erforscht. Sie stellte fest: „Die Weisheit der Vielen“ im Social Web führt zu einem ebenso effektiven Krisenmanagement wie bei hierarchisch strukturierten Eingriffen. Untersucht wurde der Prozess am Beispiel des Erdbebens in Sichuan im Jahr 2008 mit einer Stärke von 8,0 auf der Richterskala. Nan analysierte nun die Forenbeiträge von Studenten einer Universität in Chengdu und fand dort starke Tendenzen zu effizientem Krisenmanagement via Social Media. Für Deutschland ist das ein eher neues Phänomen.
„2013 konnten wir während des Hochwassers zum ersten Mal beobachten, dass sich auch in Deutschland Menschen über soziale Medien organisieren – vor allem, weil es für sie schneller und oft auch einfacher geht, als auf offizielle Informationen zu warten“, erklärt Katja Evertz, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit mit Schwerpunkt Social Media im deutschen Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, gegenüber dem Nachrichtenportal pressetext.
„In Deutschland funktioniert der Katastrophenschutz sehr gut, Behörden und Hilfsorganisationen sind ein gut eingespieltes Team – und gerade auch die vielen ehrenamtlich engagierten Helferinnen und Helfer spielen dabei eine wichtige Rolle. Deshalb gab es bisher weniger die Notwendigkeit, die gesamte Bevölkerung über Social Media miteinzubeziehen“, berichtet Evertz weiter.
In den Online-Konversationen, die Nan untersuchte, formten sich Prozesse, die jenen von Krisenmanagement stark ähneln. Aber noch mehr erstaunte die Forscherin eine andere Tatsache: „Als ich die Daten zum ersten Mal sah, suchte ich nach Anführern in der Gruppe – aber ich war überrascht festzustellen, dass es keine gab, nicht einmal inoffiziell.“
„Niemand meldete sich, um die Führung zu übernehmen, aber während sie alle Ideen einbrachten, bildete sich eine kollektive Ordnung. Im Grunde war das Ganze mehr als die Summe seiner Teile“, so Nan. „Diese Studie legt den Fokus auf normale Mitglieder und zeigt, dass es genauso gut, wenn nicht besser als ein Top-Down-Ansatz ist, wenn man diese mobilisiert und ihnen erlaubt, sich selbst zu organisieren“, meint die Forscherin abschließend.
In Deutschland weiß man ebenfalls um die Kraft der Bürgermassen Bescheid. „Es gibt unterschiedliche Arbeitsgruppen und Projekte, in denen die Rolle und auch die Einbindung der sogenannten Spontanhelfer sowie die Einsatzmöglichkeiten sozialer Netzwerke für den Katastrophenschutz betrachtet werden. Social Media hat da seit dem Hochwasser 2013 eine ganz andere Relevanz bekommen“, berichtet Evertz. (pte)
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