Künstliche Intelligenz für medizinische Diagnosen

In der Medizin sollen Mensch und Computer in Zukunft zusammenarbeiten: Contextflow, ein von TU-Alumni gegründetes Startup, revolutioniert die radiologische Diagnostik. [...]

Contextflow findet per künstlicher Intelligenz die richtige Diagnose.
Contextflow findet per künstlicher Intelligenz die richtige Diagnose. (c) TU Wien

Auch wenn sich ärztliches Einfühlungsvermögen wohl nie durch Computerprogramme ersetzen lassen kann – beim Erstellen von Diagnosen wird intelligente Software schon bald eine ganz zentrale Rolle spielen. Das österreichische Startup contextflow, mit Wurzeln an der TU Wien und der Medizinischen Universität Wien, entwickelt künstliche Intelligenz, die ärztliche Befunde und Bilder aus dem Computertomographen blitzschnell mit anderen, ähnlichen Fällen vergleicht und dadurch die Diagnose deutlich einfacher, zuverlässiger und sicherer macht. Begleitet und unterstützt wird contextflow vom Innovation Incubation Center der TU Wien. Nun wurde contextflow offiziell vom TÜV zertifiziert und kann damit als Medizinprodukt verwendet werden.

Bildsuche und Textsuche

„Begonnen haben wir schon im Jahr 2010“, erzählt Markus Holzer, Mitbegründer und Geschäftsführer von contextflow. Finanziert durch eine EU-Forschungsförderung entwickelte ein Team von Alumni der TU Wien ein Konzept für die automatisierte Bildersuche in der Radiologie. „Ganz entscheidend war für uns, auf große medizinische Bild-Datenbanken zugreifen zu können, daher führten wir dieses Projekt an der Medizinischen Universität durch“, sagt Markus Holzer.

Wie sich bald zeigte, lässt sich die Grundidee tatsächlich umsetzen: Zu einem bestimmten Bild sucht der Computer automatisch andere ähnliche Bilder aus der Computertomographie-Datenbank. Man kann bestimmte Bildregionen markieren und bekommt ähnliche Fälle angezeigt, ohne mühsam händisch Archive durchstöbern zu müssen.

Doch damit nicht genug: contextflow durchsucht nicht nur Bilddatenbanken, sondern auch die Diagnose-Texte, die dazu erstellt wurden. Automatisch bringt die Software die medizinischen Begriffe der radiologischen Befunde mit den Bilddaten in Verbindung und kann somit von sich aus eine Diagnose für ein bestimmtes Bild vorschlagen. Einfache Fälle sollen auf diese Weise viel schneller als bisher bearbeitet werden können. Bei schwierigen Fällen, für die dann mehr Zeit bleibt, erhöht der Computercode durch Anzeigen passender Vergleichsfälle die Sicherheit und Genauigkeit der Diagnose.

Neuronale Netze

Die Technik dahinter ist höchst komplex: „Mit gewöhnlichen statistischen Methoden ist das kaum zu machen“, sagt Markus Holzer. „Wir arbeiten daher mit neuronalen Netzen, die gezielt trainiert werden und sich selbst verbessern – man spricht von Deep Learning.“ Ähnlich wie unser Gehirn aus einem Netz von Nervenzellen besteht, deren Verbindungen beim Lernen umgebaut werden, simuliert man am Computer ein virtuelles Netz, das sich verändert und anpasst, bis es nach ausreichendem Training so konfiguriert ist, dass es schwierige Aufgaben lösen kann.

„Das funktioniert ausgezeichnet – aber natürlich bedeutet es auch, dass man kein klassisches Computerprogramm hat, sondern eine hochkomplizierte Struktur, die ihrerseits nicht einfach zu verstehen ist“, erklärt Holzer. Was ein klassisches Computerprogramm macht, lässt sich Programmzeile für Programmzeile nachvollziehen – die Vorgänge in einem neuronalen Netz sind viel schwieriger zu verstehen. „Aber auch daran arbeiten wir“, sagt Holzer. „Die Software soll auch Auskunft darüber geben, wie sie zu ihrem Ergebnis gekommen ist.“

In den letzten Jahren wurden Pilotprojekte mit Wirtschaftspartnern und Uni-Kliniken durchgeführt, die Software hat sich bewährt. Nun gelang der nächste entscheidende Schritt:  Die contextflow-Software wurde offiziell vom TÜV Süd nach ISO 13485:2016 zertifiziert. „Damit erfüllen wir alle Anforderungen an ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem für das Design, die Herstellung und die Inverkehrbringung von Medizinprodukten“, erklärt Markus Holzer.

Ein besonderes Augenmerk beim Design des Qualitätsmanagementsystems wurde auf Sicherheitsvorkehrungen beim Verarbeiten und der Speicherung von personenbezogenen Daten von Patientinnen und Patienten gelegt.


Mehr Artikel

News

Public Key Infrastructure: Best Practices für einen erfolgreichen Zertifikats-Widerruf

Um die Sicherheit ihrer Public Key Infrastructure (PKI) aufrecht zu erhalten, müssen PKI-Teams, sobald bei einer Zertifizierungsstelle eine Sicherheitslücke entdeckt worden ist, sämtliche betroffenen Zertifikate widerrufen. Ein wichtiger Vorgang, der zwar nicht regelmäßig, aber doch so häufig auftritt, dass es sich lohnt, PKI-Teams einige Best Practices für einen effektiven und effizienten Zertifikatswiderruf an die Hand zu geben. […]

News

UBIT Security-Talk: Cyberkriminalität wächst unaufhaltsam

Jedes Unternehmen, das IT-Systeme nutzt, ist potenziell gefährdet Opfer von Cyberkriminalität zu werden, denn die Bedrohung und die Anzahl der Hackerangriffe in Österreich nimmt stetig zu. Die Experts Group IT-Security der Wirtschaftskammer Salzburg lädt am 11. November 2024 zum „UBIT Security-Talk Cyber Defense“ ein, um Unternehmen in Salzburg zu unterstützen, sich besser gegen diese Bedrohungen zu wappnen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*