Sind Mitarbeitende mit ihren Vorgesetzten unzufrieden, liegt es meistens an der Kommunikation. Sie ist wie ein Handwerk – erlernbar. [...]
Was Konfuzius schon wusste: «Wenn die Sprache nicht stimmt, dann ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist.» Bis heute hat sich daran nichts geändert. Die Erkenntnis des chinesischen Philosophen gilt auch in der modernen und erst recht in der digitalen Kommunikation – ganz allgemein und im Speziellen immer dann, wenn es um Führung geht. Damit Inhalte ehrlich ankommen, muss das, was gesagt wird, auch so gemeint sein.
Kann eine zweieinhalbtausend Jahre alte Weisheit tatsächlich einer modernen Führungssprache zugrunde gelegt werden? Ja, sie kann. Das zentrale Thema der Lehren des Konfuzius war die menschliche Ordnung. Und dazu gehörte die Achtung vor anderen Menschen. Für den großen Philosophen war ein moralisch einwandfreier Mensch das Ideal. Der Geist der Ehrfurcht und Lauterkeit bestimmte das Denken des sogenannten Ersten Lehrers. Das bedingte eine ehrliche und wertschätzende, klare Kommunikation – ohne jede Spitzfindigkeit.
Die Sprache muss stimmen
Genau das sollte auch in den Führungsetagen der Wirtschaft selbstverständlich sein. Doch an manchen Stellen fehlt in Unternehmen das Bewusstsein für den Einfluss der internen Kommunikation auf den Unternehmenserfolg. Dabei ist dieser nicht unerheblich, sondern oft sogar maßgeblich. Adaptiert auf die moderne Kommunikation gilt also Konfuzius Erkenntnis heute wie zu seiner Zeit: Wenn die Sprache nicht stimmt, ist das Gesagte nicht das Gemeinte. Und auch umgekehrt hat der Gedanke seine Berechtigung: Wenn das Gemeinte nicht dem Gesagten entspricht, stimmt die Sprache nicht.
Das hat Auswirkungen, wie Konfuzius wusste: «Ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist, so kommen die Werke nicht zustande. Kommen die Werke nicht zustande, so gedeihen Moral und Kunst nicht. Gedeihen Moral und Kunst nicht, so trifft das Recht nicht. Trifft das Recht nicht, so weiß die Nation nicht, wohin Hand und Fuß setzen. Also dulde man keine Willkürlichkeit in den Worten – das ist es, worauf es ankommt.»
Unzufriedenheit durch Kommunikation
In einer nicht repräsentativen Umfrage des weltweit größten Stellenportals «Monster» gaben drei Viertel der mehr als 2400 Befragten an, dass sie gerne einen anderen Vorgesetzten als den derzeitigen hätten. Womöglich ist diese Zahl etwas zu hoch gegriffen. Denn natürlich gibt es viele gute Vorgesetzte und noch mehr Mitarbeitende, die mit ihren Führungsverantwortlichen durchaus zufrieden oder sehr zufrieden sind.
Wenn allerdings die Gründe der Unzufriedenheit analysiert werden, steht das Kommunikationsverhalten des Vorgesetzten als Hauptursache dann doch sehr häufig im Fokus. Und wenn es um die psychologische Sicherheit im Team geht, braucht es gelungene und gelingende Kommunikation. Genau die ist eine der zentralsten Erfolgsfaktoren in der Teamzusammenarbeit, das zeigt eine aktuelle Google-Studie. Und nur wenn sich alle in einem Team wohlfühlen, lässt sich das gesamte Leistungspotenzial abrufen.
Im Detail wird die Krux sichtbar: Der Chef oder die Chefin kommuniziert zu wenig, kommuniziert nicht offen oder nicht ehrlich, nicht verständlich oder wenig wertschätzend – genau das führt zu Unzufriedenheit bei den Mitarbeitenden. Neben der fehlenden Kommunikation ist es also vor allem die Qualität der Kommunikation, die Anlass zur Beanstandung gibt. Im Umkehrschluss sowie in der positiven Umdeutung gilt: Die Zufriedenheit mit dem Vorgesetzten hängt beinahe schon kausal von der guten Qualität der Kommunikation ab.
Kommandosprache vs. wertschätzende Gesprächsführung
Wer als Vorgesetzter etwas sagt, sollte es so tun, dass es bei seinen Mitarbeitern auch ankommt – richtig ankommt. Er sollte Führungssprache sprechen – nicht zu verwechseln mit Kommandosprache. Das ist leichter gesagt als getan, denn eine eigene Führungssprache gibt es ja nicht. Stattdessen kann sich jeder Vorgesetzte eine durchdachte, auf Wirkung zielende, wertschätzende Gesprächsführung im Umgang mit seinen Mitarbeitern zu eigen machen.
Man unterscheidet in der Führungssprache gerne fünf Gestaltungsmöglichkeiten:
Mitteilungen: Informationen werden möglichst wertfrei und rein sachlich abgegeben. Zum Beispiel: «Ab morgen arbeitet Frau X neu bei uns, sie kam von der Abteilung Y zu uns herüber.»
Aussagen: Diese sind eigentliche Meinungen des Senders oder auch Zitate, die man durch eine Wertung versieht. «Frau X hat ausgezeichnete Referenzen. Ich kann mir vorstellen, dass sie eine wertvolle Bereicherung für unser Team ist» oder «Man sagt über Frau X, dass sie einen großen Erfahrungsschatz an remoten Führungsinstrumenten hat.»
Fragen: Der Sender möchte etwas vom Empfänger wissen und fragt, idealerweise aus wirklichem Interesse. «Wer kennt Frau X bereits persönlich?» oder «In welchen Projekten hast du schon mit Frau X zusammengearbeitet?»
Urteile: Ergänzend zu den Aussagen kommen Urteile definitiver und klarer daher. «Frau X passt absolut gut in unser Team, ihre Erfahrungen im Bereich Remote-Leadership sind top und die brauchen wir jetzt.»
Appelle: In diesen Fällen werden klare Erwartungen geäußert. «Ich bitte euch, Frau X wohlwollend und offen in unserem Team zu empfangen und ihr einen guten Start zu ermöglichen.
»Die Parameter für den richtigen Weg liefern die Zielsetzung. Denn jede Kommunikation hat ein Ziel – immer! Jeder gesprochene Satz sollte ein Ziel haben. Diesen Leitsatz sollte man sich regelmäßig in Erinnerung rufen: Menschen kommunizieren grundsätzlich nur mit einer klaren Zielsetzung. Gäbe es dieses Ziel nicht, bräuchte man ja gar nichts zu sagen. Zielgerichtet kommunizieren ist keineswegs mit «weniger reden» gleichzusetzen, denn auch oberflächliche Gespräche können durchaus Ziele haben, beispielsweise eine Beziehungskomponente in der Warmlaufphase.
Alles Gesagte hinterlässt Wirkung
Wer sich jedoch nicht bewusst ist, welches Ziel er hat, wenn er mit anderen redet, läuft Gefahr, dass etwas schiefgeht. Unter Umständen – und mit sehr hoher Wahrscheinlich- keit – wird man das eigene Ziel auch durch Kommunikation gar nicht erreichen, wenn man es selbst gar nicht kennt. «Erst denken, dann reden!» Diese Binsenweisheit gilt seit jeher. Denn wenn sich das Gehirn in Bewegung gesetzt hat, lassen sich Worte so auswählen, dass sie auch mit dem Ziel der beabsichtigten Kommunikation übereinstimmen.
Schließlich hinterlässt alles, was man sagt, eine Wirkung – egal, ob es mit Bedacht ausgesprochen oder nur so dahingesagt wurde. Wenn eine Botschaft allerdings bewusst formuliert wird, lässt sich gleich noch ein weiterer Effekt nutzen: der Erfolg positiver Wörter. Im Gegensatz zu negativen Formulierungen haben sie in der Regel motivierenderen Charakter. Der Satz «Ich bin bis um 16 Uhr hier» wirkt sehr viel besser als «Ich bin ab 16 Uhr weg».
Der Chef kommuniziert unehrlich
Noch ungünstiger als Kommunikation ohne Ziel ist es, wenn mit dem Gesagten ein anderes Ziel als das vorgegebene verfolgt wird. Verfolgen wir einmal diesen Dialog, bei dem der Chef seinen Mitarbeiter von einem bestimmten neuen Projekt überzeugen will – das ist sein verinnerlichtes Ziel. Er kommuniziert allerdings statt eindeutiger Ansage mit einer Frage: «Wie finden Sie das?» Hier kann man meinen, der Fragesteller operiere mit der Zielsetzung, die Meinung seines Gegenübers zum Vorhaben erfahren zu wollen – doch das ist gar nicht der Fall.
Reagiert dann der Mitarbeiter anders als erhofft, zum Beispiel negativ mit einer Antwort wie «Ich finde das Schrott», dann ist die Gegenreaktion vom Chef schon vorprogrammiert. Er kontert: «Also das sehen Sie falsch, das Projekt beinhaltet grandiose Chancen – auch für Sie.»
Dieser Dialog zeigt, dass subtil über die Sprache etwas ans Tageslicht befördert wird: «Ich will dich dabeihaben!» Nur ausgesprochen wird das nicht, transportiert wird etwas völlig anderes. Der Vorgesetzte bewegt sich dabei in einem Gefahrenbereich: Das Ziel stimmt nicht mit der Kommunikation überein. Und schon ist der Samen für Unmut und Unzufriedenheit gesät. Sollte es derartige Situationen nämlich mehr als nur einmal geben und sich in der Erfahrung der Mitarbeitenden summieren, dann heißt es bald: «Der Chef kommuniziert unehrlich.»
Bei der Bewertung muss es noch nicht mal um Lügen gehen. Oft ist es eben nur ein dumpfes Gefühl, das den Teammitgliedern bleibt. Also Achtung: Falsch gesendete und entsprechend falsch angekommene Inhalte oder Botschaften sind grundsätzlich nicht etwa ein Problem des Empfängers, wie allzu leicht und gern geglaubt wird. Es ist ausschließlich ein Problem des Senders dieser Informationen – in diesem Fall also reine Chefsache.
Was will ich eigentlich sagen?
Wie bedeutend dieses Thema ist, zeigt sich in dem, was sich auf der Kommunikationsebene zwischen Führungskraft und Mitarbeitern in der Praxis tatsächlich abspielt. Gesagt ist noch nicht umgesetzt. Erst recht nicht, wenn das Gesagte zu wenig oder unverständlich ist. Denn zwischen Sagen und Hören, zwischen Hören und Verstehen, zwischen Verstehen und Begreifen und letztendlich zwischen Begreifen und Umsetzen liegt jeweils ein gewisses Delta. Nur mit einer klaren und verständlichen Kommunikation kann diese Aktionskette so funktionieren, dass am Ende auch das gewünschte Ergebnis steht.
Damit die Kommunikation zwischen den Vorgesetzten und ihren Mitarbeitenden nicht zur Einbahnstraße wird, lohnt es sich also, bereits im Vorfeld zu überlegen: Was will man denn eigentlich seinem Gegenüber mitteilen? Was will man erreichen? Wenn man diese Fragen für sich geklärt hat, ist es wichtig, ganz ehrlich genau dieses Ziel auch zu verfolgen – und nicht mit versteckten Absichten zu hantieren. Unehrlichkeit wird schnell durchschaut.
Die Menschen sind heute kompetenter und sensibler, als sie es noch vor zwanzig Jahren waren. Sie hinterfragen die Dinge! Führungskräfte sollten deshalb ihrem Gegenüber immer mit einer wertschätzenden Haltung begegnen und regelmäßig ihre eigene Kommunikation reflektieren. Wer für sich nach dem Motto «Einfach offen, zielorientiert und ehrlich sein!» in den Ring steigt, kann nur als Sieger hervorgehen. Denn stimmt die Sprache, ist das Gesagte auch das Gemeinte – ganz im Sinne von Konfuzius und einer guten Führungskultur.
Die Ansprüche steigen in der digitalen Welt
Selbstredend gelten die Grundlagen der Kommunikation auch in der digitalisierten Welt. Alles, was «live und physisch» eine Auswirkung hat, erzeugt diese oft und gern in der virtuellen Welt noch intensiver – so manches verdichtet sich und passiert im Zuge des digitalen Brennglaseffekts.
Eine unklar und nicht sauber formulierte Aussage kann zwar live schnell korrigiert werden, weil das unmittelbar mikromimische Feedback sichtbar ist oder das Gegenüber prompt reagiert. Wenn «unsaubere» Aussagen aber in der Inbox von Teams gelesen werden, hat jeder Zeit, sich zu fragen, was damit gemeint ist, und kann allenfalls zu einem anderen Schluss kommen als vom Absender ursprünglich beabsichtigt.
Genau das Gleiche gilt auch für Online-Meetings: Wer in die Kamera blickt, wo er hinsehen sollte, wenn er redet, damit ihn die Zuhörenden auch als «nah» wahrnehmen, sieht die unmittelbaren Reaktionen nicht. Kommunikation wird durch die Digitalisierung höchstens im Prozess vereinfacht. Wer jedoch emotional kein Minenfeld eröffnen möchte, muss sich über eines im Klaren sein: Die Ansprüche an Klarheit und Präzision, an die Führungssprache generell, sind hier umso höher.
*Stefan Häseli ist Experte für Kommunikation.
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