"Lean" – ist seit Jahren ein Modebegriff in der Management-Diskussion. Alles soll in den Unternehmen "schlank" und auf keinen Fall "fett" und "behäbig" sein. Vergessen wird bei den Lean-Initiativen jedoch oft, worum es beim Lean Management letztlich geht: Werte schaffen – für den Kunden. Das erfordert auch eine hohe Flexibilität und Agilität. [...]
Analysiert man die verschiedenen Lean Management-Methoden und -ansätze, dann stellt man fest, dass diese stets zwei Ziele anstreben:
- Werte für die Kunden schaffen
- Verschwendung vermeiden
Die betriebliche Praxis ist eine andere. Dort konzentrieren sich die Lean-Initiativen oft auf das zweite Ziel: Verschwendung vermeiden. Als Verschwendung wird hierbei alles betrachtet, was Ressourcen kostet oder bindet und keinen Beitrag zum Erreichen der (finanziellen) Ziele des Unternehmens leistet – wie zum Beispiel lange Durchlaufzeiten, ein hoher Ausschuss, überflüssige Kontrollstrukturen und Dokumentationen.
Unternehmen streben oft danach, alles top-down zu steuern und zu kontrollieren. Dies führt dazu, dass die Mitarbeiter auf der wertschöpfenden Ebene beziehungsweise Shopfloor-Ebene die Verantwortung für das Produzieren von Qualität und Kundennutzen an das Management beziehungsweise ihre Führungskräfte delegieren. Ein zentrales Anliegen von Lean Management hingegen ist, die Verantwortung hierfür Schritt für Schritt auf die Shopfloor-Ebene zu verlagern – unter anderem, um schneller, agiler, flexibler zum Beispiel auf veränderte Kundenwünsche reagieren zu können: Nicht das Management entscheidet, was im Betriebsalltag richtig und wichtig ist, sondern diejenigen, die in direktem Kontakt mit den Kunden stehen. Stets, wenn ein Problem oder eine Verbesserungschance sichtbar wird, entscheiden die Mitarbeiter auf der wertschöpfenden Ebene selbst, was es zu tun gilt. Das Management wird lediglich informiert. Die Qualitätssicherung und das Qualitätsmanagement sind sozusagen in den Arbeitsprozess integriert.
Wenn ein Unternehmen lean ist, dann benötigt es auch eine entsprechende IT. Lean heißt in diesem Zusammenhang: Die IT wird zu einem Teil des Bestrebens, alles am Kundennutzen zu orientieren und die Verschwendung zu minimieren – dies sollten sich die Verantwortlichen gerade im Kontext der sogenannten „Digitalen Transformation“ der Unternehmen immer wieder vor Au-gen führen. Ziel der (internen und externen) IT-Lieferanten muss es also sein, nicht nur das abzubilden, was bisher gemacht wird. Sie müssen sich auch fragen, inwieweit die in der Software abgebildeten Abläufe auch mittel- und langfristig dafür geeignet sind, Nutzen und Mehrwert für den Kunden zu produzieren.
- IT-Projekte sollten sich am Bedarf der Zielgruppen orientieren: Nicht alle Anwender benötigen denselben Funktionsumfang. Bilden Sie deshalb Kategorien von Anwendern. Gruppieren Sie zum Beispiel nach der Häufigkeit der Nutzung oder nach der IT-Affinität und entwickeln Sie spezifische Zugänge zum IT-System.
- IT-Projekte sollten unnötige Vielfalt vermeiden: Nicht jeder Mitarbeiter benötigt jede Funktion. Er möchte diese unnötige Vielfalt, die ihn oft überfordert, auch nicht. Sie stresst ihn – und aus Unternehmenssicht ist sie Verschwendung. Konzentrieren Sie sich beim Entwickeln von IT-Lösungen auf die Kernanforderungen der verschiedenen Rollenträger in den Arbeitsprozessen. Reduzieren Sie Benutzerschnittstellen auf das rollenspezifische Minimum und schaffen Sie unterschiedliche Zugänge.
- IT-Projekte sollten flexible IT-Systeme liefern: Damit Unternehmen rasch auf neue Kundenbedürfnisse reagieren können, benötigen sie eine IT, die schnell an neue Arbeitsprozesse angepasst werden kann. Die Architektur der IT-Systeme sollte so konzipiert sein, dass Prozessvarianten je nach Bedarf ein- und ausgebaut werden können.
- IT-Projekte sollten selbst lean sein: IT-Entwicklungsprojekte müssen flexibel auf neue Anforderungen reagieren können, damit sie den gewünschten Beitrag zu Lean-Initiativen leisten. Denn was nutzt es zum Beispiel, wenn eine Fachabteilung ihre Arbeitsprozesse zwar rasch an neue Bedürfnisse anpasst, das IT-System aber noch auf dem alten Stand ist, weil die Anforderungen zu Beginn des Projekts festgeschrieben wurden? Orientieren Sie sich an agilen Methoden, um die nötige Flexibilität zu bewahren.
Lean, konsequent umgesetzt, ist eine Denkhaltung, die alles am Kundennutzen ausrichtet. Für das Projektmanagement bedeutet dies: Wo früher ein auf Verträgen beruhendes Verhalten gang und gäbe war, hält beim Lean Projekt-Management eine auf Vertrauen beruhende Beziehung Einzug. Die Beteiligten versuchen weniger, sich abzusichern. Sie arbeiten vielmehr daran, sich wechselseitig besser einschätzen zu lernen.
*Daniela Kudernatsch ist Inhaberin der Unterneh-mensberatung KUDERNATSCH Consulting & Solutions.
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