Verteiltes Arbeiten fordert Führungskräfte neu. Professorin Claudia Peus entwarf in Hamburg ein neues Rahmenmodell für digitales Führen. [...]
Zum Auftakt der Hamburger IT-Strategietage, die in diesem Jahr virtuell stattfinden, gab Management-Expertin Claudia Peus der CIO-Community sieben Thesen mit auf den Weg, wie Führung im Digitalen neu gedacht werden muss. Peus lehrt an der TU München als Professorin für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement und hat dort 2019 das TUM Institute for Life Long Learning gegründet, dem sie als Direktorin vorsteht. Zu lernen haben Führungskräfte auf der Suche nach ihrer neuen Rolle etliches, wie im Laufe der halbstündigen Keynote von Peus deutlich wurde.
These 1: Erfolgreiche Führung erfordert Vertrauen
In Deutschland erlaubt es die gesetzliche Lage nicht, die Mitarbeiter in den Home-Offices per Spysoftware zu überwachen, die Länge ihrer Toilettenpausen zu tracken oder ihnen gar einen Privatdetektiv vorbei zu schicken. Dennoch tun sich auch hierzulande viele Führungskräfte schwer, ihren Mitarbeitern zu vertrauen, wenn sie ihnen nicht persönlich über die Schulter schauen können. „Vertrauen in die Mitarbeiter ist wichtiger als jemals zuvor“, appellierte Peus. Das sei aber nicht gleichbedeutend mit „anything goes“, sondern heißt, so Peus weiter: „Die Führungskraft gibt die Vision, die übergeordnete Richtung und auch Hilfestellung vor.“
These 2: Denke langfristig und investiere in die Beziehungen zu den Mitarbeitern
Auch wenn Mitarbeiter heute nicht mehr so lange ihrem Arbeitgeber treu bleiben, lohnt sich in den Augen von Peus eine intensive Beziehungspflege. Denn: „Die Mitarbeiter von heute sind die Multiplikatoren von morgen, ob nun zu potenziellen Kunden, Lieferanten oder Bewerbern.“ Im Zweifelsfall kann die Bewertung des (ehemaligen) Arbeitsgebers auf Plattformen wie kununu lange nachwirken.
These 3: Führungskräfte brauchen Netzwerk-Kompetenz
Auf einschlägigen Plattformen wie LinkedIn oder Xing unterwegs zu sein, ist für Führungskräfte heute Pflicht. Diese digitale, aber auch das analoge Netzwerk will gepflegt und ständig weiterentwickelt werden. Das persönliche Gespräch bleibt in den Augen der Wissenschaftlerin wichtig.
These 4: Erfolgreiche Führungskräfte sind informiert über die neuesten Technologien
Auch wenn das eigene Unternehmen noch nicht in Zukunftsfeldern wie Robotik oder additive Fertigung unterwegs ist, forderte Peus die Manager auf, sich über solche Technologien zu informieren: „Als Führungskraft muss man sich fragen, welche Implikationen ergeben sich daraus für mein Geschäft und kann ich diese nutzen?“
These 5: Digitale Zusammenarbeit braucht Leitplanken und klare Spielregeln
Claudia Peus hat die Erfahrung gemacht, dass viele Dinge, die man im Virtuellen regeln müsste, unausgesprochen bleiben und mittelfristig zur Erschöpfung führen. Während die Arbeitszeit in der Präsenzkultur in den meisten Unternehmen klar geregelt ist, sind es die Bildschirmzeiten im Home-Office nicht. Führungskräfte sollten klar kommunizieren, welche Online-Zeiten sie erwarten beziehungsweise diese im Gespräch mit dem Mitarbeiter abzustimmen.
„Unsere Forschung hat gezeigt: Der Small Talk am Anfang ein wichtiger Faktor für die Effektivität der virtuellen Teammeetings“, sagte Peus. Dem stimmten etliche CIOs zu. In einigen Unternehmen werden Teams-Konferenzen, die standardmäßig mit einer halben beziehungsweise einer Stunde angesetzt sind, fünf beziehungsweise zehn Minuten früher beendet, um genau diesen Raum für den informellen Austausch zu schaffen oder auch um den Teilnehmern eine Verschnaufpause vor dem nächsten Meeting zu ermöglichen. Für Peus gilt in dem Zusammenhang: „Eine Führungskraft muss sich Zeit nehmen.“
These 6: Mehr Rücksicht auf menschliche Grundbedürfnisse
Führungskräfte müssen sich nicht nur über Technologien informieren, sondern auch immer wieder fragen: Wie funktionieren Menschen? Diese Notwendigkeit illustrierte die Wissenschaftlerin am Beispiel des menschlichen Grundbedürfnisses nach Fairness: „Eine umfängliche Verteilungsgerechtigkeit hinsichtlich Gehälter, Teilnahme an Weiterbildung oder Möglichkeit zu einer Geschäftsreise ist in keinem Unternehmen herzustellen, da die Ressourcen begrenzt sind.“ Dies lasse sich aber durch eine „Prozess und interpersonale Fairness“ kompensieren. Der Mitarbeiter muss den Prozess nachvollziehen können, warum er die Weiterbildung nicht genehmigt bekommt. Und die Führungskraft muss mit ihm dennoch wertschätzend umgehen.
These 7: Rückbesinnung auf Werte
Jede Führungskraft sollte sich überlegen, für welche Werte sie stehen will und diese auch klar kommunizieren. Dazu Peus: „in der Forschung haben wir herausgefunden, dass Selbstreflexion der entscheidende Punkt ist, durch die sich Einzelne, aber auch ganze Teams weiterentwickeln können.“ Die Länge der Lebenserfahrung spiele keine Rolle, sondern die Reflexion der Lebenserfahrung.
Im Anschluss an ihren Vortrag gab Peus einen Ausblick auf die Zusammenarbeit post Corona. So ist sie überzeugt, dass auch in hybriden Arbeitsumgebungen virtuelle Meetings ein wichtiger Bestandteil bleiben werden. Wenn nur ein Teil der Beschäftigten im Büro ist, bietet sich die virtuelle Variante an, um keinen zu benachteiligen. Allerdings müsste man das Ziel des Meetings klar kommunizieren: Dient es der Information, der Diskussion oder der Entscheidungsfindung?
*Alexandra Mesmer: Karriere und Management in der IT ist ihr Leib- und Magenthema – und das seit über 20 Jahren. Langweilig? Nein, sie entdeckt immer neue Facetten in der IT-Arbeitswelt und im eigenen Job. Sie recherchiert, schreibt, redigiert, moderiert, plant und organisiert.
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