Nach dem Carveout der Bauchemie-Sparte von BASF hat die IT-Chefin die SAP-Landschaft des neuen Unternehmens MBCC in zwei Jahren komplett neu aufgebaut. [...]
Die MBCC Group ist aus der Bauchemiesparte von BASF entstanden. Mit dem Verkauf des Geschäftsbereichs 2019 an eine Tochtergesellschaft von Investor Lone Star ging ein Carveout einher. Das Segment musste komplett aus dem Mutterkonzern herausgelöst werden – inklusive der IT.
Das Projekt startete unter der Leitung von BASF und musste schnell von statten gehen, da es einen festen Endtermin für den Verkauf des Geschäfts gab. Das berichtete Heike Scheckel, Group Vice President IT bei MBCC, in ihrem Vortrag auf der Handelsblatt-Jahrestagung „Strategisches IT-Management“. Die Herausforderung dabei: Das Unternehmen hat viele verschiedene Marken sowie Vertriebskanäle und setzt zahlreiche unterschiedliche Technologien ein, die die IT bei dem Projekt berücksichtigen musste.
MBCC betreut mit etwa 7.500 Mitarbeitern mehr als 30.000 Kunden weltweit. Das Unternehmen betreibt rund 120 Fabriken in 60 Ländern. Diese galt es bei dem Carveout komplett von BASF herauszulösen und auf eigene Füße zu stellen.
Mehr als ein IT-Projekt
Das Unternehmen setzt nicht allein auf SAP S/4HANA, sondern verwendet für einen Teil der Standorte SAP Business One. Der HANA-Anteil beläuft sich auf zirka 3.100 ERP-Nutzer in 29 Ländern.
Parallel zu dem IT-Projekt baute MBCC auch eine neue Firma auf. Damit sollte eine Organisation geschaffen werden, die in der Lage ist, das Unternehmen zu betreiben. Für die IT und andere Bereiche galt es, ein eigenes Betriebsmodell zu entwerfen und aufzubauen, da diese Leistungen bisher von BASF erbracht wurden. Zudem musste das Team um Scheckel neue Services definieren, um das Business bestmöglich zu unterstützen.
Als Partner für das Projekt wurde Accenture an Bord geholt. Das Beratungsunternehmen betreibt die IT-Umgebung von MBCC auch heute.
S/4HANA als Greenfield
Scheckel und ihr IT-Team entschieden sich, die neue Umgebung rund um SAP S/4HANA auf der grünen Wiese neu aufzubauen. Im Unternehmen gab es bereits Know-how für die Software der Walldorfer. Dadurch hielt sich zumindest der Schulungsbedarf in Grenzen.
Als ersten Schritt baute die IT einen Piloten, an dem das Team Erfahrungen sammeln konnte. Es lehrte laut Scheckel nicht nur viel über S/4 selbst, sondern auch darüber, wie das Softwaresystem mit Prozessen und Strukturen zusammenhängt. Auf die Pilotphase folgten zwei weitere Entwicklungsstufen bis zum Go-live der Umgebung.
Beim Aufbau des SAP-System galt die Prämisse „Standard first“. An den einzelnen Modulen sollt möglichst wenig verändert werden. Der Gestaltungsprozess musste schnell gehen: Laut Scheckel war er nach 170 Workshops in vier Wochen abgeschlossen. Danach wurde das Design über agile Sprints implementiert und binnen sieben Monaten stand die Pilotumgebung.
Globale Prozesse
Ein weiterer Fokus für Scheckel lag darauf, möglichst viele lokale Lösungen abzulösen. Stattdessen wollte sie durchgängig einheitliche globale Prozesse einziehen. Bestimmte Geschäftstypen sollten immer auf die gleiche Art umgesetzt werden. Wo regionale Besonderheiten im Weg standen, lokalisierte das Team die SAP-Umgebung.
Aus der alten BASF-Welt nahm das Team wenig mit. Schnittstellen zu Business-Systemen wurden nachgebaut, um manuelle Übergänge zu vermeiden. Gleiches galt für übergreifende Transaktionen. Ansonsten wurden neue Prozesse aufgesetzt.
Zeitdruck ist kein Nachteil
Aus den zwei Jahren seit der Pilotphase hat das Team um Scheckel einige Lehren gezogen. Trotz des schnell getakteten Projekts habe der Wechsel in die neue SAP-Umgebung gut funktioniert. Im Gegenteil: Zeitdruck ist für die IT-Chefin kein Nachteil. Es sei heilsam, sich auf das zu fokussieren, was man wirklich braucht. Dieses Mindset habe sich die IT auch nach dem Wechsel bewahrt.
Zudem führen längere Entscheidungsprozesse, wie in anderen Projekten üblich, laut Scheckel nicht immer zu besseren Resultaten. Durch die feste Deadline habe ihr Team viele alte Zöpfe abgeschnitten, die zeitlich nicht machbar gewesen wären.
Der starke Fokus auf ein gemeinsames Ziel habe außerdem zu einem stärkeren Engagement und dem Teamgeist der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beigetragen. Alle seien an dem Projekt gewachsen. Auch das Gefühl, etwas Besonderes erreicht zu haben, klingt laut Scheckel bei allen Beteiligten in der IT-Abteilung weiterhin nach.
*Jens Dose ist Redakteur des CIO Magazins. Neben den Kernthemen rund um CIOs und ihre Projekte beschäftigt er sich auch mit der Rolle des CISO und dessen Aufgabengebiet.
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