Künstliche Intelligenz ist bei Microsoft ein großes Thema. Die Strategie: Mit der Entwicklung von KI sollen die menschlichen Fähigkeiten erweitert und nicht ersetzt werden. Die COMPUTERWELT sprach dazu mit Andre Kiehne, Leitung Cloud und Lösungsgeschäft, Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Deutschland. [...]
Andre Kiehne ist heute, 28.5.2020, auch Sprecher beim CW Virtual Event zum Thema Künstliche Intelligenz in der Unternehmenspraxis. Microsoft ist Partner des neuen CW-Online Events. Andre Kiehne stellt im „Talk about AI“ zwei aktuelle Projekte vor, wo und wie KI in der Praxis eingesetzt wird.
Herr Kiehne, welche Bedeutung haben Künstliche Intelligenz (KI) und Digitalisierung heute aus Ihrer Sicht?
Kiehne: Gerade in Zeiten von Corona zeigen digitale Technologien, wie wichtig sie für uns sind. Das gilt nicht nur für Technologien, die vielen Menschen gerade das Arbeiten aus den eigenen vier Wänden ermöglichen, sondern zum Beispiel auch für den Online-Handel, die Fernwartung und viele andere Bereiche, die ohne vernetzte Technologien im Moment gar nicht denkbar wären.
Aber die Digitalisierung hilft nicht nur in der Krise, sondern kann uns auch einen Weg aus ihr hinaus zeigen: Mit Cloud-Computing steht uns eine universell verfügbare, sehr performante und sehr sichere Technologie zur Verfügung. Für valide Analysen und Entscheidungen können wir große Datenmengen aus der Produktion und unserem Geschäftsleben nutzen. Und wir machen rasante Fortschritte bei der Schlüsseltechnologie für ihre Nutzung: bei künstlicher Intelligenz. Cognitive Services helfen uns beim Erzeugen von Daten aus verschiedenen Quellen, Algorithmen und Machine Learning dabei, aus diesen Daten Erkenntnisse zu ziehen.
Welchen Stellenwert hat das Thema KI bei Microsoft, welche Themenbereiche sind für Sie besonders wichtig?
Kiehne: Künstliche Intelligenz als Schlüsseltechnologie für Innovation wird nahezu alle Bereiche unseres Lebens beeinflussen, und sie gibt uns die Möglichkeit, große wirtschaftliche und soziale Fortschritte zu erzielen. Wir können mit KI-basierten Lösungen grundlegende Probleme der Menschheit angehen, aktuell zum Beispiel bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie und der wissenschaftlichen Erforschung des Virus. Aber KI hilft uns auch beim Kampf gegen Hunger und Unterernährung, bei der Gesundheitsvorsorge oder der Gestaltung einer nachhaltig ökologischen Welt. Wir arbeiten in all diesen Bereichen intensiv mit verschiedenen Partnern zusammen: Mit dem Kinderhaus Atemreich stellen wir mit KI zum Beispiel die ganzheitliche Versorgung von Kindern mit schweren Atemproblemen sicher. Das Hamburger Startup Breeze Technologies hat mit Azure eine sensorbasierte Anwendung entwickelt, um die Luftqualität in Städten zu messen, transparent zu machen und nachhaltig zu verbessern. Aber auch bei der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft spielt KI eine wichtige Rolle. Ich denke da zum Beispiel an die App Seeing AI. Sie hilft Menschen mit Sehbehinderung dabei, ihre Umgebung zu erkennen, Texte auf Objekten zu lesen und Produkte zu identifizieren. Damit wird sie zum täglichen Begleiter und führt zu mehr Teilhabe.
Wo finden wir in Microsoft-Produkten bereits künstliche Intelligenz?
Kiehne: Künstliche Intelligenz steckt in vielen unserer Produkte, zum Beispiel auch in unserer Familien-Edition von Microsoft365. Der neue Editor etwa unterstützt Autoren beim besseren Formulieren in Word. Der ebenfalls neue PowerPoint Presenter Coach gibt Vortragenden in Echtzeit Tipps zur Präsentation oder zur Performance.
Über Microsoft Azure bieten wir mehr als 30 Cognitive Services für das Erkennen, Verstehen und Analysieren von (hand-)geschriebener und gesprochener Sprache, Bildern, Geräuschen, Stimmungen, die leicht für eigene Anwendungen adaptiert werden können. Diese KI-basierten Technologien helfen mit, valide Daten für Analysen zu erzeugen und aufzubereiten. Und mit Azure KI bieten wir eine komplette Cloud-Plattform für künstliche Intelligenz und mit ihr zahlreiche KI-Apps und -Agents, Tools für Machine Learning und Knowledge Mining sowie viele Werkzeuge für KI-Entwickler*innen.
In welchen Branchen spielt KI schon eine Rolle?
Kiehne: Unseren Erfahrungen zufolge spielt KI quer durch alle Branchen und Unternehmensgrößen eine immer wichtigere Rolle – mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Reifegraden. In einer aktuellen Studie haben wir gerade in Bezug auf die Reife von Unternehmen herausgefunden, dass es bei „KI-erfahrenen“ Organisationen einen positiven Zusammenhang zwischen der Qualifizierung der Mitarbeiter und dem Einsatz von Technologien gibt. Mit anderen Worten: Wer dem Faktor Mensch bei seinen KI-Projekten dieselbe Bedeutung einräumt, wie der Technologie dafür, wird erfolgreicher sein.
Welche aktuellen Beispiele aus der Praxis gibt es?
Kiehne: Einige Beispiele hatte ich schon genannt, aber um einmal die Bandbreite von Anwendungen und Projekten zu zeigen, möchte ich hier zwei weitere Einsatzmöglichkeiten nennen. Zum Beispiel die weltweit tätige HOCHTIEF AG, die unter anderem das höchste Hochhaus der Welt gebaut hat, den Burj Khalifa in Dubai. HOCHTIEF hat auf Basis von Azure KI einen virtuellen Assistenten gebaut, der sich per Spracheingabe steuern lässt und der aus gesprochener Sprache Informationen für die Dokumentation von Bauprojekten herausarbeitet. Gleichzeitig kann der Bot auch noch Vorschläge für die Bautrupps daraus ableiten.
Und damit solche Anwendungen in Zukunft noch einfacher und schneller ausgerollt werden können, hat unser Partner Weidmüller AutoML entwickelt. Darüber können Expert*innen aus den Fachbereichen KI-Lösungen bauen – ohne oder mit nur sehr wenig Programm-Code. Aber das sind nur zwei von vielen Beispielen, die die Nützlichkeit und die Bandbreite für den Einsatz von KI zeigen.
Wo kann KI bereits sinnvoll eingesetzt werden?
Kiehne: Es gibt für fast jeden Unternehmensbereich, Teilbereich oder Aufgabenstellungen die Möglichkeit, KI einzusetzen. Grundsätzlich kann KI überall dort nützlich sein, wo es darum geht, aus Daten Erkenntnisse zu gewinnen, um zum Beispiel das Einkaufserlebnis der Kund*innen zu verbessern, die Mitarbeiter*innen zu entlasten, die gesamte Lieferkette zu optimieren oder die Ausfälle bei Maschinen zu reduzieren. KI kann über Edge Computing vor Ort ebenso eingesetzt werden, wie über zentrale Rechenzentren und Cloud-Computing, damit also extrem vielfältig.
Ausblick und Zukunft: Was sind Microsofts Ziele bei KI – woran wird konkret gearbeitet?
Kiehne: Keins der beschriebenen Szenarien und Anwendungsbeispiele ist bereits technisch komplett auserzählt. Deshalb arbeiten wir mit unseren Partnern und Kunden kontinuierlich daran, unsere Technologien und Anwendungen zu verbessern, neue Szenarien zu entwickeln und weitere Schritte in Richtung einer intelligenten Gesellschaft zu gehen.
Wir engagieren uns aber auch intensiv für die gesellschaftlichen und ethischen Rahmenbedingungen für die Nutzung künstlicher Intelligenz. Wir wollen sicherstellen, dass KI allen Menschen nützt und alle Menschen gleich behandelt – und das zuverlässig, verantwortungsvoll, sicher und transparent.
Wir wollen eine breite Akzeptanz für KI erreichen, aber das geht nur dann, wenn wir alle einbeziehen und auf dem Weg in unsere intelligente Zukunft mitnehmen. Dazu gehören Inklusion und Teilhabe, aber auch unser Anspruch, KI-Technologien so zugänglich zu machen, dass nicht nur Spezialisten sie beherrschen, sondern auch Mitarbeiter aus Unternehmen und Fachabteilungen, die keine IT-Fachleute sind. Dazu gehört unser großes Engagement für Aus- und Weiterbildung im schulischen und universitären Bereich, aber auch in der Aus- und Weiterbildung beispielsweise von Mitarbeitern unserer Partnerunternehmen. Eine Möglichkeit, sich neue Skills für die Nutzung von KI anzueignen, die ich auch selbst gern genutzt habe, ist unsere kostenlose AI Business School.
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TIPP: Heute, 28.5.2020 ebenfalls beim CW Virtual Event „KI in der Unternehmenspraxis“ zu sehen: AI-TALK: Dorothee Ritz im Gespräch mit Christine Wahlmüller. Dorothee Ritz, General Managerin von Microsoft Österreich spricht zum Thema „Künstliche Intelligenz und Mitarbeiter-Qualifizierung“. Dazu hat Microsoft kürzlich auch eine Studie veröffentlicht. Ritz: „Der Erfolg von AI hängt in großem Maße davon ab, wie es gelingt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Einsatz zu qualifizieren.“
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