Microservices machen die IT schneller und agiler

Viele Unternehmen wollen 2017 verstärkt Microservices nutzen, um ihre Software-Monolithen aufzubrechen und neue Funktionen schneller auszuliefern. In der Praxis sind dabei noch etliche Hürden zu überwinden. [...]

Mehr als 70 Prozent der Unternehmen wollen 2017 den Einsatz von Microservices intensivieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Bonner Softwareanbieters LeanIX. Der Spezialist für Enterprise Architecture Management (EAM) befragte dazu im Dezember 2016 gut 100 IT-Entscheider aus großen europäischen und US-amerikanischen Firmen. „Das Ergebnis ist eindrucksvoll“, erklärt André Christ, Gründer und Co-CEO von LeanIX. „Unternehmen, die Microservices einsetzen, stellen ihren Kunden neue Funktionen deutlich schneller bereit.“
Die Fähigkeit, mehrmals pro Woche neue Releases auszuliefern, bringe Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, weil sie damit besser auf Kundenbedürfnisse und Marktveränderungen reagieren könnten. So belegten die Umfrageergebnisse beispielsweise, dass sich mithilfe von Microservices die Releases pro Woche vervierfachen ließen.
Die Praxis in vielen Unternehmen sieht heute noch anders aus: Nur 17 Prozent der Befragten gaben an, mehrere neue Softwareversionen pro Woche zu implementieren. Für 51 Prozent sind mehrere Releases pro Jahr der Normalfall; ein Viertel installiert zumindest jeden Monat neue Versionen.
Amazon, Netflix und Zalando setzen auf Microservices
Internetkonzerne wie Netflix, Amazon oder Zalando setzen schon seit längerem auf Microservices. Dahinter steht im Prinzip das Versprechen einer Service-orientieren Architektur (SOA): Organisationen sollen damit ihre monolithischen Systeme schrittweise aufbrechen, indem neue Funktionen nur noch als einzelne Services bereitgestellt werden.
„Auf Basis einer Microservice-Architektur lassen sich Applikationsarchitekturen modularisieren und einfacher und schneller um neue Funktionen erweitern“, erläutert René Büst, der bis Ende 2016 für das Analystenhaus Crisp Research arbeitete und heute für die Softwareschmiede Arago tätig ist. Ein Microservice repräsentiert demnach eine abgeschlossene Funktionalität und wird unabhängig entwickelt und betrieben. Damit lasse er sich auch unabhängig bereitstellen und skaliere selbständig. Büst: „Es handelt sich um eine kleine, eigenständige Softwarekomponente, die eine Teilfunktion innerhalb einer großen, verteilten Softwareapplikation bereitstellt.“
Die großen Cloud-Anbieter haben Microservices längst zum Bestandteil ihres Portfolios gemacht. Beispiele für solche granularen Dienste sind etwa Microsofts Azure Notification Hub oder Azure Scheduler; Amazon offeriert Services wie Route 53 oder Amazon SQS. Unternehmen könnten derartige Dienste beispielsweise nutzen, um damit eigene Cloud-native Anwendungen zu entwickeln, erklärt Büst.
Microservices treiben die Digitalisierung
Für die Softwareexpertin und Beraterin Marina Ribke sind Microservices „die aktuelle Antwort auf Anforderungen der Digitalisierung in Bezug auf Flexibilität und Verfügbarkeit“. Wer sie einführen wolle, müsse IT „neu denken.“ Sinn ergeben Microservices aus ihrer Sicht dort, wo schnelle Veränderungen besonders wichtig sind. Das treffe vor allem auf marktdifferenzierende Geschäftsfunktionen zu. Doch darin liege zugleich die Krux: „Neue Architekturen zu implementieren, birgt Risiken für Fehler und Ausfälle. Eben diese will man bei marktdifferenzierenden Funktionen vermeiden. Es empfiehlt sich deshalb, mit einer sehr kleinen Funktion anzufangen, deren teilweiser Ausfall verkraftbar ist.“
Praktische Umsetzung fällt Unternehmen noch schwer
Tatsächlich tun sich viele Unternehmen noch schwer, wenn es um die praktische Umsetzung einer Microservices-Strategie geht. Der LeanIX-Studie zufolge haben erst neun Prozent der Unternehmen den Schritt Richtung Microservices gewagt. In den meisten Fällen behalten diese Organisationen ihre Softwaremonolithen und stellen nur neue Komponenten in Form von Microservices bereit. Immerhin ein Drittel der IT-Manager plant, bestehende Softwaresysteme mithilfe von Microservices zu transformieren. Für 20 Prozent ist das Konzept dagegen keine Option.
Die größten Hürden sehen die befragten IT-Verantwortlichen im mangelnden Know-how und fehlenden Experten. Allerdings erschwerten auch „Legacy“-Prozesse einschlägige Projekte. Ein Fünftel der Interviewten nannte zudem eine höhere Komplexität als Hinderungsgrund.
*Der Autor Wolfgang Herrmann ist Redakteur der COMPUTERWOCHE


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