Mit API raus aus dem Schnittstellen-Dschungel

Wie die API-Integration (Application Programming Interface) IT-Strukturen verschlankt und für effizientere Prozesse sorgt. Ein Interview mit Tim Voigtländer, Manager Enterprise Application Integration bei der Logicalis GmbH. [...]

Tim Voigtländer, Manager Enterprise Application Integration, (Quelle: Logicalis GmbH)

Herr Voigtländer, die Anforderungen an eine moderne, digitale Lieferkette steigen – warum ist das so, und wie müssen Unternehmen dieser Herausforderung begegnen?  

Tim Voigtländer: Die Produktlebenszyklen haben sich spürbar verkürzt. Getrieben von aktuellen Trends und technologischen Fortschritten jagt eine Innovation und Produktvariante die nächste. Die bestehenden Logistikprozesse und Lieferketten sind diesem schnelllebigen Marktgeschehen oft nicht gewachsen. Um in puncto Angebotsvielfalt und Konsumentennachfrage gleichermaßen Schritt halten zu können, müssen Unternehmen ihre Lagerflächen skalieren.

Dazu holen sie häufig Lieferanten und Vertriebspartner ins Boot. Deren Anbindung bedingt bis heute häufig Insellösungen in der IT-Landschaft, die Prozesse ausbremsen und eine reibungslose Auftragsabwicklung behindern. Das kann für Unternehmen nicht nur Verluste bedeuten, sondern unter Umständen auch reputationsschädigend sein.

Die digitale Transformation Ihres Unternehmens mit der passenden API-Strategie umsetzen!

Wie genau sehen diese hinderlichen Insellösungen aus? Haben Sie ein Beispiel?

Tim Voigtländer: Um ihre Vertriebspartner in ihre Prozesse einzubinden, schaffen Unternehmen häufig eine einzelne Schnittstelle für jeden neuen Partner. Diese 1:1-Integration bringt nicht wiederverwendbare Schnittstellen mit sich, die nicht nur die Komplexität der IT-Infrastruktur unnötig erhöhen, sondern auch immense Kosten verursachen.

Mit ebendieser Problematik hatte auch einer unserer Kunden, ein großer Schuhhersteller, zu kämpfen. Um seine Logistikprozesse zu skalieren, beauftragte er Third-Party-Logistics-Dienstleister (3PL). Jedes dieser 3PL-Projekte wurde als Einzelprojekt betrachtet, sprich, jedes von ihnen erhielt rund um den internen Standardprozess ein eigenes Mapping.

Dieses basierte auf großen SAP IDocs mit Sonderlogik, die von und zu dem zentralen ERP-System ausgetauscht wurden. Um die komplexe Schnittstelle umsetzen zu können, war neben internem Know-how auch Unterstützung seitens externer SAP-Dienstleister notwendig – was wiederum weitere Kosten bedeutete. Diese Situation war für das Unternehmen unter Wettbewerbsgesichtspunkten nicht länger tragbar.

Sie haben Abhilfe geschaffen: Wie haben Sie diesen offensichtlich sehr aufwendigen Integrationsprozess denn vereinfacht?

Tim Voigtländer: Wir haben die beschränkt nutzbaren Schnittstellen in ein generisches Unternehmens-Asset überführt; und zwar, indem wir ein Konzept für eine API-getriebene Integration in das ERP-System entwickelten. Die Umsetzung erfolgte dann mit Hilfe der Anypoint Platform, die als iPaaS-Lösung (Integration Platform as a Service) in der Cloud betrieben wird. Im Kern dieser neuen Integration steht, dass der Datentransfer nicht mehr über die SAP IDocs und Filetransfer erfolgt, sondern über REST-Schnittstellen (Representational State Transfer).

Bei REST-API handelt es sich um einen Application-Program-Interface-Typ, der webbasierte Anwendungen in der Kommunikation miteinander unterstützt. Für einen noch einfacheren Informationsaustausch haben wir außerdem den komplexen SAP-Standard in ein generisches Datenmodell, ein einfach lesbares JSON, überführt: Dieselben Informationen, die im IDoc-Format auf mehr als 18.000 Zeilen XML aufgelistet wurden, sind nun beispielsweise in einem 300 bis 500 Zeilen JSON enthalten.

Die Kommunikation mit den 3PL-Partnern ist dadurch viel effizienter. MuleSoft agiert zudem wie eine native SAP-Instanz, und das System behält den Überblick. Mit dem neuen Datenmodell erarbeiteten wir gleichzeitig eine Dokumentation der teils komplizierten Datenfelder, die nun auch als Prozessbeschreibung dient. Neuen Dienstleistern ist es dadurch möglich, die Anbindung selbstständig zu starten.

Können Sie kurz skizzieren, wie der Datenaustausch nun konkret abläuft?

Tim Voigtländer: Über den Ansatz einer API-geführten Konnektivität werden alle APIs innerhalb eines Unternehmens in Layern organisiert – die System-, Process- und Experience-APIs. Die System-APIs sind so gebaut, dass sie einen Teil des Backend-/Legacy-Systems darstellen und dieses per REST kommunizieren lassen.

Die Process-APIs bilden die Geschäftsprozesse ab, die sich zum Beispiel auch untereinander aufrufen können und auf die System-APIs zugreifen, um sich dort Daten für die Verarbeitung zu holen. In den Experience-APIs werden letztendlich die Funktionen aus den Process-APIs für eine Webapplikation zusammengetragen. Diese können Benutzer, Kunden oder Systeme abrufen.

So auch in unserem Projekt: Das ERP-System sendet ausgehende Belege in Form von IDocs direkt an den Dienstleister via MuleSoft System APIs. Über den SAP-Connector werden die großen IDocs zur weiteren Verarbeitung angenommen. Anschließend findet in einer Process API die Verarbeitung dieser Daten statt. Dabei wird die IDoc-Struktur in den neuen JSON-Standard gemapped und direkt an den jeweiligen Partner verteilt.

Die Partner liefern ihrerseits die Belege über eine REST-Schnittstelle (Experience API) als JSON an den Prozess aus. Die Process API wandelt diese dann wiederum in für das ERP-System lesbare IDocs um und übermittelt sie an SAP.

Dieses methodische Denken in Layern ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, denn es garantiert die Wiederverwendbarkeit der Assets. Das Daten-Handling wird vereinfacht und die Systemanbindung standardisiert. Der springende Punkt dabei ist, MuleSoft richtig einzusetzen – eine 1:1-Integration, die ebenfalls umsetzbar wäre, läge nicht im Interesse der Unternehmen. Sie wünschen sich einfache und effiziente Prozesse.

Abbildung 1: Darstellung der Third-Party-Logistics (3PL) Integration (Bildquelle: Logicalis GmbH)

Von welchen Vorteilen profitieren Ihre Kunden, wenn sie eine API-Integration umsetzen?

Tim Voigtländer: Ganz wesentlich ist, dass keine umfangreichen Projekte mehr nötig sind, um neue Partner einzubinden – der gesamte Prozess erfolgt viel schneller und effizienter. Auch die Kommunikation gestaltet sich einfacher, was interne Abläufe und damit auch den Versand optimiert. Gleichzeitig können neue Produkte schneller in den Markt eingeführt werden.

Unternehmen können sich so flexibel an geänderte Marktbedingungen anpassen und bleiben wettbewerbsfähig. International tätige Organisationen können den Integrationsprozess übrigens ebenso für ihre Lagerlogistik an anderen Standorten ausweiten – die positiven Effekte lassen sich dadurch verstärken. Wir haben das gerade thematisierte Beispielprojekt übrigens auch für zwei Standortländer gleichzeitig ausgerollt.

Eine derartige Lösung zu implementieren, erscheint anspruchsvoll. Lässt sich dies nur mit internem Know-how überhaupt bewältigen?

Tim Voigtländer: Es ist zwar nicht unmöglich, erfordert aber viel Wissen und umfangreiche Ressourcen. Diese sind selten in ausreichendem Maß vorhanden, da die internen IT-Experten durch ihr Tagesgeschäft meist ohnehin sehr eingespannt sind.

Ein auf das Unternehmen abgestimmtes Konzept einer API-Integration zu entwickeln, würde die vorhandenen Kapazitäten deshalb in der Regel sprengen. Mit einem externen Dienstleister lässt sich das Projekt mit niedrigerem Aufwand umsetzen, ohne die eigenen Leute zusätzlich zu belasten.

Weitere Informationen zum Thema Enterprise Application Integration (EAI) finden Sie auf der Logicalis Homepage

*Tim Voigtländer arbeitet seit rund 3 Jahren bei der Logicalis GmbH. Als Manager Enterprise Application Integration verantwortet er in der Practice Hybrid Cloud den Themenbereich Digitalisierung/Integration. Durch seinen vorherigen Consulting- und Architektur-Schwerpunkt verfügt er über eine hohe Expertise im Bereich MuleSoft und vielen weiteren Technologien und Standards.

powered by www.it-daily.net


Mehr Artikel

News

Bad Bots werden immer menschenähnlicher

Bei Bad Bots handelt es sich um automatisierte Softwareprogramme, die für die Durchführung von Online-Aktivitäten im großen Maßstab entwickelt werden. Bad Bots sind für entsprechend schädliche Online-Aktivitäten konzipiert und können gegen viele verschiedene Ziele eingesetzt werden, darunter Websites, Server, APIs und andere Endpunkte. […]

Frauen berichten vielfach, dass ihre Schmerzen manchmal jahrelang nicht ernst genommen oder belächelt wurden. Künftig sollen Schmerzen gendersensibel in 3D visualisiert werden (c) mit KI generiert/DALL-E
News

Schmerzforschung und Gendermedizin

Im Projekt „Embodied Perceptions“ unter Leitung des AIT Center for Technology Experience wird das Thema Schmerzen ganzheitlich und gendersensibel betrachtet: Das Projektteam forscht zu Möglichkeiten, subjektives Schmerzempfinden über 3D-Avatare zu visualisieren. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*