Mit der KI im Dialog

Dialogorientierte KI ist im Alltag angekommen. Dieser Artikel liefert Informationen zur Herangehensweise und Strategie der Implementierung. [...]

Hat ein Chatbot Verständnisschwierigkeiten, kann eine gut gemeinte Strategie in der Kundenkommunikation schnell nach hinten losgehen (c) pixabay.com

Mehr als ein Fünftel aller US-Amerikaner besitzt bereits einen Smart Speaker für das eigene Heim. Der Funktionsumfang stimmgesteuerter Systeme wie dieser ist inzwischen groß und oftmals gut monetarisierbar, bzw. unterstützt bei der Etablierung entsprechender Geschäftsmodelle.

Da verwundert es nicht, dass das Thema auf der Agenda der Unternehmen nach vorn gerückt ist. Laut einer Accenture-Studie sehen zum Beispiel 57 Prozent aller Befragten in solchen Systemen die Möglichkeit, mit sehr geringem Aufwand sehr viel zu erreichen, also einen interessanten ROI zu erzielen. Allein in Microsofts hauseigenem Bot-Framework gehen laut Unternehmensangabe pro Woche über 3.000 Chatbots online.

Auch wenn der Aufwand vergleichsweise gering sein mag, so gibt es doch reichlich Möglichkeiten, Dinge richtig oder eben auch falsch anzupacken. Damit die Einführung und Nutzung klappen, müssen sich Unternehmen über ein paar Dinge vorab klar werden – und dazu erst eine einheitliche und präzise Sprachregelung treffen.

Bot, Chatbot, Virtual Assistant: Die Unterschiede

Ebenso wenig, wie Deep Learning und Machine Learning ein und dasselbe sind, gilt das für konversationsbasierte KI-Systeme. Doch oft werden Begriffe wie Stimme, Chat, Bots, Assistenten oder Agenten nicht trennscharf verwendet. Am weitesten gefasst ist der Agent: Er beschreibt als Oberkategorie zwei weitere Termini, nämlich Bots und virtuelle Assistenten.

Der Bot ist in der Regel ein automatisiert vorgehendes System, das selbsttätig Inhalte produziert und verbreitet. Ein Chatbot mit einer entsprechenden Chat-Oberfläche ist dabei rein auf das geschriebene Wort ausgelegt – anders als ein virtueller Assistent, der Nutzer auch per und mit seiner Stimme unterstützt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass der klassische Chatbot aus Diskretionsgründen häufig seine Daseinsberechtigung hat. Dennoch: Sprache gewinnt als Interface immer mehr an Bedeutung.

Zwischen den beiden wichtigsten Arten virtueller Assistenten unterscheidet eine weitere Kategorie, nämlich die Aufteilung in generische und spezifische: Zu den generischen Assistenten zählen Systeme wie Alexa, Cortana, Google Assistant oder Siri. Kurze und einfache Fragen beantworten sie, wie bereits angedeutet, inzwischen recht gut. Dabei kommen solche Systeme übrigens inzwischen auch bei Unternehmen immer häufiger zum Einsatz: Ich selbst kann meine Reiseabrechnungen mit einem solchen Assistenten erledigen, ebenso wie beispielsweise Druckerinstallationen. Die spezifischen Lösungen gehen mehr in die Tiefe, sind also trainiert auf ein Fachgebiet. Finanzen wären ebenso ein Beispiel wie Verwendungen im medizinischen Umfeld. Bei dieser Vielfalt ist die richtige Strategie entscheidend, um das passende System für den eigenen Bedarf zu erhalten.

Conversational AI: Strategie-Bestandteile

An erster Stelle der Überlegungen gilt es, die entsprechenden Herausforderungen und Aufgaben zu identifizieren, die ein konversationsbasiertes KI-System im Geschäftsmodell lösen soll. Das klingt banal, wird aber nur allzu gern vergessen. Darüber hinaus gilt es weitere Elemente auf strategischer Ebene zu beleuchten:

  • Welcher Kanal ist der richtige?
  • Wie sieht die HR-Strategie rund um Automatisierung aus?
  • Soll es ein komplett individuell erstelltes System sein oder eines „von der Stange“?
  • Ist eine Gesamtlösung erstrebenswert, oder sollen zum Beispiel eher einzelne Bots für einzelne Aufgaben eingesetzt werden?
  • Inwiefern spielen Sprache und regionale Besonderheiten eine Rolle, die es zu berücksichtigen gilt?

Die präzise und valide Beantwortung dieser Fragen über mehrere Entscheiderebenen hinweg ist keine Kleinigkeit – doch erst, wenn hier Klarheit herrscht, sollten Unternehmen die nächsten Schritte umsetzen. Design-Überlegungen sind dabei ein weiterer essenzieller Bestandteil. Die Definition von Brand Persona zählt dazu; ebenso die Gesprächsabsicht und das Anlernen der Künstlichen Intelligenz, sprich die Wahl der richtigen Trainingsmethodik; hier gilt es, genug Zeit und Testläufe einzuplanen.

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Die Fähigkeit, Kontext wahrzunehmen und zu verarbeiten, sollte hier ebenfalls diskutiert und deren Umfang beschlossen werden. Bei alldem ist es hilfreich, die Gesamtheit der möglichen Kanäle zu berücksichtigen: Web, Mobile bzw. Smart Devices, SMS und Messenger, Soziale Netze, E-Mail und kollaborative Apps gehören auf jede Agenda. Sie sind die Basis für eine erfolgreiche, für die User zufriedenstellende Interaktion. Denn es darf nie vergessen werden: Conversational AI wird zur Stimme des Unternehmens, sie ist oft erste Anlaufstelle für Kontakte.

Last but not least sei an dieser Stelle auf die strategische Bedeutung einer sauberen API-Planung und -Umsetzung verwiesen: Die Schnittstellenthematik kann gar nicht hoch genug geschätzt werden – denn ohne Zugriff auf weitere Dienste ist eine KI nicht mehr als der sprichwörtliche zahnlose Tiger.

Konversations-KI: Fähigkeiten, Quellsysteme, Ewartungen

Da ein solches KI-System als entscheidend für den berühmten ersten Eindruck ist, für den es bekanntermaßen keine zweite Chance gibt, muss die künstliche Intelligenz über die passenden Fähigkeiten verfügen. Hierzu (können) zählen:

  • ein Bot-Framework,
  • intelligente Automatisierung (IA),
  • kognitive Services,
  • Advanced Analytics und
  • Machine Learning.

Für deren Nutzung mit den entsprechenden Quellsystemen müssen die zugehörigen und jeweils passenden Schnittstellen berücksichtigt werden. Nur über sie ist der erforderliche Zugriff auf das Unternehmenswissen möglich. Zu diesem Wissenskorpus zählen die Datensysteme des Unternehmens sowie entsprechende Anwendungen, ebenso der Data Lake.

Weitere zu beachtende Punkte bei den AI-Fähigkeiten für Conversational AI und die Quellsysteme sind die Bereiche Security und Compliance sowie IT Management und DevOps – mithin bereits eher grundsätzliche technologische Themen, die für annähernd jedes innovative IT-Projekt von Bedeutung sind.
Davon gibt es jenseits der Technologie weitere. So müssen Unternehmen zum Beispiel die Frage der Geschlechtlichkeit beantworten, wobei hier zuletzt ein Trend zu neutralen Benennungen zu erkennen war.

Die Gender-Dimension hat natürlich auch an dieser Stelle ihre Daseinsberechtigung und ist nur eine Teilmenge des noch bedeutenderen und umfangreicheren Aspekts des „Unconscious Bias“; diese Thematik ist äußert sensibel und erschreckend relevant. Bestimmte Software identifiziert aus Asien oder Afrika stammende Personen deutlich schlechter als solche kaukasischer Abstimmung – wieso wohl …? Dies zu vermeiden und für wertschätzende Neutralität zu sorgen ist ebenso komplex wie wichtig. Auch gilt es, sich vorab über die gewünschte Tonalität – seriös, lustig, unterhaltsam etc. – eines Assistenzsystems klar zu werden.

Die bisher lange Liste zeigt: Eine gewisse Ausdauer wird notwendig sein, ebenso ein adäquates Budget, das auch fortdauernde Aufwendungen berücksichtigt. Denn es ist ein gutes Wegstück zu gehen, ehe eine funktionierende Conversational AI ihren nachweisbar möglichen Wertbeitrag für ein Unternehmen leisten kann. Noch reicht es in Fahrzeugen nicht zu K.I.T.T. – doch auch „nur“ mit KI bietet sich Unternehmen schon eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Wer sich an dieser Stelle noch weitergehend informieren möchte, dem sei ein Interview mit Boris Katz vom M.I.T. ans Herz gelegt – soweit bekannt übrigens (noch) nicht von einer KI erstellt. 

*Dr. Robert Laube ist Leiter Cloud-Infrastruktur und -Anwendungsentwicklung bei Avanade in Deutschland, Österreich und Schweiz. Seit mehr als 20 Jahren berät er nationale und internationale Kunden im Bereich Modern Software Engineering, Analytics, und Cloud. Er ist Experte für Künstliche Intelligenz (KI), Robotic Process Automation (RPA) sowie IoT und den innovativen Möglichkeiten, die sich im Bereich Industrie 4.0 im Zusammenspiel mit Cloud eröffnen.


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