Mit SAP die indirekte Nutzung regeln

Die Getränkekonzerne Diageo und Anheuser-Busch Inbev streiten mit SAP um die indirekte Nutzung. Den Kunden drohen Millionen-schwere Nachzahlungen. Dabei ließe sich der Ärger vermeiden - indem man sich richtig vorbereitet und gut verhandelt. Lesen Sie, worauf Sie dabei achten sollten. [...]

SAP fordert 55 Millionen britische Pfund von britischen Getränkehersteller Diageo, von Anheuser-Busch Inbev sogar 600 Millionen Dollar. Begründet wird dies mit angeblichen Verfehlungen in der Lizenzierung von SAP-Software. Das schürt Unsicherheit und Ärger auf Seiten der Anwender.
Der Lizenzmanagement-Anbieter-Markt nutzt die Panik und signalisiert Lösungen. Wirtschaftsprüfer heben warnend den Compliance-Finger und fordern Transparenz. Doch was bieten Lizenzmanagement-Anbieter? Analysen über das, was jeder SAP-Kunde letztlich bereits weiß – nämlich dass er nicht compliant ist. Sie liefern aber keine Lösungen, wie dieses Risiko gemindert oder gar beseitigt werden kann.
Warum kommt der Fall Diageo so überraschend?
Eine SAP-Vermessung war früher ein „dummes Zählen“, indem die dem User manuell zugeordneten SAP-Lizenztypen stumpf ausgelesen und weitere Metriken, die häufig für Administratoren ohnehin nicht nachvollzogen werden konnten, ermittelt wurden. Die so ermittelten Zahlen wurden über eine „Black Box“ an SAP geschickt. Das war die gängige Praxis, die sich erst in den letzten Jahren sukzessive gewandelt hat – in ein selbstkritisches Hinterfragen der eigenen Compliance.
SAP hat im Grunde nie die „Compliance-Polizei“ in Gestalt von Auditoren geschickt, wie wir es von anderen Software-Monopolisten schon lange kennen. Wer immer fleißig Lizenzen nachgekauft hat, galt als unantastbar, und konnte die notwendigsten Dinge in aller Regel bilateral mit seinem SAP-Vertrieb oder SAP-Systemhaus regeln.
Gebahren eines Monopolisten
Doch wir sehen bereits seit einigen Jahren einen kontinuierlichen Paradigmen-Wechsel – weg vom partnerschaftlichen Zusammenspiel zwischen SAP-Vertriebler und SAP-Kunde – hin zum Gebahren eines Monopolisten:
  • SAP fordert eine Vergütung zur indirekten Nutzung über Drittsysteme.
  • Vermeintliche Lösungen zur Lizenzierung von indirekter Nutzung steigen im Preis über Nacht erst auf das 200-fache (Sales and Service Order Processing) und im nächsten Schritt direkt auf das 300-fache.
  • SAP stellt plötzlich abenteuerliche Forderungen für die Nutzung von Eigenentwicklungen und Partner-Add-Ons.
  • Nach Feststellung einer Unterlizensierung werden vertraglich vereinbarte Rabatte verweigert.
  • Lösungsanstrengungen der DSAG enden in einem öffentlich ausgetragenen verbalen Krieg.
Und trotz dieses offensichtlichen Paradigmenwechsels im Umgang mit SAP-Bestandskunden hielten Entscheider auf Kundenseite immer noch an der Überzeugung fest: „Sollen sie [SAP] doch erst mal kommen und ihre Forderungen begründen. SAP verklagt ja doch keinen Kunden …“. Einen Fall wie Diageo, in dem ein SAP-Kunde vor Gericht Klarheit schaffen wollte, hat es bis dato nie gegeben. Und einen Präzedenzfall, den SAP durch Klage (zum Beispiel gegenüber Annheuser-Busch) schaffen könnte, hat man nie für möglich gehalten. Auch wenn Fälle im Ausland keine direkte Auswirkung in Deutschland haben, so ist es doch ein klares Zeichen, was im Ernstfall passieren kann. Und die These „SAP verklagt ja doch keinen Kunden …“ ist widerlegt.
Keine Panik
So erschreckend die Fälle von Diageo und Annheuser-Busch auch sein mögen – die Panik ist nicht gerechtfertigt, denn: Diageo war offensichtlich ein Fall von indirekter Nutzung – soweit man es den Fakten der Presse fachlich entnehmen kann. Diageo wollte Klärung vor Gericht und ist damit natürlich gescheitert, da objektiv SAP Nutzungsrechte ausgeübt wurden. Hätte Diageo eine Salesforce-Anbindung bereits in der Planung auf eine indirekte Nutzung von SAP hin analysiert, die Form der Anbindung auch im Hinblick auf SAP indirekte Nutzung konzipiert und die gegebenenfalls reduzierte Form der indirekten Nutzung mit SAP und Partnern geklärt, wäre Diageo sicher auch nicht umsonst heraus gekommen, aber vermutlich deutlich unter der aktuellen Forderung geblieben – im Rahmen eines kaufmännisch tragfähigem Business Cases. Dies zeigen zumindest zahlreiche deutsche Fälle, die am Verhandlungstisch intelligent gelöst wurden und nicht vor Gericht.
Bei Annheuser-Busch handelt es sich um eine Klage aufgrund einer Verletzung des Urheberrechts, nicht ausschließlich um eine indirekte Nutzung von SAP-Software.
Der Kritik von Lizenzmanagement-Anbietern sei an dieser Stelle vorgebeugt: Es geht nicht darum, Lizenzmanagement-Ansätze zu verteufeln, denn Transparenz und objektive Fakten sind die Grundlage für eine zielführende Lösung. Aber wie kann man diese erreichen?
Folgende Tipps sollen Ihnen helfen, Ihre Lösung zu finden

  • User Compliance wird durch „intelligente Vermessung“ erreicht. Analysieren Sie das tatsächliche Nutzungsverhalten und spiegeln Sie es gegen die Usertyp-Definition der SAP Preisliste. „Intelligent“ wird diese Lösung durch die Interpretation der Usertypen-Definition. Das Vermessungsergebnis wird umso günstiger, je stärker Sie die Unschärfen dieser Usertyp-Definitionen für sich auslegen. Solche Interpretationen der Usertypen sind am Markt verfügbar und können jedem Lizenzmanagement-Werkzeug als Regelwerk zur Verfügung gestellt werden.
  • Prüfen Sie Ihre Vertragshistorie, welche Auslegung der indirekten Nutzung für Sie überhaupt gilt. Entsprachen doch die Preislisten vor 15 Jahren noch dem „gefühlten“ Nutzungsrecht, so hat sich das Thema im Zuge der Zeit immer kundenunfreundlicher in unterschiedlichen Formulierungen dargestellt. Gleiches gilt für die Nutzung von Eigenentwicklungen und Add-Ons von Drittanbietern.
  • Analysieren und reduzieren Sie die indirekte Nutzung von SAP-Software. Lizenzmanagement-Werkzeuge können in der Regel nur die Schnittstellen analysieren, die über technische User abgewickelt werden, nicht aber über die Standard-Methoden wie IDOCs, PI, Webservices, etc.. Zusätzlich sind am Markt „Interface Scanner“ verfügbar, die technische Massendaten aus Schnittstellen analysieren und verdichten, diese aber auch nicht interpretieren und im Risiko mindern können. Es gilt, die erkannten Schnittstellen nach Möglichkeit derart umzubauen, dass der Sachverhalt der indirekten Nutzung nicht mehr erfüllt ist und die verbleibenden notwendigen Fälle von indirekter Nutzung kaufmännisch verträglich (proaktiv) zu lösen.
  • Bewerten Sie Ihre Eigenentwicklungen und Dritt-Add-Ons analog der für Sie gültigen Runtime-Rechte. Nutzen Sie auch hier die Unschärfen der Preislisten-Definitionen.
  • Spiegeln Sie Ihre Schnittstellen- und Add-On-Bewertung gegen Ihre S/4HANA Strategie und konzentrieren Sie sich auf die Compliance Gaps, die Sie auch in Zukunft haben werden. Eine Migration auf S/4HANA liegt im Interesse der SAP und ist ein gutes Argument für eine partnerschaftliche, auf die Zukunft ausgerichtete Lösung.
  • Bewerten Sie Ihre IT-(SAP und NonSAP)-Investitionen nüchtern auf Basis eines Business Cases, der sowohl Kosten und Nutzen, aber auch die Risiken (zum Beispiel für die indirekte Nutzung von SAP oder Netweaver Foundation for 3rd Party) einkalkuliert.
  • Verwehren Sie sich nicht gegen die Themen, sondern bauen Sie Ihre Verhandlungsstrategie zur Lösung der Compliance Gaps auf und verbinden Sie diese mit geplanten Investitionen.
  • Werden Sie SAP Audit-ready! Haben Sie das Risiko erst einmal reduziert, gilt es Audit-ready zu sein und zu bleiben. Wir müssen uns darauf einstellen, dass SAP (wie andere vergleichbare Monopolisten auch) regelmäßige Onsite Audits neben den technischen Vermessungen durchführt. Ein intelligentes SAP Lizenzmanagement kann nun sehr einfach sein und neben der SAP Compliance auch tatsächlich auch zu einer Kostenreduktion und nicht nur zu einer Kostentransparenz führen.
* Michael Sandmeier ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Sandmeier Consulting.

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