Mitarbeitermotivation: Wie Sie ein Team angepasst führen

Die Frustration von Mitarbeitern ist hoch wie nie. Führungskräfte sollten deshalb ihr eigenes Verhalten anpassen und gezielter auf Teammitglieder eingehen. [...]

Um der Demotivation im Team vorzubeugen, sollten Führungskräfte ihre Mitarbeiter individuell analysieren und ihren Führungsstil konzeptionell und gezielt auf jedes Teammitglied anpassen (c) pixabay.com

Jahr für Jahr fördert die Gallup-Studie Kennzahlen zutage, wie viele Mitarbeitende aufgrund der Unternehmenskultur ihres Arbeitgebers oder des Führungsstils ihres Chefs demotiviert sind oder innerlich sogar gekündigt haben. Die letzte Erhebung weist dabei ein erschreckendes Ergebnis aus: Der Anteil des frustrierten Personals hat sich nochmals vergrößert und beträgt nun 70 Prozent. Sieben von zehn Teammitglieder sind demnach nicht mehr wirklich an ihrer Arbeit – und Leistung – interessiert. Ein Desaster für die Führungskräfte!

Die eigenen Mitarbeiter richtig kennenlernen

Häufig verhält es sich bei so viel Demotivation so, dass jeder macht, was er will. Die Führungskräfte fühlen sich dann wie in einem Zoo ohne Zoodirektor – mit dem Eisbären im Tropenhaus und dem Leopard im Streichelzoo. In einer solchen Situation mit der Peitsche zu knallen, schafft nur noch mehr Chaos. Was Führungskräfte in diesem Fall vielmehr machen sollten, um ihre Mitarbeitenden zu Leistung zu motivieren, wäre eine Anpassung.

Hierzu ist es erforderlich, seine Teammitglieder richtig kennenzulernen. Das gehört zu den vorrangigen Aufgaben einer Führungskraft. Denn wer seine Leute gut beobachtet und ihnen zuhört, findet schnell heraus, was ihnen wichtig und was ihr Antrieb ist. Und das ist grundlegend. Eines meiner Leitmottos lautet: „Menschen bewegen Unternehmen. Wer sein Unternehmen erfolgreich führen möchte, muss daher wissen, was die Menschen im Unternehmen bewegt.“

Motivationstypen spielerisch erkennen

Was konkret aber sollten wir als Führungskraft über unsere Teammitglieder in Erfahrung bringen? Hilfreich hierbei ist, sich mit den fünf Motivationstypen des Psychologieprofessors Werner Corell, auseinanderzusetzen. Zur besseren Verständlichkeit werden diese Typen hier durch Tierbilder symbolisiert.

  • Der Löwe: Er braucht Aufmerksamkeit und ist jederzeit darauf aus, sein Revier zu dominieren. In der Regel hat er alles im Griff und bringt die Dinge schnell voran. Den Löwen motiviert alles, was mit Status und Prestige zu tun hat. Signalisieren Sie ihm daher, dass sein Weg nach ganz oben führt, und zeigen Sie ihm auf diesem Weg sein Verbündeter zu sein. Merkt der Löwe, dass Sie ihn bei der nächsten Stufe der Karriereleiter unterstützen wollen und können, wird er selbst unmöglich scheinende Herausforderungen mit Leichtigkeit für das Team meistern.
  • Der Elefant: Obwohl er eigentlich viel Raum einnimmt, hält er sich bewusst klein. Sein Wissen und seine Erfahrung – und diese sind in der Regel groß – ist er jederzeit bereit, mit anderen zu teilen. Allerdings verlässt der Elefant nur ungern seine Komfortzone und mag keine Veränderungen. Genau hier können Sie ansetzen: Denn wenn der Elefant eine Chance sieht, Altbewährtes zu verteidigen, entfacht es in ihm unglaubliche Kräfte und verborgene Ressourcen. Schaffen Sie es, die Aufgaben so zu formulieren, dass der Elefant Sinn für die Allgemeinheit des Projektes und den Erhalt des „guten Alten“ erkennt, dann treibt er Ihnen den komplexesten Change-Prozess an.
  • Das Zebra: „Einer für alle und alle für Einen“. Nach diesem Motto lebt das Zebra. Es ist bekannt als Streitschlichter, Harmonie ist ihm überaus wichtig. So ist es äußerst diplomatisch und ausgestattet mit vielen Soft Skills. Allerdings verliert es sich immer wieder in Gesprächen mit den Kollegen – und hält diese dadurch oftmals von ihrem Job ab. In der Kommunikation mit dem Zebra, taucht man schnell auf eine beinahe freundschaftliche Ebene ab. Gelingt es Ihnen, solch eine Beziehung aufzubauen, erledigt das Zebra jeden Job mit Freude für Sie.
  • Der Kranich: Der Kranich liebt Ordnung und Systematik, Regeln und Prozesse kennt er in- und auswendig, Fehler erkennt er schnell. Der Kranich bremst jedoch andere aus, wenn es darum geht, Aufgaben abseits fester Prozesse zu erledigen. Dennoch haben sie mit diesem Typ die richtige Person an Ihrer Seite, sofern die an sie delegierte Aufgabe klare Struktur und Richtlinien hat. Geben Sie dem Kranich dann auch noch die Macht, Prozesse selbst zu gestalten oder deren Einhaltung zu überwachen, haben Sie einen hochmotivierten Mitarbeitenden an Bord.
  • Der schwarze Jaguar: Nicht nur in der Natur ist er ein seltenes Exemplar. Die wenigen schwarzen Jaguare, die ich in der Arbeitswelt kennenlernte, waren meist höchstkompetente Führungskräfte mit positiv lässiger Ausstrahlung – dazu empathisch, zielstrebig und entscheidungsfreudig. Ihnen folgte jedes Team wie von selbst. Den Jaguar sollten sie einfach machen lassen. Sie können sich darauf verlassen, dass er pünktlich und in bester Qualität abliefert.

Vorsicht vor Schubladendenken!

Ich wette, Sie haben Ihre Mitarbeitenden vor Ihrem inneren Auge bereits den vorgestellten Tiertypen zugeordnet. Denn genau so ticken wir Menschen; Schubladendenken macht es uns leichter, gibt uns eine klare Struktur. Und ob wir es beabsichtigen oder nicht, schaffen wir uns immer Schubladen, um die Flut an Informationen, die täglich auf uns einprasselt, kategorisieren zu können.

Aber: Wir sollten uns dessen bewusst sein! Denn dann können wir reflektiert damit umgehen, weil sich Menschen natürlich nicht einfach in Schubladen stecken lassen. Jeder von uns ist so individuell wie sein Fingerabdruck. Somit müssen wir aufpassen, dass unsere Typisierung nicht verhindert, die jeweiligen Besonderheiten unserer Teammitglieder zu erkennen und den Blick auf das Wesentliche verbauen: nämlich die Zwischentöne. Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie, dass Ihr Zebra grüne »Zebrastreifen« trägt und Ihr Löwe nur brüllt, weil er damit seine Unsicherheiten überspielen will.

Individualität erkennen

Wie aber erkennt man die Individualität seiner Mitarbeiter? Hier wird die MSA®-Methode interessant. Sie beschreibt insgesamt 18 Grundmotive, die jeder Mensch besitzt, die jedoch bipolar unterschiedlich ausgeprägt sind. Sie müssen sich das wie auf einem Mischpult mit 18 Schiebern vorstellen, die sich zwischen zwei Polen einpegeln. In der Mitte liegt die neutrale „Einstellung“. Links und rechts davon befinden sich die Ausprägungen.

Die Beschreibung aller Motive würde hier den Rahmen sprengen, daher erläutere ich nur das aus meiner Sicht sehr wichtige Grundmotiv „Wissen“, das die Gegenpole „intellektuell“ und „pragmatisch“ umfasst:

Intellektuelle Menschen lieben es, zu forschen und nach Hintergrundinformationen zu recherchieren, wenn sie vor einer neuen Aufgabe stehen. Pragmatische Menschen hingegen lieben es, frei nach dem Motto „Trial and Error“ schnell loszulegen.

Beauftrage ich einen intellektuell motivierten Menschen damit, eine Software zu testen und die Ergebnisse in vierzehn Tagen dem Team vorzustellen, führt das zu großer Motivation oder treibt ihn in Richtung eines Burnouts – je nachdem wie ich die Aufgabe stelle: Bekommt der Intellektuelle mit der Aufgabe ein ausführliches Handbuch und den direkten Kontakt zum Hersteller, mit dem er bei Bedarf Fachfragen klären kann, wird ihm die Arbeit viel Freude bereiten und er wird eine entsprechend hohe Leistung bringen. Bekommt er keinerlei Information, löst die Aufgabe Stress bei ihm aus.

Denn intellektuell motivierte Mitarbeitende verabscheuen gefährliches Halbwissen, und „unvorbereitet“ vor Kollegen und Kolleginnen zu präsentieren, treiben sie schier in die Verzweiflung. Völlig anders geht die pragmatische Kollegin an die Aufgabe heran. Sie legt los, bleibt das ein oder andere Mal hängen und probiert sich ihren Weg durch das Programm, indem sie ihre Schritte notiert. Das heißt: Ein und dieselbe Aufgabe braucht bei Anpassung an die Mitarbeitenden unterschiedliche Wege der Delegation.

Anpassung durch die richtige Kommunikation

Wichtig ist zudem, die richtige Sprache zu sprechen! Die Art zu kommunizieren ist ein elementares Mittel, um sich bestmöglich an andere Menschen anzupassen. Es lohnt sich, hier den passenden Weg – die passende Sprache – zu finden, denn Mitarbeitende, die sich „richtig angesprochen fühlen“, entwickeln in der Regel auch eine stärkere Bindung zum Arbeitgeber.

Kommen wir hier anhand eines Beispiels nochmals auf die Tierwelt zurück: Eine Präsentation zu allen laufenden Projekten soll dem Topmanagement vorgestellt werden. Die an den Löwen angepasste Kommunikation könnte folgendermaßen lauten: „Demnächst habe ich ein wichtiges Meeting mit dem Topmanagement. Ich brauche hierfür eine Präsentation zu allen aktuellen Projekten. Du weißt schon, den Status Quo, Zahlen, Daten, Fakten, und einen Forecast.

Die Präsentation sollte sehr professionell gestaltet sein. Aus diesem Grund möchte ich, dass du das übernimmst. Du weißt, wie unser Topmanagement tickt, hast ein Gespür dafür, was sie von einer solchen Präsentation erwarten. Ganz wichtig: Ich möchte, dass du deinen Namen auf das Cover schreibst, damit das Topmanagement dich in den Fokus nimmt.“

Den Elefanten sollten Sie indes so beauftragen: „Demnächst habe ich ein wichtiges Meeting mit dem Topmanagement, bei dem ich alle laufenden Projekte präsentieren soll. Das Meeting entscheidet, ob wir alles wie gehabt weiterführen dürfen, oder ob es einer Anpassung bedarf. Schlimmstenfalls kriegen wir kein Budget für das kommende Quartal. Daher ist es extrem wichtig, dass wir das Meeting gut vorbereiten und eine Eins-A-Präsentation vorlegen. Ich brauche deine Unterstützung dafür und verlasse mich darauf, dass du wie gewohnt pünktlich lieferst.“

Auswirkungen des angepassten Führungsstils

Die Auswirkungen des angepassten Führungsstils sind enorm. Paradoxerweise werden Sie selbst als Führungskraft damit authentischer. Denn um sich anzupassen, müssen Sie sich erst einmal mit ihren eigenen Motiven auseinandersetzen. Geht man die Methode offen im Team an und gibt jedem Teammitglied die Möglichkeit, sich intensiv mit den eigenen, aber auch den Motiven seiner Kolleginnen und Kollegen zu beschäftigen, entwickelt sich ein hohes Maß an Empathie und gegenseitiger Wertschätzung. Eine Grundvoraussetzung für die Entstehung eines Hochleistungsteams.

*Paul Weißhaar berät Unternehmen bei Veränderungsprozessen und übernimmt selbst die Projektleitung. Als Führungskräftetrainer vermittelt er die Methoden der „Angepassten Führung“, welche er auch in seinem Buch „Die Chamäleon-Methode: Angepasst führen – authentisch bleiben“ beschreibt.


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