Mobiles Arbeiten erfordert mehr Selbstorganisation

Dürfen IT-Mitarbeiter selbst entscheiden , ob sie lieber im Büro oder zu Hause arbeiten, gehen sie motivierter an ihre Aufgaben ran. Flexible Arbeitsmodelle müssen aber besser organisiert werden, darin sind sich Experten einig. [...]

Die Idee ist keineswegs neu. Mobil und von überall aus arbeiten war lange ein unerfüllter Traum vieler Arbeitnehmer. Doch dank moderner IT-Technologie wagen sich heute mehr Firmen an flexible Arbeitsformen heran. Verdi-Mann (Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ist eine Mitgliedsgewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund) Karl-Heinz Brandl zieht ganz am Anfang einer Diskussionsrunde die etwas antiquierte Broschüre „Telearbeit“ aus der Tasche. Schon der museumsreife Computer auf dem Titelblatt bringt ihm einige Lacher ein. „Die Mehrheit wünscht sich mobiles Arbeiten, sagt Karl-Heinz Brandl, Leiter IKT-Projekt im Fachbereich Telekommunikation/IT in der Verdi-Bundesverwaltung in Berlin. Doch seit diesen ersten Ansätzen hat sich einiges getan. Smartphone, VoIP, Tablet-PCs und Laptops mit der entsprechenden Software und IT-Infrastruktur verknüpft, verschafften den Wünschen nach einem mobilen Arbeitsplatz neuen Schub. Konzepte für moderne Arbeitswelten sind heute aktueller denn je, das Home Office entwickelt sich für immer mehr Arbeitnehmer zur attraktiven Ergänzung zum Schreibtisch im Büro.

Doch welche Handicaps gibt es? Was sollten Unternehmen beachten, die ihren Mitarbeitern mehr Flexibilität bieten möchten? Diese Fragen diskutierte eine Expertenrunde auf Einladung von Aecom in München. „Am Anfang sollte eine Mitarbeiterbefragung stehen“, empfiehlt Axel Praus, Geschäftsführer von Aecom Deutschland. Seiner Erfahrung nach sprächen sich meistens 65 bis 70 Prozent dafür aus, von zu Hause aus zu arbeiten. Eine andere wichtige Frage sind die Jobprofile. Nicht alle Aufgaben lassen sich von einem anderen Ort aus bewältigen. „Wir haben Jobcluster gebildet und festgestellt, dass sich 60 Prozent der Jobs bei der Telekom für das mobile Arbeiten eignen“, erläutert Jörg Langer von der Deutschen Telekom.

Das Unternehmen bietet alternierende Konzepte für seine Angestellten an. „Die Mitarbeiter sollen nicht die ganze Zeit von zu Hause aus arbeiten, denn der Kontakt untereinander und im Team sind wichtig“, erläutert Langer. Ganz ins Home Office möchte kaum jemand seine Belegschaft verbannen. Beim Plausch in der Teeküche entstehen manchmal bessere Ideen als am Schreibtisch. Gemeinsame Projekte und Teamarbeit lassen sich trotz technischem Equipment nicht immer über weitere Distanzen realisieren.

Auch in der Softwareentwicklung beispielsweise gibt es Grenzen. „Gerade bei der Scrum-Methode ist es erforderlich, dass sich das Team regelmäßig trifft“, weiß Verdi-Mann Brandl. Große IT-Konzerne wie IBM, T-Systems oder auch SAP, die Brandl näher kennt, beschäftigen sich schon länger mit mobilen Arbeitswelten. „Viele CIOs der Großunternehmen haben sich das auf die Fahnen geschrieben.“

Allerdings erfordern mobile Arbeitsmodelle ein mehr an Organisation, auch daran ließ die Diskussionsrunde keinen Zweifel. Betriebsvereinbarungen stecken den rechtlichen Rahmen ab. Das reicht mitunter von der Ausstattung des Home-Office bis zur Heizkostenabrechnung des häuslichen Büros. Informationsveranstaltungen und klare Absprachen zu Beginn des Projektes helfen auch den Mitarbeitern, über Zweifel und Bedenken mit ihren Vorgesetzten zu sprechen. Schließlich beinhalten viele Vereinbarungen auch, wie Angestellte ihre Arbeitszeiten erfassen können und wie sie mit dem Thema Datenschutz umgehen.

Selbst wenn sich CIOs besonders für mobiles Arbeiten begeistern, umsetzen muss es meist das mittlere Management, das mitunter noch in traditionellen Mustern denkt und eine Anwesenheitskultur favorisiert. Sofie Geisel vom Netzwerkbüro „Erfolgsfaktor Familie“ räumt ein, dass es mitunter schwierig ist, Termine für Meetings zu finden, wenn Mitarbeiter viel von zu Hause aus arbeiten.

Wenn Unternehmen sich zusätzlich vom Konzept eines festen Schreibtisches für jeden Mitarbeiter verabschieden, sparen sie Büroflächen ein, was gerade in Ballungsräumen mit hohen Mieten einen extra Anreiz bietet. Außerdem bringen sie ihre Angestellten auf Trab, denn neue Nachbarschaften fördern zumindest im Idealfall auch neue Ideen. Doch Einsparpotenziale treiben längst nicht alle Arbeitgeber an. Manche haben schnell gelernt, dass sie auf junge Mitarbeiter viel attraktiver wirken, wenn sie ihnen flexible Arbeitszeitmodelle und mobiles Arbeiten ermöglichen.

* Ingrid Weidner ist Redakteurin des deutschen CIO.


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