Das "Mailüfterl" ist der erste Transistorrechner auf dem europäischen Festland. Erbaut wurde er an der TU Wien von Heinz Zemanek und seinem Team. 1961 übersiedelten Zemanek, Team und Rechner zu IBM. Bisher eine Leihgabe wurde das "Mailüfterl" heute offiziell dem Technischem Museum Wien von IBM geschenkt. [...]
Das „Mailüfterl“ gilt als erster Transistorrechner auf dem europäischen Festland. Erbaut wurde er an der TU Wien von Heinz Zemanek und seinem Team. 1961 bot IBM dem Computerpionier an, für ihn und seine Forschung ein Laboratorium in Wien aufzubauen, woraufhin Zemanek und die Gruppe hinter dem „Mailüfterl“ zum Konzern übersiedelten.
Wie kam es zu dem Namen „Mailüfterl“?
In den Anfängen der Computerentwicklung wurden die Pioniergeräte vor allem in den USA entwickelt, wo man ihnen klingende Namen wie Tornado oder Wirbelsturm gab. Anders als die US-amerikanischen Projekte, die mit Kapital bestens ausgestattet waren, mussten Heinz Zemanek und sein Team viele unkonventionelle Wege beschreiten, um an Bauteile zu kommen, beispielsweise Spenden von Hörgeräte-Transistoren. Bei Namensgebung blieb man bei Windbezeichnungen, aber aufgrund der durch die schwierige Finanzierungslage begrenzten Möglichkeiten, kreierte Zemanek den charmanten Arbeitstitel „Mailüfterl“. Dieser hat sich bis heute gehalten.
Zurück zu Zemanek: Das Labor stand bis 1976 unter seiner Leitung. Dabei verlagerte er seine Forschungsarbeit zunehmend von der Hard- zur Software. In diesem Jahr wurde Zemanek zum IBM Fellow ernannt. Diese Funktion bietet größtmögliche wissenschaftliche Freiheiten und ist bis heute die höchste technische Karrierestufe und Auszeichnung bei IBM. Fünf IBM Fellows wurden bislang mit Nobelpreisen ausgezeichnet.
Geschichte des „Mailüfterls“:
- An der Technischen Universität Wien beginnt Heinz Zemanek 1956 mit seinen Mitarbeitern Kurt Bandat, Rudolf Bodo, Viktor Kudielka, Peter Lucas, Eugen Mühldorf und Kurt Walk einen Transistorrechner zu bauen. In Anlehnung an den amerikanischen Großrechner „Whirlwind“ (Wirbelsturm) bekommt das österreichische Pendant den Namen eines in Wien bekannteren Wetterphänomens, nämlich dem sogenannten „Mailüfterl“““. Die Fertigstellung erfolgt 1958.
- Wien im internationalen Wettlauf: Im Jahr 1954 entstehen in den USA der Transistorrechner TRADIC (Transistor-Digital-Computer) in den Bell-Laboratories und 1956 der TX-0 am Massachusetts Institute of Technology. In England werden an der Universität Manchester unter der Leitung von Tom Kilburn 1953 und 1955 zwei Transistorrechner gebaut.
- Das „Mailüfterl“ besteht aus rund 3.000 Transistoren, 5.000 Germaniumdioden, 15.000 Widerständen, 5.000 Kondensatoren, 3.000 Induktivitäten, 20 km Schaltdraht und ca. 100.000 Lötstellen. Die Leistungsaufnahme beträgt rund 400 Watt. In den 48 Bit langen Worten lassen sich mittels des Stibitz-Codes je zehn Dezimalstellen mit Vorzeichen und Operationssymbol unterbringen. Beim Programmieren sind somit bis zu 80.000 verschiedene Maschinenbefehle möglich. Die Taktfrequenz beträgt 132 kHz, zwei zehnstellige Zahlen können in 26 ms multipliziert werden. Der interne Ringkernspeicher im „Mailüfterl“ hat eine Kapazität von 50 Wörtern zu 48 Bit, also insgesamt 2.400 Bits. Der externe Magnettrommelspeicher kann weitere 10.000 Wörter, also insgesamt 480.000 Bits (rund 60 KB) speichern.
Am 27. Mai 1958 berechnet der Computer die Primzahl 5073548261 in 66 Minuten.
Heinz Zemanek und IBM Österreich
Im Jahr 1961 übersiedelt Heinz Zemanek mit seinem Team in das neu gegründete Wiener IBM-Labor. IBM als globaler Technologie-Innovator kauft der Technischen Hochschule Wien das „Mailüfterl“ ab, um es dem Labor und Heinz Zemanek weiterhin zur Verfügung zu stellen. Der Rechner wird 1966 ausgemustert und schließlich im Jahr 1973 dem Technischen Museum Wien als Dauerleihgabe für die neue Abteilung „Datenverarbeitung“ übergeben, die im Mai 1974 eröffnet wird. Rund 50 Jahre nach der Eröffnung folgt heute die offizielle Schenkung von IBM Österreich an das Technische Museum Wien (Bundesmuseum).
Zemanek verstarb im Jahr 2014. 2019 wurde im dritten Wiener Gemeindebezirk die Zemanekgasse nach dem Computerpionier benannt. Der Heinz-Zemanek-Preis, der jährlich von der Österreichischen Computer Gesellschaft verliehen wird, ist seit 1985 wichtiger Fixpunkt im heimischen Wissenschaftskalender.
Das Mailüfterl ist im Technischen Museum Wien ausgestellt: www.tmw.at.
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