Im IT-Servicemarkt könnten Cloud-Verträge schon bald das umsatzstärkste Segment darstellen. Dagegen stehen dem klassischen Outsourcing-Geschäft turbulente Zeiten bevor. [...]
Auch wenn sich das Wachstum im vierten Quartal verlangsamt hat, erreichte der europäische Markt für IT- und Business-Services 2021 ein neues Rekordvolumen. Laut dem „EMEA ISG Index“ erwirtschafteten die Anbieter von As-a-Service-(XaaS-)Leistungen und Managed Services im vergangenen Jahr Einnahmen von 23,3 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ist damit die höchste jemals gemessene jährliche Wachstumsrate in Europa. Die Information Services Group (ISG) erfasst in ihrem Index Verträge mit einem jährlichen Wert (Annual Contract Value, ACV) von mindestens 4,4 Millionen Euro (fünf Millionen Dollar).
Geschäfte mit Managed Services legten demnach 2021 um elf Prozent auf 12,2 Milliarden Euro zu – der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Das Segment IT-Outsourcing (ITO) wuchs um fünf Prozent auf einen neuen Rekordwert von knapp zehn Milliarden Euro. Noch deutlicher expandierte der Bereich Business Process Outsourcing (BPO) – um 45 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro.
Auch die Cloud-Geschäfte erreichten neue Rekordhöhen. Der Umsatz mit XaaS-Leistungen wuchs um 41 Prozent auf 11,1 Milliarden Euro, wobei Infrastructure as a Service (IaaS) um 44 Prozent auf 8,1 Milliarden Euro und Software as a Service (SaaS) um 33 Prozent auf rund drei Milliarden Euro zulegten. Allein im vierten Quartal schaffte der europäische Markt für Cloud-Services ein Wachstum von 55 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro.
„Obwohl das letzte Quartal Anzeichen einer Verlangsamung aufweist, verzeichnet die EMEA-Region einen insgesamt soliden Aufwärtstrend“, kommentierte Barbara Florschütz, Geschäftsführerin der ISG Germany, die Zahlen. Der ACV des Gesamtmarkts habe seit Mitte 2020 immer über 4,4 Milliarden Euro (fünf Milliarden Dollar) pro Quartal gelegen. Vier Mal hintereinander habe der Wert sogar 5,3 Milliarden Euro (sechs Milliarden Dollar) und mehr erreicht.
Deutschland: Auf und Ab bei Managed Services
Regional gibt es jedoch große Unterschiede. Die meisten Marktregionen wiesen ein beträchtliches Jahreswachstum des ACV bei Managed Services auf – mit Ausnahme der beiden größten Märkte Großbritannien und Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH). Das Vereinigte Königreich verzeichnete im Verlauf des vergangenen Jahres ein moderates ACV-Plus von zwei Prozent auf 3,2 Milliarden Euro.
In der DACH-Region schrumpfte der Managed-Services-ACV im gesamten vergangenen Jahr um 29 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro. Zwar verzeichnete der Markt über weite Strecken des Jahres 2021 positives Wachstum, brach aber im vierten Quartal regelrecht ein – minus 70 Prozent. Der Grund dafür ist ein statistischer Effekt: Im Vergleichsquartal des Vorjahres war im DACH-Raum eine Reihe sehr großer Aufträge vergeben worden, unter anderem von Daimler, Siemens und der Postbank.
„Zugleich litt die DACH-Region unter der Unterbrechung von Lieferketten sowie einer allgemein gebremsten Nachfrage nach Industriegütern“, erklärt Florschütz. „Dies führte oft zu einer Verlängerung bereits bestehender Verträge, während größere Transformationsprojekte zumindest vorerst auf Eis gelegt wurden.“
Turbulente Zeiten im IT-Outsorcing
Auch die einzelnen Teilbereiche entwickeln sich unterschiedlich. Während die Cloud-Geschäfte kontinuierlich hohe Wachstumsraten vorweisen und sich anschicken, die Hoheit im IT-Services-Markt zu übernehmen, zeichnete sich in den Teilmärkten des Segments Managed Services zuletzt etwas Unruhe ab. Hier lag der ACV im vierten Quartal 2021 mit 3,1 Milliarden Euro um 16 Prozent unter dem Wert des Vorjahresquartals. Jedoch waren in den Monaten Oktober bis Dezember 205 Vertragsabschlüsse zu verzeichnen und damit zehn Prozent mehr als im Vergleichsquartal des Vorjahres.
Beim IT-Outsourcing (ITO) ging der Vertragswert im letzten Jahresviertel 2021 im Vergleich zum Vorjahr sogar um 19 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro zurück, was aber im Vergleich zum dritten Quartal 2021 ein Plus von 19 Prozent bedeutete. BPO lag mit 439 Millionen Euro zwei Prozent über dem Vorjahreswert, aber 44 Prozent unter dem Wert des dritten Quartals 2021.
ISG-Managerin Florschütz verweist auf eine ungewöhnlich hohe Vertragsaktivität in der EMEA-Region. In den zurückliegenden vier Quartalen seien jeweils mindestens 200 Vertragsabschlüsse registriert worden. „Managed Services verzeichneten das fünfte Quartal in Folge einen ACV von über 3 Milliarden Euro“, so die Marktforscherin. „Der Wert ist zwar im Vergleich zum Vorjahr gesunken, doch ist dabei auch zu erwähnen, dass im vierten Quartal 2020 mehrere Mega-Deals geschlossen wurden.“
Viele Outsourcing-Verträge kommen auf den Tisch
Die Zeiten könnten unruhig bleiben – gerade im klassischen IT-Services-Bereich. In der IT-Wirtschaft stehen laut ISG zahlreiche Dienstleistungsverträge zur Erneuerung an. Für das gesamte Jahr 2022 belaufe sich der Wert dieser Kontrakte weltweit auf 18,5 Milliarden Dollar. Knapp drei Viertel der auslaufenden Verträge entfielen auf das IT-Outsourcing, die übrigen auf den Bereich BPO.
Gut die Hälfte der Kontrakte stammt aus Nord- und Südamerika, 38 Prozent aus der EMEA-Region und zehn Prozent aus dem asiatisch-pazifischen Raum. Bricht man die Zahlen auf einzelne Wirtschaftszweige herunter, so fällt auf, dass beinahe die Hälfte der Verträge, die zur Erneuerung anstehen, auf die Finanzdienstleistungsbranche (29 Prozent) und die Fertigungsindustrie (19 Prozent) entfallen.
Der weltweite Markt für Managed Services wird ISG zufolge 2022 um 5,1 Prozent wachsen. Dies liege deutlich über dem Wachstum der Jahre 2010 bis 2020, das durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr betragen hatte. Für den globalen Markt Cloud-basierter XaaS (IaaS und SaaS) erwarten die Marktforscher ein Wachstum von 20 Prozent. Diese Einschätzung liegt am unteren Ende der 20 bis 25 Prozent aus den vergangenen Jahren.
*Martin Bayer: Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP; Betreuung von News und Titel-Strecken in der Print-Ausgabe der COMPUTERWOCHE.
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