Nachhaltige Datensouveränität als Grundlage für globale Wettbewerbsfähigkeit

In Europa gibt es zahlreiche Ansätze zur Förderung datenbasierter Zusammenarbeit. Der Fokus liegt dabei auf dezentralen, föderierten IT-Ansätzen sowie interoperablen und Open-Source-basierten Technologien, um Abhängigkeiten von einzelnen IT-Unternehmen zu vermeiden. [...]

Im Kontext der Initiative Manufacturing-X diskutierte die europäische Industrie-4.0-Community die Entwicklung von Datenräumen, Gaia-X & Co. auf Einladung der Plattform Industrie 4.0 und des Gaia-X Hub Austria im Rahmen der Technology Talks Austria, die am 12. & 13. September 2024 das erste Mal in Wien stattgefunden haben. (c) Valerie Maltseva/Agenda Studio

Auf Einladung der Plattform Industrie 4.0 Austria und des Gaia-X Hub Austria trafen sich Vertreter:innen der europäischen Initiative Manufacturing-X im Rahmen der Technology Talks Austria 2024 am 13. September in Wien. Ziel der Veranstaltung war es, die aktuellen Digitalisierungsansätze zur Schaffung von Datenräumen in der Industrie zu diskutieren. In der globalen Wirtschaft konkurrieren längst nicht nur einzelne Firmen, sondern ganze Regionen und industrielle Ökosysteme miteinander. Die Kooperation in Wertschöpfungsnetzwerken ist daher das Gebot der Stunde – insbesondere in der Digitalisierung spielt die firmenübergreifende Zusammenarbeit eine zunehmend wichtige Rolle. Österreichische Industrieunternehmen übernehmen dabei eine Vorreiterrolle in der Digitalisierung.

Nachhaltige Datensouveränität gegen Lockin-Effekte als Grundlage für globale Wettbewerbsfähigkeit

In Europa gibt es zahlreiche Ansätze zur Förderung datenbasierter Zusammenarbeit. Dominik Rohrmus von Siemens und dem deutschen Lab Network Industrie 4.0 engagiert sich in einem Leitprojekt der Initiative Manufacturing-X. Diese treibt von Deutschland aus Industrieprojekte voran, die in verschiedenen Sektoren – wie der Luftfahrt oder Halbleiterindustrie – als globale Leuchtturmprojekte zum Umgang mit Produktionsdaten dienen sollen. Der Fokus liegt dabei auf dezentralen, föderierten IT-Ansätzen sowie interoperablen und Open-Source-basierten Technologien, um Abhängigkeiten von einzelnen IT-Unternehmen zu vermeiden.

Auch die Europäische Kommission unterstützt Initiativen zum Datenaustausch und die Entwicklung von Data Spaces. Im Rahmen des Projekts SM4RTENANCE, einem von 14 „Common European Dataspaces“, werden Lösungen für die Produktion entwickelt. Geleitet von Oscar Lazaro vom spanischen Forschungsunternehmen Innovalia, sollen Projekte umgesetzt werden, die die derzeit ungenutzten 80 Prozent der Industriedaten in verschiedenen Branchen – wie der Elektronik-, Textil- und Automobilindustrie – nutzbar machen. Ein zentrales Ziel ist die Interoperabilität mit anderen europäischen Initiativen, insbesondere Manufacturing-X, zu gewährleisten. Durch Anbindung an diese Projekte stärkt Österreich seine Position im globalen Wettbewerb und zeigt, wie vertrauensvolle, verteilte Daten-Ökosysteme die Industrie voranbringen können.

Standardisierung und Pragmatismus als notwendige Zutaten

Wünscht man sich die Interoperabilität von IT-Architekturen, dann setzt dies Standardisierung voraus. Für letztere setzt sich unter anderem Jens Gayko vom deutschen Standardization Council Industrie 4.0 ein. Derzeit beschäftigt sich die europäische IT-Standardisierung zum Beispiel mit dem Digitalen Produktpass, der durch die neue Ökodesignverordnung der EU in den kommenden Jahren für viele Produktgruppen verpflichtend wird. Um solche komplexen Regularien effizient umzusetzen, benötigt die Industrie standardisierte technische Infrastrukturen und wiederverwendbare Komponenten. Dabei gilt es, das Rad nicht neu zu erfinden, sondern auf gemeinsamen Standards, beispielsweise zu Data Spaces, aufzubauen.

Einen pragmatischen Zugang fordert auch John Blankendaal von Brainport Industries aus den Niederlanden. Die High-Tech-Industrie ist mit Unternehmen wie ASML in Europa stark verwurzelt. Gleichzeitig sind High-Tech-Produkte nur über komplexe Wertschöpfungsnetzwerke herstellbar. Diese bestehenden Strukturen gilt es auch digital zu vernetzen.

Projekte in Frankreich, Deutschland und Österreich

Die gemeinsame Vision vernetzter Wertschöpfungsnetzwerke in der Produktion verbindet Forschungsprojekte in ganz Europa. In Frankreich wird mit Data4Industry-X ein Projekt umgesetzt, an dem sich unter anderem Jean Pascal Riss vom Automatisierungsunternehmen Schneider Electric beteiligt. Ziel ist es, von individuellen Lösungen in einer einzelnen Fabrik einer einzelnen Firma zu gemeinschaftlichen Ansätzen für mehrere Fabriken unterschiedlicher Firmen zu gelangen.

Das wohl bekannteste deutsche Projekt mit ähnlichem Ansatz ist Catena-X, das sich auf die Automobilindustrie fokussiert. Als Forschungsprojekt ist Catena-X bereits abgeschlossen, das Projekt wird jedoch in einem Verein weiterentwickelt, geleitet von Anja Misselbeck. Laufende Use Cases gibt es beispielsweise zur Rückverfolgbarkeit in der Fahrzeugproduktion, zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks oder zum Batteriepass. Ein gemeinschaftlicher Software-Stack bildet die Grundlage für die Anwendungen und wird als Open-Source-Software weiterentwickelt.

Dieser Software-Stack wir auch in Manufacturing-X genutzt, zum Beispiel im Maschinenbau im Projekt Factory-X. Dort arbeiten Sebastian Schneider von DMG MORI und Ingo Sawilla von TRUMPF an der Digitalisierung der „Fabriksausstattung“. Der Lebenszyklus einer Maschine soll digital abgebildet werden und es Unternehmen im Maschinenbau oder in der Automatisierung erleichtern, digitale Services bereitzustellen.

Die datengestützte Verbesserung der eigenen Produkte vom Engineering bis zur Nutzung beschäftigt zudem Bernhard Peischl von AVL. In Graz sieht man Industrieanwendungen als Treiber für die Umsetzung von Data Spaces. Zu den Anwendungen zählen etwa die Vorhersage von Fehlern bei Automobilen mit Hilfe von Nutzungsdaten oder der Einsatz vertrauenswürdiger künstlicher Intelligenz beim Produktdesign.

Österreichs Position rund um Gaia-X und Manufacturing-X

Mit der Durchgängigkeit von Daten beschäftigt sich in Österreich unter anderem der Gaia-X Hub Austria, über den das Event im Rahmen der Technology Talks Austria durchgeführt wurde. Helmut Leopold vom AIT Austrian Institute of Technology leitet dessen Management Board: „Initiativen wie Gaia-X oder Manufacturing-X unterstützen wir nicht nur in Forschungsprojekten mit der Industrie. Wir arbeiten auch aktiv in länderübergreifenden Arbeitsgruppen mit und agieren als Brückenbauer in Österreich und Europa. Damit wollen wir die österreichische Industrie bei der aktiven Teilnahme an den gerade entstehenden Datenökosystemen unterstützen. Es freut uns sehr, dass wir die Technology Talks Austria 2024 dafür nutzen konnten.“

Die digitale Transformation der österreichischen Industrie ist das Ziel der 2015 gegründeten Plattform Industrie 4.0, die das Special Event organisierte. Für deren Geschäftsführer Roland Sommer ist insbesondere die Standardisierung wichtig: „Gerade beim Zukunftsthema Datenaustausch wollen wir Insellösungen vermeiden und auf europäische und globale Kooperation setzen. Über das International Manufacturing-X Council, das auf globaler Ebene Abstimmungsprozesse zur Weiterentwicklung von Manufacturing-X vorantreibt oder Projekte wie SM4RTENANCE und CIRPASS bringen wir die österreichische Perspektive in internationale Leuchtturmprojekte ein.“

Michael Fälbl von der Plattform Industrie 4.0 ergänzt: „Für unsere exportorientierte Industrie mit ihren vielen Hidden Champions sind globale Standards hochrelevant. Es ist nicht nur unser Ziel, Österreichs Betriebe laufend zu relevanten Entwicklungen zu informieren. Wir unterstützen die Industrie auch bei der Anknüpfung an internationale Projekte und Initiativen.“

Für Details und Anknüpfungsmöglichkeiten können sich am Thema interessierte Unternehmen beim Gaia-X Hub Austria oder bei der Plattform Industrie 4.0 melden.


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