Nicola Acutt ist der erste Chief Sustainability Officer (CSO) von NetApp. Im Gespräch mit transform! berichtet sie über die Herausforderungen und Chancen ihrer Rolle – und was ihre Leidenschaft fürs Segeln mit nachhaltiger Unternehmensführung gemeinsam hat. [...]

„Die Arbeit als Chief Sustainability Officer umfasst mehrere zentrale Aspekte. Zunächst geht es darum, die wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren und eine Strategie zu entwickeln, die darauf abgestimmt ist. Diese Strategie muss dann Innovationen vorantreiben, um bestehende Herausforderungen zu bewältigen. Schließlich stellt sich die Frage, wie sich Nachhaltigkeit in die Geschäftsprozesse integrieren lässt, sodass sie zu einem festen Bestandteil der Unternehmensstrategie wird“, umreißt Nicola Acutt ihren vielseitigen Aufgabenbereich. Im Kern bedeute Sustainability nichts anderes als die Fähigkeit zur Beständigkeit. Es gehe also darum, „die langfristige Stabilität des Unternehmens sowie des Systems, in dem es agiert, zu sichern. Innovation spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn ein nachhaltiges Unternehmen kann nur durch kontinuierliche Weiterentwicklung bestehen. Gleichzeitig ist Nachhaltigkeit eine wesentliche Voraussetzung für Innovations- und Widerstandsfähigkeit.“
Acutt weist darauf hin, dass Nachhaltigkeitsstrategien sich nur dann umsetzen lassen, wenn sie alle Unternehmensbereiche einbeziehen. „Ein CSO kann nur erfolgreich sein, wenn er oder sie bereichsübergreifend arbeitet, da Nachhaltigkeit sämtliche Aspekte des Unternehmens berührt. In der Beschaffung geht es beispielsweise um nachhaltige Lieferketten, während in den operativen Abläufen ressourcenschonende Prozesse entscheidend sind.“ Auch die IT spiele eine zentrale Rolle: „Systeme und digitale Lösungen beeinflussen maßgeblich die Effizienz und Transparenz von Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Darüber hinaus sind Engineering und Produktentwicklung gefragt, um nachhaltige Innovationen voranzutreiben, während die Rechtsabteilung sicherstellt, dass alle regulatorischen Anforderungen erfüllt werden.“ Ergo: „Die Position eines CSO ist in dieser Hinsicht einzigartig. Abgesehen vom CEO und CFO gibt es kaum eine andere Rolle, die einen so umfassenden Einblick in das gesamte Unternehmen hat.“
Solide Basis
Obwohl Nicola Acutt erst sieben Monate Teil des NetApp-Teams ist, konnte sie sich in ihre Rolle rasch einfinden. „Meine Ausbildung in Umweltwissenschaften sowie meine Promotion zu den Themen Politik, Wirtschaft und Umwelt haben mir eine solide Grundlage gegeben. Hinzu kommen 14 Jahre Erfahrung bei VMware, wodurch mir die Dynamiken der Branche bereits vertraut sind. Das hat mir geholfen, schnell ein Gesamtbild zu gewinnen und die richtigen Ansprechpersonen zu identifizieren.“
Ihre erste Einschätzung war, dass NetApp bereits eine starke Basis hatte. „Das Unternehmen genießt seit Jahren einen Ruf als verantwortungsvoller Akteur und hat zahlreiche Programme etabliert, etwa zur Rücknahme von Produkten oder zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.
NetApp nimmt seit über zehn Jahren am Carbon Disclosure Project teil – ein klares Zeichen für das langfristige Engagement. Gleichzeitig ist mir schnell bewusst geworden, welche zentrale Rolle NetApp in der Nachhaltigkeitsstrategie seiner Kunden spielen kann. Als Unternehmen, das sich mit Datenmanagement beschäftigt, liegt eine große Chance darin, durch intelligente Dateninfrastrukturen nachhaltige Mehrwerte für Kunden zu schaffen. Genau deshalb sind wir aktuell auf einer Tour durch Europa, um unsere Strategie weiterzuentwickeln. Denn in der Zukunft muss eine nachhaltige Datenstrategie nicht nur intelligent und sicher sein, sondern auch ressourcenschonend und effizient.“
Systemisches und strategisches Denken
Welche Erkenntnisse lassen sich aus Acutts Segelleidenschaft gewinnen? Neben dem Fahrtensegeln nimmt sie auch regelmäßig an Regatten in der San Francisco Bay Area teil. „Eine der wichtigsten Lektionen ist strategisches Denken. Der direkte Weg von A nach B ist nicht immer der schnellste. Man muss die Umweltfaktoren genau analysieren – den Wind, die Strömung, die Wetterbedingungen – und seine Strategie entsprechend anpassen. In einer Umgebung wie der San Francisco Bay kann es sogar passieren, dass man zurücktreibt, wenn man die Strömung nicht berücksichtigt. Übertragen auf die Unternehmensführung bedeutet das: Es ist essentiell, das makroökonomische Umfeld zu verstehen und flexibel auf Veränderungen zu reagieren.“
Ein weiterer wichtiger Aspekt sei Teamarbeit: „Regattasegeln ist ein Mannschaftssport. Der Steuermann mag eine entscheidende Rolle spielen, aber der Erfolg hängt vom gesamten Team ab. Jeder an Bord hat eine klare Aufgabe, und nur wenn alle ihre Rollen präzise ausführen und perfekt zusammenarbeiten, entsteht Harmonie. Genau so funktioniert Nachhaltigkeit in einem Unternehmen: Der Chief Sustainability Officer mag die Strategie lenken, aber nur durch die enge Zusammenarbeit mit allen Abteilungen lassen sich wirkungsvolle Veränderungen umsetzen.“ Und schließlich spiele Resilienz eine entscheidende Rolle. „Beim Segeln ist es unvermeidlich, dass unvorhergesehene Ereignisse eintreten. Entscheidend ist dann, schnell zu reagieren, die Situation neu zu bewerten und als Team einen neuen Kurs zu setzen. Genau diese Anpassungsfähigkeit und Widerstandskraft braucht es auch, um ein Unternehmen nachhaltig zu führen und es auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.“
Das Problem der Dark Data
Angesichts des strak steigenden Energiebedarfs durch KI ist die Rolle des CSO wichtiger denn je. Nicola Acutt: „In naher Zukunft wird es für Unternehmen kaum möglich sein, eine KI-Strategie zu entwickeln, ohne gleichzeitig eine klare Energie-Strategie zu verfolgen. Der steigende Stromverbrauch von KI-Systemen macht dies unumgänglich. Ebenso wichtig ist es, zu verstehen, was hinter dieser Entwicklung steht.“
KI entfalte ihr volles Potenzial durch riesige Datenmengen, die verarbeitet werden müssen, um fundierte Entscheidungen zu ermöglichen – sei es für Geschäftsstrategien oder nachhaltige Entwicklungen. Gleichzeitig stelle genau dieses Datenvolumen eine enorme Herausforderung dar. Einerseits wachse der Energiebedarf exponentiell, andererseits gebe es massive Ineffizienzen in der Datennutzung. „Ein zentrales Problem sind sogenannte Dark Data – Daten, die zwar gespeichert, aber nie wieder genutzt werden. Untersuchungen zeigen, dass je nach Quelle 40 bis 60 Prozent der für KI verarbeiteten Daten nach der ersten Nutzung ungenutzt bleiben. Diese Ineffizienz belastet nicht nur IT-Infrastrukturen, sondern treibt auch den Energieverbrauch unnötig in die Höhe. Für ein Unternehmen wie NetApp, das sich mit intelligenter Dateninfrastruktur beschäftigt, bedeutet das eine klare Aufgabe: Kunden dabei zu unterstützen, ihre Datenströme besser zu verstehen und zu optimieren. Ähnlich wie bei einer Verkehrsinfrastruktur mit Straßen, Brücken und Pipelines ist es essentiell, den Datenfluss effizient zu gestalten. Letztlich muss eine nachhaltige KI-Strategie nicht nur leistungsfähig und innovativ sein, sondern auch ressourcenschonend.“
Nachhaltigkeitstrends
„Eines der wichtigsten Signale, das wir in unseren Gesprächen wahrnehmen, ist, dass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsverpflichtungen konsequent beibehalten – insbesondere in den Ländern, die wir auf dieser Tour durch Europa besucht haben. Viele setzen sogar verstärkt auf Kreislaufwirtschaft, also auf Strategien zur Wiederverwendung und zum Recycling von Materialien. Das betrifft besonders die IT-Infrastruktur, wo die Frage, wie Rohstoffe effizienter genutzt und recycelt werden können, in den nächsten fünf Jahren noch relevanter wird. Daraus ergeben sich auch neue Geschäftsmodelle rund um Refurbishment und Materialrückgewinnung. Zusätzlich beobachten wir eine wachsende Nachfrage nach einheitlichen Standards für die Bewertung der Umweltauswirkungen von IT-Infrastrukturen. Unternehmen wünschen sich klare und konsistente Messmethoden, insbesondere für den Lebenszyklus von Hardware und Software. Industrie, Wissenschaft und Konsortien arbeiten daran, solche Standards zu definieren, aber aktuell gibt es noch keinen einheitlichen Rahmen, beispielsweise zur Berechnung des CO₂-Fußabdrucks über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg. Für NetApp bedeutet das, dass wir nicht nur an technologischen Lösungen arbeiten, sondern uns auch aktiv in die Entwicklung von Standards und Best Practices einbringen. Nur mit verlässlichen Messgrößen und klaren Vorgaben lassen sich nachhaltige Fortschritte erzielen – sowohl für unsere Kunden als auch für die gesamte Branche“, sagt Nicola Acutt abschließend.
Der Artikel erschien in transform! 01/2025.
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