Nachhaltigkeit in der IT: Green IT wird Circular Economy

Die IT will und muss grüner werden. Ein Weg dorthin: Kreislaufwirtschaft. Sie spart Kosten und CO2. [...]

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Foto: ananthukumar/Pixabay

Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit haben für den Großteil der Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen inzwischen einen hohen Stellenwert. Laut der IDC-Studie „Greening of and by IT“ vom Frühjahr 2022 verfolgen schon 38 Prozent der Organisationen in Deutschland einen strategischen Ansatz, um Nachhaltigkeit umfassend in Strategien, Prozessen und Produkten zu verankern.

Weitere 56 Prozent der Befragten wollen auch mehr Nachhaltigkeit, setzen aber noch auf eine selektive Vorgehensweise. Bei beiden Gruppen spielt die IT eine wichtige Rolle, um die Umweltverträglichkeit zu optimieren, und dies in zweifacher Hinsicht:

  • Sie wollen mithilfe von IT „grüner“ werden: Organisationen können IT-Lösungen nutzen, um ihre Wirtschaftstätigkeit umweltfreundlicher zu gestalten. Mit ERP-Funktionen lässt sich etwa die Nachhaltigkeit von Lieferketten ermitteln. Oder Software-Lösungen überprüfen die Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten und der Digitalisierung auf die Umwelt und fassen KPIs im Bereich Nachhaltigkeit in Dashboards zusammen.
  • Sie wollen die Nachhaltigkeit der IT selbst erhöhen: IT-Systeme haben durch ihren Material- und Stromverbrauch, die Nutzungszyklen und die Wiederverwertung von Altsystemen eine spürbare Auswirkung auf die Nachhaltigkeit einer Organisation. Deshalb gehen Anbieter von IT-Systemen dazu über, eine Kreislaufwirtschaft (Circular IT, Circular Economy) einzurichten. Das heißt, Anwender können die Nachhaltigkeit steigern, indem sie ihre IT-Umgebungen optimieren und zusätzlich mithilfe von IT-Lösungen Produktionsprozesse, Services, Lieferketten und die Logistik optimieren.

Zahlen und Fakten zur Nachhaltigkeit von IT-Umgebungen

Strombedarf von Rechenzentren und IT-Umgebungen: 
Bei rund 35 Milliarden kWh/a wird 2035 der Strombedarf von Rechenzentren und kleineren IT-Installationen in Deutschland liegen, wenn sich der Boom in diesem Bereich fortsetzt – doppelt so hoch wie 2022. Dies ist ein Ergebnis der Studie „Rechenzentren in Deutschland“ des Borderstep Instituts und des Digitalverbands Bitkom.

Mit Maß­nahmen, die die Effizienz der IT-Infrastruktur und der Software konsequent optimieren, ließe sich der Studie zufolge der Anstieg bis 2035 auf etwa 23 Milliarden kWh/a begrenzen. Dies ist dringend geboten, auch deshalb, weil der Strombedarf durch Entwicklungen wie die Elektromobilität drastisch steigen wird.

Lebenszyklus von mobilen Rechnern und Smartphones: 
Zwei Drittel der deutschen Unternehmen entsorgen Mobiltelefone, Notebooks und Tablets vorzeitig, obwohl dies eigentlich nicht nötig wäre, etwa aus technischen Gründen. Das belegt eine Studie, die im Frühjahr 2022 im Auftrag von Soti erstellt wurde, einem Anbieter von Lösungen für das Management von mobilen und IoT-Endgeräten.

Rund 41 Prozent der Firmen tauschen Notebooks und Tablets demnach aus, sobald ein neues Modell auf den Markt kommt. Ein Grund, so vorzugehen: Unternehmen wollen die Motivation der Mitarbeiter erhöhen und sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Doch dieses Vorgehen erhöht den Ressourcenbedarf beträchtlich.

Umweltbelastung durch Systemparameter und Anwendungen: 
Laut einer Analyse von 3,5 Millionen PCs und Notebooks durch Nex­think, darunter 1,4 Millionen ältere Systeme, benötigen 34 Prozent der Rechner mehr als fünf Minuten zum Booten. Typische Ursache sind falsche Konfigurationseinstellungen und zu wenig Arbeitsspeicher.

Das kostet unnötig Strom und entspricht rund 450 Tonnen CO₂ pro Jahr. Überflüssige Gaming- und Streaming-Apps auf den Rechnern produzieren zudem 700 Tonnen CO₂ pro Woche. 

Wiederverwertung von Elektro- und Elektroniksystemen: 
Rund 14 Prozent der Elektronik- und Elektrogeräte, die 2019 in der Europäischen Union gesammelt und einer Wiederverwertung zugeführt wurden, entfielen nach Angaben von Eurostat auf die Bereiche IT und Telekommunikation.

Hersteller, Händler und Kommunen sollen 65 Prozent der nicht mehr brauchbaren Elektro- und Elektronik­geräte sammeln. Dieses Ziel legte die EU 2019 fest. Davon sind fast alle EU-Mitgliedsstaaten weit entfernt, auch Deutschland mit einer Sammelquote von rund 45 Prozent.

Dark Data und irrelevante Informationen: 
Zwei Drittel der Daten, die deutsche Unternehmen speichern, sind Dark Data – Informationen, deren geschäftlicher Nutzen nicht ermittelt wurde, die aber dennoch Storage-Ressourcen belegen sowie den Stromverbrauch und den Verschleiß von Servern erhöhen.

Das belegt die Studie „Databerg“ des Datenmanagement-Unternehmens Veritas. Hinzu kommen weitere 19 Prozent redundante und obsolete Daten. Ein intelligentes Datenmanagement kann aus diesem Grund dazu beitragen, den Bestand irrelevanter Daten zu reduzieren und die Umweltverträglichkeit von Storage-Systemen und Rechenzentren zu erhöhen.

Kurs auf Kreislaufwirtschaft

„Im Rahmen unserer Arbeit werden wir täglich Zeuge, mit welcher Geschwindigkeit Unternehmen ihre Einstellung zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz weiterentwickeln“, berichtet Matthias Steybe, Group Sustainability Officer bei CHG-Meridian, einem Anbieter von Technologie-Infrastrukturen. „Wir erleben einen Boom bei nachhaltigen IT-Nutzungsmodellen sowie ein stark wachsendes Interesse an unserer Expertise beim Thema Circular Economy.“

Unternehmen müssen sich Steybe zufolge darüber im Klaren sein, dass IT-Umgebungen während des gesamten Lebenszyklus Auswirkungen auf die Umwelt haben: „Allein die Herstellung und Logistik von IT-Hardware sind für ein Drittel des Ausstoßes an CO2 und anderen Emissionen verantwortlich. All das macht klar, welches Potenzial für den Klimaschutz in einer Kreislaufwirtschaft steckt.“

Von Produktdesign bis Wiederverwertung

Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff Circular Economy eigentlich? Markus Stutz, Director EMEA Product Compliance Engineering & Environmental Affairs bei Dell, definiert dieses Nachhaltigkeitskonzept so: „Kreislaufwirtschaft ist ein systemischer Lösungsansatz, bei dem im Idealfall mehrere Faktoren ineinandergreifen.

Zu diesen Faktoren zählen im Bereich IT die Wiederverwertung von ausrangierten Systemen, die Reduzierung des Abfalls, etwa bei der Verpackung von Komponenten, aber auch ein Produktdesign, das Reparaturen und ein Recycling erleichtert.“

Was der Blick auf Dell auch zeigt: Neu ist das Konzept keineswegs. Dell zum Beispiel hat schon vor rund 20 Jahren ein solches Programm gestartet.

„Wir nutzen recycelte Kunststoffe, Magnete und Aluminiumwerkstoffe sowie Materialien aus anderen Branchen, um nachhaltige Produkte herzustellen, etwa Kohlefaser aus der Flugzeugindustrie“, so Stutz.

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Beispiel Dell: Ein wichtiges Element einer Circular IT ist das Recycling von IT-Systemen und der darin verbauten Komponenten.
(Quelle: Dell Technologies)

In jüngster Zeit aber hat der Zug in Richtung Circular Economy so richtig Fahrt aufgenommen. Auf vergleichbare Modelle setzt mittlerweile ein Großteil der Hersteller von IT- und TK-Ausrüstung, darunter Cisco, HP, Lenovo, Fujitsu, Samsung und Apple.

Ein Teil von ihnen, inklusive Software-Anbietern wie Microsoft, hat sich in der Vereinigung Circular Electronics Partnership (CEP) zusammengeschlossen. Sie will bis 2030 eine Kreislaufwirtschaft im IT-, Elektro- und Elektronikbereich aufbauen, Geschäftsmodelle, nachhaltige Lieferketten und eine umfassende Wiederverwertung von Materialien und Systemen eingeschlossen.

Ein Einstiegspunkt in die Circular IT besteht darin, gebrauchte IT-Systeme zu erwerben oder vorhandene Komponenten über den steuerlichen Abschreibungszeitraum hinaus zu nutzen. „Bei Servern beträgt die Abschreibungsdauer drei bis sieben Jahre, bei User-Hardware mittlerweile sogar nur noch ein Jahr“, erklärt Gaston Pukies, Technical Project Manager für R&D-Projekte bei Capgemini Engineering. „Aus unserer Sicht besteht keine Notwendigkeit, Hardware so oft auszutauschen.“

Um welche Dimensionen es geht, lässt sich am Beispiel des IT-Remarketing-Spezialisten AfB social & green IT ablesen. Der konnte rund 59 Prozent von 450.000 gebrauchten Rechnern, Smartphones und Peripheriegeräten, die er 2021 wiederaufbereitet hat, einer neuen Verwendung zuführen.

Wenn ein Notebook 7,5 statt 4,5 Jahre im Einsatz ist, entspricht das schon einer Einsparung von rund 114 Kilogramm CO2. Insgesamt ließen sich durch die Zweitnutzung der 450.000 Systeme 33.900 Tonnen CO2 und 130.300 MWh Primärenergie einsparen, die bei der Herstellung neuer Notebooks und Smartphones angefallen wären.

„Nur 2 Prozent dieser [älteren] Rechner müssten tatsächlich ersetzt werden.“

Holger Doernemann – Solution Consulting Director Central EMEA bei Nexthink

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