Die IT will und muss grüner werden. Ein Weg dorthin: Kreislaufwirtschaft. Sie spart Kosten und CO2. [...]
Kleine Maßnahmen – große Wirkung
Dass Rechner nicht zwangsläufig alle drei Jahre oder bei Markteinführung eines Nachfolgemodells ersetzt werden müssen, belegt auch die Analyse von 3,5 Millionen Rechnern, die das Software-Haus Nexthink in anonymisierter Form durchführte. Das Unternehmen stellt eine Digital-Employee-Experience-Plattform bereit (DEX).
Damit können Anwender digitale Arbeitsplätze optimieren, etwa unter den Aspekten Nutzererfahrung und Nachhaltigkeit. Die Untersuchung ergab, dass bei einem Drittel der Systeme der Startvorgang mehr als fünf Minuten dauert. Dies summiert sich im Lauf eines Arbeitsjahrs auf 20.000 Stunden, in denen die Systeme unnötig Strom verbrauchen.
„Bei unserer Analyse waren 1,38 Millionen ältere Geräte dabei, die turnusmäßig ausgetauscht würden. Aber nur etwa 2 Prozent dieser Rechner müssten tatsächlich ersetzt werden“, betont Holger Doernemann, Solution Consulting Director, Central EMEA bei Nexthink. So könnten Nutzer die Boot-Zeiten deutlich reduzieren, wenn sie diese Systeme mit mehr RAM ausstatten, die Konfiguration optimieren und unnötige Apps und Plug-ins entfernen.
Auch die Nutzungsdauer von Servern und Storage-Systemen lässt sich ausdehnen, etwa durch einen modularen Aufbau. Der Storage-Spezialist Pure Storage hat mit „Evergreen“ eine solche Architektur für seine Flash-Speichersysteme entwickelt.
„Dank dieses Ansatzes lassen sich Storage-Arrays ohne Unterbrechung des laufenden Betriebs aufrüsten. Das heißt, die Systeme veralten nicht im selben Maß wie herkömmliche Storage-Plattformen und müssen nicht in großem Maßstab ausgetauscht werden“, erläutert Begoña Jara, Regional Vice President Germany & Austria bei Pure Storage. Dies ist laut Jara ein Grund dafür, dass 97 Prozent der Pure-Storage-Arrays auch nach sechs Jahren Nutzungszeit noch im Einsatz sind.
Um den Aufwand für die Nutzer möglichst gering zu halten, sollten die Hersteller und Systemlieferanten im Rahmen eines Circular-IT-Ansatzes ergänzende Dienste anbieten. Dazu zählen das Abholen, Wiederaufbereiten und Entsorgen von IT-Ausrüstung. Das schließt ein fachgerechtes, rechtskonformes Löschen von Daten auf diesen Systemen mit ein.
„Vor diesem Hintergrund kann es nötig sein, neue Wege zu gehen, etwa indem ein Unternehmen innovativen, nachhaltigen Lieferanten eine Chance gibt, auch wenn deren Umsatz noch gering ist und sie neu auf dem Markt sind“, betont Gaston Pukies von Capgemini.
„Wir bieten (…) bereits mehrere nutzungsbasierte Modelle für den Einsatz von IT-Lösungen, inklusive des Rückkaufs“
Markus Stutz – Director – EMEA Product Compliance Engineering & Environmental Affairs bei Dell Technologies
Hardware As a Service
Eng verknüpft mit einer Kreislaufwirtschaft im IT-Bereich ist ein weiterer Ansatz: Hersteller von IT-Lösungen gehen dazu über, ihren Kunden nutzungsorientierte Bereitstellungsmodelle anzubieten, die sich am tatsächlichen Bedarf orientieren, ähnlich wie bei Cloud-Computing.
Nur erhalten User in solchen Fällen Server, Storage-Systeme, Netzwerkkomponenten und Endgeräte „as a Service“. Ein Bestandteil solcher Angebote ist die Garantie, dass der Hersteller die Systeme nach Ende der Vertragslaufzeit zurücknimmt, nach einem „Refurbishing“ als Gebraucht-IT wieder auf den Markt bringt oder sie fachgerecht entsorgt.
„Wir bieten mit Dell Apex, PC as a Service und Flex on Demand bereits mehrere nutzungsbasierte Modelle für den Einsatz von IT-Lösungen inklusive des Rückkaufs“, erläutert Dell-Manager Markus Stutz. Ein weiterer Baustein sind Leasing-Optionen und Dienste, die die Auslastung von IT-Komponenten optimieren. Konkurrenten von Dell wie HPE bieten vergleichbare Services an.
Zudem können Unternehmen über Dienstleister wie Devicenow und CHG-Meridian „Device as a Service“-Angebote nutzen. Dabei erwerben die Nutzer die Systeme nicht, sondern abonnieren digitale Arbeitsplätze inklusive Hard- und Software.
Ein Vorteil von nutzungsorientierten IT-Infrastrukturdiensten ist, dass Unternehmen damit Überkapazitäten vermeiden können, etwa zu große Server- und Storage-Systeme. Auch dies trägt dazu bei, den Umweltabdruck einer Organisation zu verkleinern. Außerdem reduziert ein solches Modell unter Umständen die Kosten: Der User zahlt nur für die Systeme, die tatsächlich im Einsatz sind.
Maßnahmen für eine nachhaltigere IT
Um die Nachhaltigkeit der IT-Umgebung zu erhöhen, kommen nach Einschätzung von Experten mehrere Faktoren in Betracht. Gaston Pukies, Technical Project Manager für R&D-Projekte bei Capgemini Engineering, stuft vier Maßnahmen als besonders wichtig ein:
- Einen hohen Grad an Virtualisierung und Containerisierung erreichen: Dadurch lässt sich Hardware optimal auslasten, ohne viele Ressourcen zu binden.„Workloads mit stark wechselnden Anforderungen lassen sich außerdem am effizientesten in einer Public Cloud betreiben“, so Pukies.
- Eine längere Nutzungsdauer der Hardware ermöglichen: Bei der Beschaffung sollten Anwender beispielsweise auf Zertifizierungen achten oder auf nachhaltige Leasing-Modelle setzen, bei denen der Leasing-Partner die ausgemusterten Systeme wiederaufbereitet. Außerdem sollten Unternehmen ihre Vorbehalte gegenüber gebrauchten IT-Systemen ablegen und solche „Refurbished“- Systeme auch in der Praxis nutzen.
- Mit Data-Center- und Hosting-Partnern zusammenarbeiten, die Rechenzentren besonders ressourcenschonend und nachhaltig betreiben: So gehen Service-Provider dazu über, die Abwärme von IT-Systemen zu nutzen, clevere Kühlkonzepte einzusetzen sowie auf Wind- oder Solarenergie aus eigener Produktion zurückzugreifen.
- Ein Green Programming beziehungsweise Green Coding einführen: „Das heißt, effizient, performant und schlank programmieren sowie IT-Umgebungen konsequent auf einen Zweck fokussieren“, erläutert der Capgemini-Fachmann.
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