Nachhaltigkeit in der IT: Green IT wird Circular Economy

Die IT will und muss grüner werden. Ein Weg dorthin: Kreislaufwirtschaft. Sie spart Kosten und CO2. [...]

„Mitarbeiter erwarten vom Arbeitgeber Nachhaltigkeit“

Das Interesse an gebrauchten IT-Systemen nimmt zu. Das gilt für Server und Storage-Systeme, aber auch für Mobilgeräte und Arbeitsplatzrechner. Beschäftigte sind heute eher bereit, ein „Refurbished“-System zu verwenden, erläutert Andreas Mayer, CEO des Circular-IT-Spezialisten Flex IT.

Die Voraussetzung ist, dass ihr Arbeitgeber auf diese Weise eine umweltfreundliche, nachhaltige Geschäftsstrategie umsetzen will.

com! professional: Herr Mayer, wie schätzt Flex IT die Bereitschaft deutscher Unternehmen ein, IT-Systeme über den steuerlichen Abschreibungszeitraum hinaus einzusetzen oder „Refur­bished“-Systeme zu verwenden?

Andreas Mayer: Wir verzeichnen eine wachsende Nachfrage nach solchen Systemen. Das ist einerseits auf den gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit zurückzuführen. Zum anderen sehen wir aber auch ein zunehmendes Verständnis dafür, dass eine Circular IT Bestandteil einer Gesamt­lösung sein kann.

Die stellt sicher, dass Mitarbeiter die richtige Technologie erhalten, um ihre Aufgaben effizient zu bewältigen. Ich behaupte aber nicht, dass es heute für alle Unternehmen der richtige Weg ist, zu 100 Prozent auf Circular IT zu setzen. Vielmehr ist dieser Ansatz Teil einer umfassenden Strategie.

com! professional: Häufig ist zu hören, dass wegen der steigenden technischen Anforderungen an IT-Systeme sowie wegen der Erwartungshaltung von Mitarbeitern solche Ansätze nur bedingt funktionieren.

Mayer: Hier sehen wir den beschrie­benen Sinneswandel. Und der  wird sich weiter verstärken, weil Mitarbeiter von ihrem Arbeitgeber vermehrt einen ganzheitlichen und nachhaltigen Ansatz fordern. Wir sehen beispielsweise, dass es in der jüngeren Generation plötzlich cool ist, wenn man ein gebrauchtes Smartphone statt eines neuen verwendet.

Gleichzeitig sind viele Unternehmen stark auf cloudbasierte Anwendungen fokussiert. Da ist vor allem eine stabile Internetanbindung notwendig. Die Leistungsfähigkeit des Endgeräts spielt dagegen eine weniger wichtige Rolle.

„Wir verzeichnen ein großes Interesse an gebrauchten Systemen im Server-, Storage- und Networking-Bereich.“

Andreas Mayer – CEO Flex IT

com! professional: Circular IT wird häufig mit Endgeräten wie Notebooks und Tablets in Verbindung gebracht. Besteht auch Interesse bei Unternehmen an wiederaufbereiteten Servern oder Storage-Systemen, Stichwort Refurbi­shing?

Mayer: In der Tat verzeichnen wir ein großes Interesse auch an gebrauchten Systemen im Server-, Storage- und Networking-Bereich. Neben der Nachhaltigkeit sind hier weitere Aspekte zu beachten. So wollen manche Kunden ihre bestehende IT-Infrastruktur homogen halten und beschaffen deshalb die gleichen Systeme, auch wenn die bereits etwas älter sind.

Andere sehen den Kostenvorteil. Auch hier geht es insgesamt darum, dem Kunden die Technologie zur Verfügung zu stellen, die es ihm erlaubt, seine Aufgaben effizient zu erfüllen und zugleich einen Beitrag zur Schonung der Ressourcen zu leisten.

com! professional: Welche Rolle spielen EU-Regelungen und Pläne wie der European Green Deal?

Mayer: Neben der gesellschaftlichen Entwicklung hilft es natürlich, dass ein formaler Druck entsteht, nachhaltig mit Ressourcen umzugehen. Er zwingt Unternehmen, dieses Thema aufzunehmen und über die klassischen Themen wie die Einführung von Elektrofahrzeugen als Dienstwagen hinauszugehen.

com! professional: Wie schätzt Flex IT die mittelfristige Entwicklung von Circular IT ein? Werden Faktoren wie die Lieferkettenprobleme durch die Corona-Pandemie dazu beitragen, dass dieser Ansatz an Bedeutung gewinnt?

Mayer: Sicherlich haben die Pandemie und die Lieferkettenprobleme zu einem außergewöhnlich positiven Effekt bei Circular-IT-Ansätzen geführt. Dieser war jedoch im wahrsten Sinn des Wortes nicht nachhaltig. Einige Kunden haben unsere Systeme vor allem wegen der mangelnden Verfügbarkeit neuer Rechner oder Server erworben, nicht wegen der Nachhaltigkeit.

Wichtiger als der kurzfristige Boom ist der langfristige Trend, der eine stete Zunahme zeigt und von dem wir sicherlich noch einige Zeit profitieren werden. Und jene Kunden, die zum ersten Mal gebrauchte IT-Systeme gekauft haben, konnten damit positive Erfahrungen sammeln. Wir haben nun die Gelegenheit, ihnen dieses Thema auch unter dem Aspekt Nachhaltigkeit näherzubringen.

Hürden für die Circular IT

Ob ein Circular-IT-Ansatz den gewünschten Nutzen bringt, hängt nicht nur von der Technik und von Bereitstellungsmodellen an. Auch der Faktor Mensch ist sehr wichtig, unterstreicht Matthias Steybe von CHG-Meridian: „Die erfolgreiche Einführung einer Circular IT beginnt bei einem gemeinsamen Umdenken von Management und Mitarbeitern, das Flexibilität und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt der IT-Strategie rückt.“

Denn der Bedarf an IT-Lösungen in den nächsten drei bis fünf Jahren werde angesichts der dynamischen Entwicklung und der zahlreichen Disrup­tionen in allen Branchen kontinuierlich zunehmen. Deshalb plädiert CHG-Meridian für Nutzen-statt-besitzen-Konzepte. Das allerdings bedeutet eine Abkehr von herkömmlichen Beschaffungs- und Nutzungsmodellen, wozu nicht jedes Unternehmen bereit oder fähig ist.

Green-IT-Initiativen heute und in Zukunft
(Quelle: IDC)

Eine weitere Herausforderung beim Aufbau einer Circular IT und einer Nachhaltigkeitsstrategie für IT-Umgebungen ist der Mangel an validen Informationen. „Nach unserer Erfahrung ist das Interesse in den Unternehmen groß, ihre IT-Umgebung nachhaltig zu gestalten“, erläutert Holger Doernemann von Nexthink.

„Häufig fehlt es jedoch an Werkzeugen, um die Auswirkungen digitaler Arbeitsplätze auf die Umwelt zu messen und den Effekt von Klimaschutzmaßnahmen zu verifizieren.“

Auch das Beratungsunternehmen Capgemini warnt davor, die Hürden bei der Einführung von Nachhaltigkeitsmodellen und einer Circular IT zu unterschätzen: „Unternehmen stehen oft vor der Herausforderung, effektive Maßnahmen zu identifizieren, sie zielgerichtet umzusetzen und dabei aus kaufmännischer Sicht im grünen Bereich zu bleiben“, unterstreicht Gaston Pukies.

Daher sei es wichtig, zuerst den Status quo zu ermitteln und zu analysieren, wo Handlungsbedarf bestehe.

Diese Analyse sollte nicht nur die IT einbeziehen, sondern weitere Bereiche, etwa die Nachhaltigkeit der Produkte und Services, die ein Unternehmen anbietet, sowie die Lieferketten. Um das zu erreichen, kommen Tools für das Lifecycle Assessment und Produktdesign in Betracht.

Mit Blockchain-Lösungen für Lieferketten können Nutzer laut Gaston Pukies etwa die CO2-Emissionen eines Produkts über die gesamte Supply Chain hinweg transparent machen.

Auf einen weiteren Aspekt weist Maggie Slowik hin, Global Industry Director für die Fertigungsindustrie bei IFS, einem Anbieter von Unternehmens-Software – die Rolle von ERP in Verbindung mit weiteren Software-Lösungen: „Um eine tragfähige Circular-Economy-Strategie aufzubauen, benötigt ein Unternehmen zusätzlich ein Enterprise Asset Management sowie ein Enterprise und Field Service Management.“

Dies ist ihrer Einschätzung nach die Vo­raussetzung, um komplexe Prozesse wie das Reparieren, Wiederaufbereiten und erneute Einspeisen von Produkten und Materialien in den Nutzungskreislauf zu implementieren. IFS und Mitbewerber wie SAP setzen auf Cloud-Plattformen, um solche Lösungen bereitzustellen.

Apropos Cloud: Die IDC-Studie „Greening of and by IT“ hat ergeben, dass bereits 37 Prozent der deutschen Unternehmen auf Public- oder Hybrid-Cloud-Dienste zurückgreifen, um ihre Nachhaltigkeit zu verbessern. Weitere 32 Prozent wollen das in den kommenden zwölf bis 24 Monaten tun. Als Begründung führen die Nutzer an, dass Cloud-Service-Provider ihre Rechenzentren energieeffizienter und nachhaltiger betreiben können als sie selbst.


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