Nachhaltigkeit ist in den Unternehmen Chefsache

CRIF Austria-Studie: Bei zwei Drittel der befragten Unternehmen ist Nachhaltigkeit direkt in der Geschäftsleitung oder Vorstandsebene angesiedelt. [...]

Stephan Mayer-Heinisch (Handelsverband), Ruth Moss (CRIF Austria), Robert Sobotka (Telemark Marketing) und Paul Leitenmüller (Leadersnet) (c) Leadersnet
Stephan Mayer-Heinisch (Handelsverband), Ruth Moss (CRIF Austria), Robert Sobotka (Telemark Marketing) und Paul Leitenmüller (Leadersnet) (c) Leadersnet

Nachhaltigkeit wird in Österreichs Unternehmen zunehmend zur Chefsache. Dies zeigt die aktuelle Nachhaltigkeitsstudie 2024, durchgeführt von CRIF Austria in Zusammenarbeit mit FHWien der WKW, dem Handelsverband, Leadersnet und Telemark Marketing. Die umfassende Studie, die auf einer Befragung von über 450 Unternehmen basiert, beleuchtet den Status quo und die Herausforderungen der österreichischen Wirtschaft in Sachen Nachhaltigkeit und zeigt auf, wie ernst Unternehmen das Thema nehmen.

Nachhaltigkeit auf höchster Ebene

Zwei Drittel (66 Prozent) der befragten Unternehmen haben Nachhaltigkeit direkt in der Geschäftsleitung oder auf Vorstandsebene verankert. Diese Tatsache unterstreicht, dass das Thema nicht nur operativ, sondern strategisch auf höchster Ebene diskutiert und gesteuert wird. Es zeigt sich, dass Nachhaltigkeit tiefgreifende Veränderungen im Unternehmen erfordert, die durch Entscheidungsträger und Führungspersonen initiiert und getragen werden müssen.

Die Teilnahme von über 200 Geschäftsführern und Vorständen an der Studie belegt die Relevanz, die dem Thema in den Unternehmensspitzen beigemessen wird. Für viele Unternehmen ist die Einbindung von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie nicht nur eine Reaktion auf regulatorische Anforderungen, sondern eine bewusste Entscheidung, die Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig und strategisch relevant das Thema für die österreichische Wirtschaft geworden ist. Nachhaltigkeit ist längst kein Randthema mehr, sondern ein zentraler Bestandteil der Unternehmensführung.

„Nachhaltigkeit ist Chefsache und das ist gut so, denn nur so kann eine tiefgreifende und effektive Transformation im Unternehmen stattfinden. Für das Gelingen in der Umsetzung ist entscheidend, dass alle Mitarbeiter diese Veränderung mittragen, was einen neuen Managementstil und Leadership Ansatz bedingt“, erklärt Ruth Moss, Psychologin und Head of Sustainability von CRIF Austria.

Wissensstand über Nachhaltigkeit

Der Wissensstand zum Thema Nachhaltigkeit variiert stark in den Unternehmen und im Vergleich zur Branche. Während 72 Prozent der Befragten angeben, dass sie persönlich sehr gut und gut über Nachhaltigkeitsthemen informiert sind, schätzen sie das Wissen im eigenen Unternehmen gesamt schlechter ein (nur 57 Prozent mit Schulnote 1 und 2). Nur halb so gut wie sich selbst beurteilen sie mit nur 35 Prozent sehr gut und gut den Wissensstand in ihrer Branche.

Mit diesem Wissenstand stellt sich die Frage, wie lange sich die Unternehmen bereits mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen: 58 Prozent der Unternehmen geben an, sich bereits seit mindestens fünf Jahren mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen (22 Prozent seit mehr als 10 Jahre), während etwa 28 Prozent erst vor Kurzem (weniger als 5 Jahre) damit begonnen haben. 14 Prozent der Befragten werden erst damit beginnen, das den Schluss zulässt, dass erst mit in Krafttreten der gesetzlichen Verpflichtungen Nachhaltigkeit für ihr Unternehmen relevant wird. Es zeigt sich ein klarer Bedarf an strukturierter Weiterbildung und fundierter Beratung, um Unternehmen die nötigen Kenntnisse zu vermitteln und sie bei der Umsetzung nachhaltiger Praktiken zu unterstützen.

„Nachhaltigkeit kann nur gelingen, wenn dies von einer breiten Öffentlichkeit getragen wird. Dazu bedarf es richtiger Kommunikation und dem fundierten Wissen, wie nachhaltiges Wirtschaften funktionier“, ist Michael Heritsch, CEO FHWien der WKW überzeugt.

Nachhaltigkeit als Chance mit Herausforderungen in der Umsetzung

Drei Viertel (76 Prozent) der Unternehmen sehen in der Nachhaltigkeit eine Chance für ihre zukünftige Entwicklung. Diese positive Wahrnehmung ist ein starkes Signal dafür, dass Nachhaltigkeit mehr ist als nur die Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen.

„Nachhaltiges Wirtschaften wird zunehmend als strategische Chance für Innovation, Zukunftssicherheit und langfristigen Erfolg gesehen. Durch diese positive Überzeugung bekommt Nachhaltigkeit die notwendige Energie, die uns ins nachhaltige JETZT Tun bringt“, so Ruth Moss.

Dem widersprechen jedoch ein Drittel der Befragten (34 Prozent), die die Nachhaltigkeitspflicht für Unternehmen als unnötigen Aufwand sehen, wie auch die Tatsache, dass 42 Prozent der Befragten Nachhaltigkeit als Risiko für ihr Unternehmen einschätzen.

Diese Wahrnehmung ist eng mit den Herausforderungen in der Umsetzung verknüpft, denen sich viele Unternehmen gegenübersehen. Die vier größten Herausforderungen sehen 37 Prozent in der Orientierung, was gesetzlich verpflichtend ist, 29 Prozent der Befragten in der Integration von Nachhaltigkeit in ihr Geschäftsmodell, wie auch die Feststellung der gesamtheitlichen Nachhaltigkeits-Performance und das Sammeln von Informationen, um den Status Quo zu erheben (beides 28 Prozent).

Diese Faktoren tragen dazu bei, dass Nachhaltigkeit für viele Unternehmen auch mit Unsicherheiten und Risiken verbunden ist. Es mangelt an klaren Umsetzungsstrategien, die Unternehmen helfen, nachhaltige Maßnahmen effektiv umzusetzen.

„Es zeigt sich, dass es nicht nur um die Überzeugung und Bereitschaft geht, nachhaltig erfolgreich zu handeln, sondern auch um das Wissen und die Ressourcen, um dies erfolgreich zu tun“, schlussfolgert Robert Sobotka, Studienleiter und GF des Meinungsforschungsinstitut Telemark Marketing.

Fokus auf ökologische Maßnahmen in der Umsetzung

Ein wichtiger Befund der Studie ist, dass sich die meisten Unternehmen bereits intensiv mit ökologischen Maßnahmen beschäftigen. 26 Prozent der der Maßnahmen betreffen Energieeffizienz, Ressourcenschonung oder Reduktion von Emissionen, gefolgt von 18 Prozent Abfallmanagement und Recycling. Vergleichsweise gering ist der Fokus auf soziale Nachhaltigkeit. Nur vier Prozent sind gezielte soziale Maßnahmen, wie faire Arbeitsbedingungen oder gesellschaftliches Engagement. Unternehmen müssen nicht nur ökologische, sondern auch soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit in den Fokus nehmen, um langfristig erfolgreich zu sein. Eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie, die alle Dimensionen E, S und G berücksichtigt, ist unerlässlich.

„Nachhaltigkeit darf nicht nur als Umweltthema verstanden werden, sondern muss auch soziale Gerechtigkeit, faire Arbeitsbedingungen und gesellschaftliche Verantwortung umfassen. Hier besteht erheblicher Aufklärungsbedarf, um das Verständnis für eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie, die alle ESG-Kriterien berücksichtigt, zu fördern“, plädiert Heidrun Kopp, Leiterin Weiterbildungsprogramme ESG & Sustainable Finance, FHWien der WKW.

Wissen über Verpflichtungen und Reportingpflicht

Die Orientierung, was gesetzlich verpflichtend ist und somit die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben stellt für 37 Prozent der befragten Unternehmen die größte Herausforderung dar. Im Handel sehen es sogar 50 Prozent der befragten Händler als herausfordernd in der Umsetzung.

„Das Korsett an nationalen und EU-Regulierungen wird immer enger. Bereits die Hälfte der Händler sieht in der Orientierung darüber, was gesetzlich verpflichtend ist, die größte Herausforderung bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit. Daher braucht es seitens der Politik eine Vereinfachung des Bürokratiedschungels, um insbesondere kleine und mittelständische Betriebe zu unterstützen“, fordert Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbandes.

Der Green Deal ist die bekannteste Zielvorgabe und Verpflichtung, die 87 Prozent der Befragten kennen. Platz 2 der bekanntesten Verpflichtungen nimmt das EU-Anti-Greenwashing Gesetz ein (69 Prozent Bekanntheit) und knapp dahinter die Sustainability Development Goals (SDGs) mit 68 Prozent. Die Verpflichtungen CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive), EU-Taxonomie und ESRS (European Sustainability Reporting Standards) liegen mit rund 60 Prozent der Bekanntheit bei den Befragten gleich auf.

Hinsichtlich der Reportingpflicht gaben 53 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie derzeit in keine gesetzlichen Verpflichtungen fallen. Für die 47 Prozent der verpflichtenden Unternehmen sind die 3 wichtigsten Verpflichtungen, die CSRD (61 Prozent), ESRS (59 Prozent) und EU-Taxonomie (56 Prozent).

„Die Nachhaltigkeits-Fitness Österreichs Wirtschaft ist Chefsache! Noch! Wenn wir einen nachhaltigen Lebensstil ernst nehmen wollen, so bedarf es einer breiten Unterstützung in der Bevölkerung. Gelebte Nachhaltigkeit bedeutet Veränderung und das Verlassen von gewohnten Wegen. Um den Sinn von einem nachhaltigen Lebensstil zu erkennen und neue Visionen zu akzeptieren bedarf es Informationen und partnerschaftliche Netzwerke“, fasst Paul Leitenmüller, CEO Leadersnet, zusammen.


Mehr Artikel

News

Bad Bots werden immer menschenähnlicher

Bei Bad Bots handelt es sich um automatisierte Softwareprogramme, die für die Durchführung von Online-Aktivitäten im großen Maßstab entwickelt werden. Bad Bots sind für entsprechend schädliche Online-Aktivitäten konzipiert und können gegen viele verschiedene Ziele eingesetzt werden, darunter Websites, Server, APIs und andere Endpunkte. […]

Frauen berichten vielfach, dass ihre Schmerzen manchmal jahrelang nicht ernst genommen oder belächelt wurden. Künftig sollen Schmerzen gendersensibel in 3D visualisiert werden (c) mit KI generiert/DALL-E
News

Schmerzforschung und Gendermedizin

Im Projekt „Embodied Perceptions“ unter Leitung des AIT Center for Technology Experience wird das Thema Schmerzen ganzheitlich und gendersensibel betrachtet: Das Projektteam forscht zu Möglichkeiten, subjektives Schmerzempfinden über 3D-Avatare zu visualisieren. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*