Die EU-Kommission hat Vorwürfe in Sachen Aufweichung der Netzneutralität zurückgewiesen. Zu Berichten, wonach die Brüsseler Behörde die Bevorzugung von Inhalten im Internet erlauben wolle und diese Regelung gegen die Netzneutralität verstoßen würde, sagte ein Sprecher von der für die Digitale Agenda zuständigen EU-Kommissarin Neelie Kroes, dass es sich um "veraltete Dokumente" handle, die außerdem aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Der Schlussbericht werde am 10. September vorliegen. [...]
Es sei nicht wahr, zu behaupten, dass Kroes versuche, ihr Versprechen zur Netzneutralität zu brechen. „Das Gegenteil ist wahr“, so der Sprecher. Jedenfalls gebe es heute keine Netzneutralität. Die Debatte scheine aber bei der Annahme stehen zu bleiben, dass eine solche existiere. Dem sei nicht so, „sicher nicht in Deutschland oder Österreich“, so der Sprecher. Lediglich in einigen wenigen Staaten wie den Niederlanden oder Slowenien gebe es nationale Gesetze dafür, um eine Drosselung oder Blockierung zu beenden.
Zuletzt hatte das deutsche „Handelsblatt“ berichtet, dass die Kommission Telekommunikationsfirmen erlauben wolle, einzelne Inhalte im Internet gegen Bezahlung schneller oder in besserer Qualität zu transportieren. „Inhalteanbieter und Telekommunikationsprovider sind frei, miteinander Vereinbarungen zum Umgang mit Volumentarifen der Kunden und der Übertragung von Daten unterschiedlicher Qualitätsklassen zu schließen“, zitierte das Blatt aus einem entsprechenden Papier. Das widerspräche jedoch der Gleichbehandlung aller Internetinhalte, die Verfechter der Netzneutralität befürworten.
„DROSSELKOM“ ALS KATALYSATOR
Die Diskussion um Netzneutralität war zuletzt aufgeflammt, als die Deutsche Telekom ankündigte, in Zukunft die Übertragungsgeschwindigkeit ihrer Internetanschlüsse drosseln zu wollen, wenn Nutzer zu viele Daten aus dem Internet laden. Davon nicht betroffen sein soll aber beispielsweise das Angebot der Deutsche Telekom für Fernsehen übers Internet, das in jedem Fall ungedrosselt bleiben soll.
Ende Juni hatten der SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer und die CDU-Europamandatarin Sabine Verheyen auf die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität gedrängt. Dies sei die Voraussetzung für das Wachsen des digitalen Binnenmarkts. Das Internet müsse frei, offen und neutral sein. „Das, was wir bisher an internen Vorschlägen gesehen haben, reicht uns in Bezug auf die Gewährleistung der Netzneutralität nicht aus“, sagte auch der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler dem „Handelsblatt“ vom gestrigen Mittwoch. Ihm komme es darauf an, das Internet auch für die Zukunft mit einer gleichberechtigten Datenübermittlung zu gewährleisten.
WEIDENHOLZER ERNEUERT FORDERUNG
SPÖ-Europaabgeordneter Weidenholzer erneuerte heute zudem seine Forderung. „Der Vorschlag ist sehr enttäuschend, da er eben die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität nicht beinhaltet. Die Kommission muss das korrigieren und bis September einen Vorschlag mit einer klaren, gesetzlichen Absicherung der Netzneutralität und Diskriminierungsfreiheit vorlegen“, fordert Weidenholzer am Donnerstag gegenüber dem SPÖ-Pressedienst. Eine Verpflichtung zu mehr Transparenz sei zwar begrüßenswert, reiche aber nicht aus, um auch in Zukunft den Charakter des Internets als freies und offenes Medium zu bewahren.
„Was wir brauchen, ist ein klares gesetzliches Gebot, das Netzbetreiber verpflichtet, Datenpakete im Internet ohne Rücksicht auf ihren Inhalt, ihre Herkunft oder die Art des Dienstes gleich zu behandeln“, erklärt der EU-Abgeordnete. Nur so blieben Marktzugangsbarrieren niedrig und der „Innovationsmotor Internet“ erhalten, da neue Dienste ohne große Hürden angeboten und von Nutzern gefunden werden könnten, sagt Josef Weidenholzer, Mitglied im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments.
„Die vergangenen Jahre haben überdeutlich gezeigt, dass pures Marktvertrauen nicht ausreicht und dass Fehlentwicklungen nur sehr schwer korrigiert werden können. Netzanbieter haben nicht das Recht, darüber zu entscheiden, welche Daten bei ihren Kundinnen und Kunden ankommen und welche nicht. Es ist nicht ihre Aufgabe zu werten, bestimmte Dienste zu priorisieren, zu verlangsamen oder sogar zu blocken. Hier muss die Kommission ein klares Verbot vorlegen“, fordert Weidenholzer.
Weidenholzer erinnert daran, dass das Europäische Parlament schon mehrmals die Verankerung von Netzneutralität beschlossen hat, zuletzt bei der vergangenen Plenartagung in Straßburg in einem Initiativbericht zu „Connected TV“. Die Kommission habe diese Aufforderung nun endlich zu erfüllen, schließlich habe die Kommissarin die Verankerung der Netzneutralität schon oft genug angekündigt, betont der SPÖ-EU-Abgeordnete. (apa/rnf)
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