Neue Sicherheitslücke erlaubt Überwachung besuchter Websites und angesehener Videos

Online-Aktivitäten lassen sich allein durch Latenzschwankungen der Internetverbindung detailliert ausspähen, haben Forschende der TU Graz entdeckt. Der Angriff funktioniert ohne Schadcode oder Zugriff auf den Datenverkehr. [...]

Internetnutzer:innen hinterlassen viele Spuren auf Websites und bei Online-Diensten. Dagegen gibt es Maßnahmen wie Firewalls, VPN-Verbindungen oder Browser-Privatmodi, um ein gewisses Maß an Datenschutz zu gewährleisten. Eine neu entdeckte Sicherheitslücke macht es möglich, sämtliche dieser Schutzmaßnahmen zu umgehen: Informatiker vom Institut für Angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie (IAIK) der TU Graz konnten die Online-Aktivitäten von User:innen allein durch Geschwindigkeitsschwankungen ihrer Internetverbindung im Detail mitverfolgen. Zum Ausnutzen dieser „SnailLoad“ genannten Sicherheitslücke ist kein Schadcode notwendig, und auch der Datenverkehr muss dazu nicht abgefangen werden. Betroffen sind sämtliche Arten von Endgeräten und Internetverbindungen.

Angreifende verfolgen Latenzschwankungen der Internetverbindung über Dateitransfer

Das Opfer muss lediglich ein einziges Mal direkten Kontakt zum Angreifenden haben – etwa beim Besuch einer Website oder beim Schauen eines Werbevideos – und lädt dabei unbemerkt eine im Grunde harmlose Datei herunter. Weil diese Datei keinerlei Schadcode enthält, wird sie von Sicherheitssoftware nicht erkannt. Das Laden dieser Datei verläuft extrem langsam und liefert dabei dem Angreifenden laufend Informationen zu den Latenzzeiten der Internetverbindung des Opfers. Diese Informationen dienen in weiteren Schritten zur Rekonstruktion von dessen Online-Aktivität.

SnailLoad kombiniert Latenzzeiten mit Fingerabdruck von Online-Inhalten

„Wenn das Opfer nun eine Website aufruft, ein Online-Video schaut oder mit jemandem per Video spricht, schwankt die Latenz der Internetverbindung nach einem ganz bestimmten Muster, das abhängig ist von den genutzten Inhalten“, sagt Stefan Gast vom IAIK. Denn alle Online-Inhalte haben einen „Fingerabdruck“: Für den effizienten Versand sind sie in kleine Datenpakete aufgeteilt, die nacheinander vom Server des Hosts an die User:innen geschickt werden. Das Muster aus Anzahl und Größe dieser Datenpakete ist für jeden Onlineinhalt einzigartig – wie ein menschlicher Fingerabdruck.

Die Forschenden hatten für Testzwecke vorab die Fingerabdrücke einer begrenzten Zahl von YouTube-Videos und populärer Websites erhoben. Nutzten die Testpersonen diese Videos und Websites, konnten die Forschenden dies durch die korrespondierenden Latenzschwankungen erkennen. „Der Angriff würde aber auch andersherum funktionieren“, sagt Daniel Gruss vom IAIK: „Angreifende messen zuerst das Muster der Latenzschwankungen, wenn ein Opfer im Internet aktiv ist, und suchen anschließend nach Online-Inhalten mit passendem Fingerabdruck.“

Das Team vom Institut für Angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie der TU Graz, das die Sicherheitslücke entdeckt und analysiert hat (von links nach rechts): Fabian Rauscher, Jonas Juffinger, Stefan Gast, Simone Franza, Daniel Gruss und Roland Czerny. (c) IAIK – TU Graz

Langsame Internetverbindung macht es Angreifern leichter

Beim Ausspionieren von Testpersonen, die Videos schauten, erreichten die Forschenden eine Trefferquote von bis zu 98 Prozent. „Die Erfolgsrate war umso besser, je größer das Datenvolumen der Videos und je langsamer die Internetverbindung der Opfer waren“, sagt Daniel Gruss. Daher sank die Erfolgsquote beim Ausspähen des Besuchs einfacher Websites auf rund 63 Prozent. „Wenn Angreifende ihre Machine-Learning-Modelle mit mehr Daten füttern als wir bei unserem Test, werden diese Werte aber sicher noch steigen“, sagt Daniel Gruss.

Sicherheitslücke kaum zu schließen

„Die Sicherheitslücke zu schließen, ist schwierig. Die einzige Möglichkeit wäre, dass Provider die Internetverbindung ihrer Kund:innen nach einem zufälligen Muster künstlich verlangsamen“, sagt Daniel Gruss. Bei zeitkritischen Anwendungen wie Video-Konferenzen, Live-Streams oder Online-Computerspielen würde dies allerdings zu spürbaren Verzögerungen führen.

Das Team um Stefan Gast und Daniel Gruß hat eine Website zu SnailLoad eingerichtet. Das wissenschaftliche Paper zu der Sicherheitslücke werden die Forschenden auf den Fachkonferenzen Black Hat USA 2024 und USENIX Security Symposium präsentieren. Diese Forschung ist im Field of Expertise „Information, Communication & Computing“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.


Mehr Artikel

News

Produktionsplanung 2026: Worauf es ankommt

Resilienz gilt als das neue Patentrezept, um aktuelle und kommende Krisen nicht nur zu meistern, sondern sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Doch Investitionen in die Krisenprävention können zu Lasten der Effizienz gehen. Ein Dilemma, das sich in den Griff bekommen lässt. […]

Maximilian Schirmer (rechts) übergibt zu Jahresende die Geschäftsführung von tarife.at an Michael Kreil. (c) tarife.at
News

tarife.at ab 2026 mit neuer Geschäftsführung

Beim österreichischen Vergleichsportal tarife.at kommt es mit Jahresbeginn zu einem planmäßigen Führungswechsel. Michael Kreil übernimmt mit 1. Jänner 2026 die Geschäftsführung. Maximilian Schirmer, der das Unternehmen gegründet hat, scheidet per 14. April 2026 aus der Gesellschaft aus. […]

News

Warum Unternehmen ihren Technologie-Stack und ihre Datenarchitektur überdenken sollten

Seit Jahren sehen sich Unternehmen mit einem grundlegenden Datenproblem konfrontiert: Systeme, die alltägliche Anwendungen ausführen (OLTP), und Analysesysteme, die Erkenntnisse liefern (OLAP). Diese Trennung entstand aufgrund traditioneller Beschränkungen der Infrastruktur, prägte aber auch die Arbeitsweise von Unternehmen.  Sie führte zu doppelt gepflegten Daten, isolierten Teams und langsameren Entscheidungsprozessen. […]

News

Windows 11 im Außendienst: Plattform für stabile Prozesse

Das Betriebssystem Windows 11 bildet im technischen Außendienst die zentrale Arbeitsumgebung für Service, Wartung und Inspektionen. Es verbindet robuste Geräte, klare Abläufe und schnelle Entscheidungswege mit einer einheitlichen Basis für Anwendungen. Sicherheitsfunktionen, Updates und Unternehmensrichtlinien greifen konsistent und schaffen eine vertrauenswürdige Plattform, auf der sowohl Management als auch Nutzer im Feld arbeiten können. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*