Neue Technologien für Touchscreen-Tastaturen

Während Forscher in den USA an der Software feilen, um Tastaturen an menschliche Tippgewohnheiten anzupassen, geht das Unternehmen Tactus Technology einen anderen Weg und lässt Tasten aus Touchscreens "wachsen". [...]

Forscher der University of Washington und University of Maryland haben zwei Systeme entwickelt, um die Texteingabe auf Touchscreens zu erleichtern. Das erste System setzt dabei auf ein veränderbares Layout des Onscreen-Keyboards, das vom Nutzer lernt. Die zweite Erfindung, „WalkType“, zielt darauf ab, Eingabefehler während des Gehens zu vermindern. 
Zwölf Probanden ließen die Forscher vorgegebene Textpassagen eintippen, um die selbstanpassende Bildschirmtastatur zu testen. Diese registriert nicht nur, welche Tasten der Nutzer betätigt, sondern auch dessen Tipp-Präzision. Wird ein Button beispielsweise besonders häufig am Rand getroffen, so wächst diese mit der Zeit in die jeweilige Richtung, um das versehentliche Erwischen der daneben liegenden Taste zu vermeiden.
Das System lernt bei seiner Benutzung ständig und automatisch dazu, berichtet New Scientist. Auf Dauer entsteht dadurch ein einzigartiges Keyboard-Layout, das auf den jeweiligen User abgestimmt ist. Auf diese Weise konnte man die Tippgeschwindigkeit im Schnitt um 15 Prozent steigern, konnte aber überraschenderweise keine Verbesserung der Tippfehlerquote erzielen.
Die zweite Innovation, WalkType, macht das Schreiben während der Fortbewegung leichter. Der Algorithmus liest die vom Beschleunigungssensor übermittelten Daten aus und gleicht sie zeitlich mit den Eingaben des Nutzers ab. Auf diese Weise kann es erkennen, ob aufgrund der Erschütterung beim Gehen versehentlich eine falsche Taste getroffen wurde. Im Testlauf schrieben die Kandidaten durchschnittlich um 13 Prozent schneller. Die Anzahl der fälschlich getippten Buchstaben im Text reduzierte sich von zehn auf sechs Prozent.

FEHLENDE HAPTIK

„Innovationen wie diese machen Sinn“, sagt Leif Oppermann vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) gegenüber der Nachrichtenagentur pressetext. „Sie lösen allerdings nur einen Teil der Probleme. Die fehlende Haptik bleibt trotz des Vibrationsfeedbacks eine Hürde.“ Zudem erschwert der kleine Formfaktor vieler Geräte die Eingabe von Texten zusätzlich.
Das Unternehmen Tactus Technology adressiert genau diese Problematik. Mit „Tactus“ hat man ein Display auf Lager, das imstande ist, durch Erhebungen physische Tasten zu erzeugen, was die Bedienung wesentlich erleichtern soll. Das Unternehmen verspricht einfache Integration in bestehende Systeme und will die Technologie schon Mitte 2013 auf den Markt bringen.
Tactus ersetzt dabei nicht das bestehende Touchdisplay, sondern liegt als dünne, flexible Schicht darüber, ohne die Bedienbarkeit zu beeinträchtigen. Wenn notwendig, kann diese an beliebigen Orten am Display fühlbare Tasten formen. Dazu setzt man auf eine biomimetische Technologie namens „Microfluidix“. Diese ermöglicht es, Flüssigkeiten – im konkreten Fall ein eigens entwickeltes Öl – zu schaffen und gezielt durch winzige Kanäle zu lenken.
Die taktile Schicht ist laut den Herstellern kompatibel zu bereits existierenden Displaysystemen und verbraucht nur wenig Strom. Im Gegensatz zu Systemen, die über Spannungsfelder oder Vibration künstliches Feedback erzeugen, handelt es sich somit um eine reale, physische Erfahrung. Die zu kreierenden Formen sind dabei frei anpassbar. Die Größe lässt sich gut skalieren. Vom Handybildschirm bis zum TV-Display soll alles möglich sein.
Tactus Technology will das Ende der bislang zweidimensionalen Touchwelt einläuten. Die tastbaren Felder sollen dem User jene Vorteile wieder zugänglich machen, für die etwa die klassiche BlackBerry-Tastatur nach wie vor geschätzt wird. Das Fühlen der Buttons erlaubt schnelleres Schreiben mit weniger Fehlern sowie das Navigieren durch verschiedene Menüs im Blindflug.
Ein erster Prototyp wurde bereits anhand eines Android-Tablets vorgestellt. Engadget-Blogger hatten die Gelegenheit zu einem Hands-on und zeigten sich trotz kleinerer Macken beeindruckt von der Technologie. Wieviel die Integration einer Tactus-Oberfläche in ein Gerät den jeweiligen Hersteller kosten wird, ist noch nicht bekannt. (pte/rnf)

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