Die Ankündigung von Bundeskanzler Sebastian Kurz, eine neue TU Linz mit Digitalisierungs-Fokus zu eröffnen, hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Während sich die oö. Politiker und der Rektor der Linzer Uni erfreut zeigen, sind die Reaktionen in Wien und Graz eher skeptisch bis ablehnend. [...]
Man werde vermehrt in den Hochschulsektor investieren, hieß es vergangenen Freitag von Bundeskanzler Kurz, und dann ganz konkret: „Wir wollen nicht nur unsere bestehenden Universitäten und Fachhochschulen stärken, sondern auch eine weitere Technische Universität in Oberösterreich bauen. Diese soll einen klaren Fokus auf die Digitalisierung legen und gut mit den bestehenden Technischen Hochschulen in Österreich zusammenarbeiten.“
Der oö. Landeshauptmann Thomas Stelzer zeigte sich sichtlich erfreut: „Die Entwicklung der FHs und der JKU hat Oberösterreich sehr weit gebracht. Die Entscheidung der Bundesregierung für eine eigene Universität sei „ein Kompliment an das, was bisher in Oberösterreich geschehen ist“. Auch der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) fand Gefallen an der Ankündigung des Bundeskanzlers, in Linz eine TU zu planen: „Der Industriestandort Linz bietet natürlich die besten Voraussetzungen für eine Universität mit diesem Schwerpunkt.“ Dieses Vorhaben sei eine weitere Aufwertung des Bildungsstandorts, die die Entscheidung für eine Medizinische Fakultät bei weitem übertreffe. Als mögliche Standorte wurden in Linz das Gelände der Tabakfabrik, die Post City beim Hauptbahnhof sowie der Bereich in unmittelbarer Nähe der Uni Linz genannt, letztgenannter Standort gilt als aussichtsreichster.
Auch JKU-Rektor Meinhard Lukas sieht überwiegend Vorteile: Die Politik wolle mit der neuen TU zu Recht einen großen Wurf realisieren. „Dann muss diese neue Uni der europäische Gegenentwurf zur Welt des Silicon Valley sein. Ziel muss eine Universität der digitalen Avantgarde und zugleich des digitalen Humanismus sein“, sagte Lukas den OÖN. Man arbeite an der JKU seit langer Zeit an einem umfassenden Technologieverständnis. Daher müsse die digitale Exzellenz der JKU und des Linz Institute of Technology (LIT) das Fundament der neuen TU sein. Bei aller Selbstständigkeit, die sich die Politik für diese technische Uni wünsche, müssten JKU und die neue TU klug verschränkt werden.
Grundsätzlich geht es den Oberösterreichern (angetrieben von Industrie und Politik), ja darum, am Standort Linz eine neue Universität, einen neuen Leuchtturm, zu etablieren und nebenbei auch die bestehende Johannes Kepler Universität (JKU) mit ihrer Expertise auf den Gebieten der Mechatronik, Informatik etc. in dieses Projekt zu integrieren.
Angetan von der Idee ist auch Bildungsminister Heinz Faßmann, er sprach in einer ersten Reaktion von einem „guten Tag für die Universitäten“. „Grundsätzlich finde ich es erfreulich, wenn mehr Geld in das universitäre System insgesamt, aber auch spezifisch gesteckt wird“, sagte Faßmann am Rande der Alpbacher Technologiegespräche.
Überraschung und kritische Stimmen
„Vollkommen überrascht von dieser Nachricht“ zeigte sich vergangene Woche die Vorsitzende der Universitätenkonferenz (Uniko) und Rektorin der TU Wien, Sabine Seidler. Sie stellte auch die Sinn-Frage. Gerade im Bereich der Informatik habe man eigentlich keinen Mangel an Studienplätze, sondern ein Verteilungsproblem. „Und dem kann man nicht begegnen, indem man eine neue Uni gründet. Es gibt in Österreich ausreichend Informatikstudienplätze, die nicht besetzt sind“, meinte Seidler.
Eine zusätzliche Uni würde nicht nur die Basisfinanzierung für Universitäten in Österreich erhöhen, das Unibudget müsste auch von 22 auf 23 öffentliche Unis aufgeteilt werden. Damit werde es schwerer, heimische Universitäten im internationalen Vergleich besser zu platzieren. „Wir beklagen immer wieder unser schlechtes Abschneiden in Rankings, was natürlich auch damit zusammenhängt, dass wir es nicht schaffen, Schwerpunkte zu setzen und uns auf das zu konzentrieren, was da ist und das weiterzuentwickeln“, so die Uniko-Vorsitzende.
Auch wenn es in den Uni-Ranglisten für heimische Universitäten bergauf geht, ist man immer noch abgeschlagen. Die derzeit beste Uni Österreichs im aktuellen „QS University Ranking 2021“ ist die Universität Wien mit Platz 150. Die Technische Universität (TU) Wien kommt auf Rang 191, die Uni Innsbruck auf Platz 265, die TU Graz auf Platz 275 und die JKU Linz erst auf Platz 362. Ganz anders werden die renommierten Unis bei unseren deutschsprachigen Nachbarn bewertet: Die TU München belegt als beste deutsche Uni Platz 50 und die schweizer ETH Zürich international sogar Platz 6.
Es gibt schon drei technische Unis
Harald Kainz, Präsident der TU Austria, des Zusammenschlusses der drei technischen Unis in Wien, Graz und Leoben und Rektor der TU Graz – äußerte sich ebenso skeptisch: „Österreich ist mit drei technischen Universitäten schon sehr gut versorgt. In Bayern und Baden-Württemberg gibt es je zwei, in Hessen eine, und das sind Länder in der Größenordnung Österreichs bzw. größer. Aus der Struktur heraus würde ich daher keinen Bedarf sehen“, betonte Kainz. „Wir müssen aufpassen, dass wir uns durch zu viele kleine Einheiten nicht selbst schwächen, weil wir eine kritische Größe brauchen, um international mithalten zu können.“
„Österreich hat in Relation mehr Universitäten als Deutschland und die Schweiz, gleichzeitig aber deutlich weniger öffentliche Mittel für die Universitäten“, kritiserte Hannes Androsch. Vorsitzender des Rats für Forschung- und Technologie-Entwicklung (FTE). „Österreich hat auch mehr Studierende als Deutschland und die Schweiz, aber deutlich weniger Absolventinnen und Absolventen, die zudem auch noch länger für ihr Studium benötigen,“ fasste er zusammen.
Forderung nach mehr Budget und strukturellen Maßnahmen
Bei einer rund zehnmal größeren Bevölkerung hat Deutschland mit 107 Universitäten nur fünfmal so viele wie Österreich mit 22. Die Schweiz wiederum hat bei einer annähernd gleichen Bevölkerungsgröße wie Österreich fast um die Hälfte weniger Universitäten, nämlich 13, dafür aber ein mehr als doppelt so hohes Budget. So belaufen sich in Österreich die öffentlichen Aufwendungen für die Universitäten auf rund 3,2 Mrd. Euro, in der Schweiz hingegen auf mehr als 7,4 Mrd. Euro. Auch der Vergleich der öffentlichen Aufwendungen pro Studierenden spricht eine deutliche Sprache: In Österreich sind dies knapp 12.000 Euro, in Deutschland rund 16.500 Euro und in der Schweiz mehr als 47.000 Euro.
Das Fazit des stellvertretenden Ratsvorsitzenden Markus Hengstschläger lautet daher: „Eine Steigerung der Universitätsbudgets ist dringend notwendig, soll die Qualität in Lehre und Forschung auch nur garantiert werden. Darüber hinaus aber braucht es auch Maßnahmen zur strukturellen Weiterentwicklung des universitären Sektors.“
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