Das Wiener Deep-Tech Startup Viewpointsystem, das Grazer Mobilitäts-Technologieunternehmen AVL List und die TU Wien bringen ihr Know-how in die Entwicklung von neuartigen neuromorphen Chips ein. [...]
Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts „NimbleAI“ entwickeln die Unternehmen in den nächsten drei Jahren gemeinsam mit weiteren europäischen Partnern Chips der nächsten Generation, die durch biologische Mechanismen inspiriert sind. Die Chips sollen Zukunftstechnologien wie Virtual und Augmented Reality oder das autonome Fahren entscheidend voranbringen und die Technologien benutzerfreundlicher, kompakter und sicherer machen.
Viele digitale Schlüsseltechnologien stellen unsere herkömmliche elektronische Hardware vor enorme Herausforderungen, da riesige Datenmengen effizient und sicher verarbeitet werden müssen. Gleichzeitig sollen die Endgeräte klein, leicht und sicher sein. Auch die Technologien der drei österreichischen Projektpartner stehen vor der Herausforderung, hochkomplexe Computer-Vision-Algorithmen (zum Beispiel zum Erkennen und Verfolgen von Objekten) mit geringem Energieverbrauch auf minimalem Raum durchführen zu müssen: Smart Glasses (Viewpointsystem), Validierungssysteme für automatisierte Fahrzeuge (AVL List) und autonomes Fahren (TU Wien).
Neuromorphe Chips können eine Antwort auf diese Herausforderung sein und gelten für viele bereits als Game Changer: Sie bilden die Funktionsweise des menschlichen Gehirns nach, das eine große Menge an Informationen aus der Umwelt gleichzeitig verarbeiten kann, ohne dass es zu Überlastungen oder Verzögerungen kommt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Computer-chips haben neuromorphe Chips das Potenzial, große Datenmengen in Echtzeit zu verarbeiten und dabei Energie zu sparen, was sie zu einer attraktiven Lösung für die nächste Generation von tragbaren Endgeräten macht.
Große Datenmengen parallel und energieeffizient verarbeiten
Die Projektpartner von NimbleAI gehen mit konkreten Zielen ins Rennen: Sie erwarten eine 100-fache Verbesserung der Energieeffizienz und eine 50-fache Reduzierung der Latenzzeit im Vergleich zu herkömmlichen Chips. Die Systemarchitektur des Projekts basiert auf dem biologischen Auge-Gehirn-System, welches optische Informationen aus der Umgebung nur dann erfasst, verarbeitet und speichert, wenn es notwendig ist.
Neuromorphe Chips made in Europe
NimbleAI wird durch das „Horizon Europe“ Forschungs- und Innovationsprogramm der EU mit insgesamt 10 Mio. Euro gefördert und national durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG beraten. Rund 700.000 EUR von der Förderung gehen an das österreichische Konsortium. NimbleAI ist Teil der EU-Initiativen zur europäischen Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit im Bereich der Halbleiter. Insgesamt sind 19 Unternehmen und Forschungsinstitutionen aus acht EU-Ländern an dem Projekt beteiligt. Die Erkenntnisse von NimbleAI werden in die nächste Generation von kommerziell erhältlichen neuromorphen Chips einfließen. Zu diesem Zweck werden Testchips hergestellt. Weitere Informationen: http://www.nimbleai.eu/
Die praktischen Anwendungsfälle der österreichischen Partner
Die österreichischen Partner fokussieren sich auf Anwendungsfälle aus ihren jeweiligen Bereichen mithilfe von wissenschaftlichen und technologischen Konzepten wie dynamischer Parallelität, ereignisgesteuerter Sensorik, Anpassungsfähigkeit und Rekonfigurierbarkeit sowie eingebauter Fehlertoleranz.
Eye-Tracking-Sensoren für Smart Glasses (Viewpointsystem)
Viewpointsystem befasst sich konkret mit der Entwicklung von energieeffizienten, hochperformanten Eye-Tracking-Sensoren für Augmented- und Virtual-Reality-Anwendung-en und entsprechende Geräte. Mit der zunehmenden Verbreitung von AR und VR wird Eye Tracking entscheidend für ein sicheres und angenehmes immersives Erlebnis und ermöglicht dynamisches Rendering, intuitive Mensch-Maschine-Interaktion, Gesundheitsüberwachung und andere Funktionen.
„Mit Hilfe des neuromorphen Computings werden wir in der Lage sein, die Rechenlast und den Energieverbrauch so weit zu reduzieren, dass leistungsstarkes Eye Tracking in jede AR- oder VR-Brille oder in andere tragbare Geräte integriert werden kann“, erklärt Frank Linsenmaier, CTO von Viewpointsystem.
Validierungssysteme für automatisierte Fahrzeuge (AVL List)
Die Validierung komplexer Funktionen in den Bereichen Fahrerassistenzsysteme und automatisiertes Fahren unter allen möglichen Bedingungen und Variationen stellt die Fahrzeughersteller vor erhebliche Heraus-forderungen. Schließlich muss die Sicherheit und Zuverlässigkeit von hochautomatisierten Fahrfunktionen in jeder Fahrsituation gewähr-leistet sein. Auf Basis der von NimbleAI entwickelten neuromorphen Signalerfassung und Verarbeitung sollen energieeffiziente smarte Monitore (SM) für Fahrzeuge entwickelt werden. Damit wird ermöglicht, die Automobilumgebung dreidimensional aus verschiedenen Blickwinkeln zu analysieren, und auf dieser Basis zu bewerten, ob die von der Fahrzeugsteuerung getroffenen Fahrentscheidungen sicher sind.
„Mit der Entwicklung von visuell-basierter Bewertung des Fahrverhaltens mit schnellen und effizienten künstlichen Neuronen entsteht ein wichtiger Beitrag für die Absicherung künftiger automatisierter Fahrzeuge“, ist Peter Priller, Principal Technology Scout bei AVL Research, überzeugt.
Autonomes Fahren mit neuartigen neuronalen Netzen (TU Wien)
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass sich neuronale Netze gut für autonomes Fahren eignen, insbesondere wenn diese mit visuellen Sensoren arbeiten. In der CPS Research Division an der TU Wien werden solche Regelungssystem unter anderem auf F1/Tenth Fahrzeugen (umgebauten Modellautos im Maßstab 1:10) getestet. Um die Regelungen auszuführen, sind die Fahrzeuge mit einem leistungsstarken Computer ausgestattet, der das effiziente Ausführen neuronaler Netze ermöglicht.
„Durch die Hardwarebeschleunigung, die NimbleAI bieten wird, können wir unsere neuartigen Strukturen in zeitkritischen Anwendungen mit noch nie da gewesener Effizienz austesten und weitere Anwendungsfelder für nachvollziehbare neuronale Strukturen finden“, fasst Radu Grosu, Head of Cyber Physical Systems Research Division, zusammen.
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