Österreichs Reise in die digitale Ära

Von der Bereitschaft, der Belegschaft flexible Arbeitsplatzmodelle zur Verfügung zu stellen, bis hin zur Einschätzung, welche Chancen und Risiken mit KI verbunden sind: Aktuelle Studien zeigen den Status quo heimischer Unternehmen in Sachen digitaler Transformation. [...]

Rund jedes vierte österreichische Unternehmen will in den nächsten Jahren in KI investieren. (c) Midjourney/Wolfgang Franz
Rund jedes vierte österreichische Unternehmen will in den nächsten Jahren in KI investieren. (c) Midjourney/Wolfgang Franz

Nachdem man mit Beginn der Pandemie gezwungenermaßen aber schwungvoll in die Welt von New Work eingetaucht war, ist die Kurve nun deutlich abgeflacht. Eine Umfrage von XING gemeinsam mit forsa unter Berufstätigen in Österreich zeigt: Home Office ist hier nicht so verbreitet wie oft angenommen. Mit anderen Worten: Der Wunsch der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zeigt sich größer als das Angebot der Unternehmen.

Laut der Studie hat insgesamt lediglich knapp mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer die Möglichkeit, im Home Office zu arbeiten. Rund ein Viertel der Befragten, die diese Option nutzen können, geben sogar an, dass dies in ihrem aktuellen Job in den letzten Monaten eingeschränkt wurde. Etwa ein Sechstel fürchtet weitere Verschärfungen bei der Home-Office-Option. Für 13 Prozent der befragten österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer herrscht bereits eine generelle Anwesenheitspflicht in Unternehmen. Sandra Bascha, Leitung Kommunikation und New-Work-Expertin bei XING, sieht dies kritisch: „Angesichts der angespannten Situation am Arbeitsmarkt und dem nach wie vor herrschenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel ist das das falsche Signal. Home Office gehört zu den Top-Kriterien für die Attraktivität von Unternehmen.“

Die XING-Studie zeigt eine deutliche Tendenz: je größer, desto besser das Angebot und desto selbstverständlicher wird mit dem Thema Remote Work umgegangen. Das gilt für die Städte. In Besiedelungsräumen mit mehr als 100.000 Einwohnern besteht für beinahe die Hälfte der Befragten die Möglichkeit zu Home Office, während in kleinen Orten nur rund ein Drittel der Beschäftigten auf entsprechende Angebote zurückgreifen kann. Ähnlich verhält es sich bei der Unternehmensgröße: Je größer ein Unternehmen, umso eher besteht die Möglichkeit für Home Office.

Remote-Work-Angebote machen Unternehmen attraktiv, so die Arbeitsplatzexperten von XING. Immerhin zählt diese Option mit mehr als 40 Prozent zu den Top-3-Kriterien bei der Wahl des Arbeitgebers. Die Wichtigkeit von Home Office für die Wahl eines Arbeitgebers ist für knapp die Hälfte der Befragten in den letzten fünf Jahren sogar stark beziehungsweise etwas gestiegen. Für rund ein Fünftel all derer, die aktuell keine Möglichkeit für Remote Work haben, wäre die Option darauf ein Grund, den Arbeitgeber zu wechseln.

Fragliche Selbsteinschätzung

Was die digitale Fitness der heimischen Belegschaft betrifft, so hat fit4internet mit dem Digital Skills Barometer ein aktuelles Sittenbild erstellt. Abgefragt wurden die Bereiche Selbsteinschätzung, Wissen und Technologieaffinität beziehungsweise -verständnis, die hier mit den zumindest gewöhnungsbedürftigen Begriffen „Digitales Warmup“, „Digitale Ausdauer“ und „Digitale Kraft“ bezeichnet werden.

Das wichtigste Ergebnis: Die Selbsteinschätzung der österreichischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Sachen digitaler Kompetenz liegt bei 79 von 100 Punkten, das tatsächliche Wissen jedoch nur bei 51 – ein klassischer Fall von Selbstüberschätzung.

„Wenn wir die erhobenen Daten betrachten, zeigt sich die Notwendigkeit des Handelns“, sagt Johannes Kopf, Vorstandsvorsitzender des Arbeitsmarkservice Österreich. „Gerade in der Digitalisierung, die rasch voranschreitet und ständige Veränderung mit sich bringt, müssen wir mehr Menschen zu digitalen Vorreitern machen, damit wir als Gesellschaft und in den Unternehmen aktiv die Digitalisierung mitgestalten.“ Vollzeit-Arbeitnehmer stehen dem Einfluss der Digitalisierung überwiegend neutral bis positiv gegenüber. Teilzeit-Arbeitnehmer sind hier durchaus skeptischer und bewerten den Einfluss der Digitalisierung auf die eigene berufliche Entwicklung größtenteils neutral. Parallel dazu besteht ein hohes technisches Interesse: Die Hälfte der Arbeitnehmer zeigt sich stark bis sehr stark an Technik und technologischen Neuerungen interessiert, knapp ein Drittel wünscht auch mit den technologischen Entwicklungen und digitalen Anwendungen Schritt zu halten. Die Hälfte der heimischen Arbeitenden möchte spezifische digitale Angebote noch besser beherrschen und mehr über digitale Technologien erfahren.

Große Übereinstimmung herrscht bei den befragten Arbeitnehmern darüber, dass digitale Grundkenntnisse notwendig sind, um die Chancen am Arbeitsmarkt ergreifen zu können, und dass sie selbst aktiv sein müssen, um mit der Digitalisierung Schritt zu halten. Allerdings sind 74 Prozent davon überzeugt, dass ihre derzeitigen digitalen Kompetenzen ausreichen, um auch in Zukunft den Anforderungen ihres Arbeitsplatzes gerecht zu werden. 55 Prozent geben an, dass ihre eigene berufliche Tätigkeit von der Digitalisierung betroffen ist, gleichzeitig sehen 49 Prozent die Digitalisierung auch als Chance für ihre Branche an.

Durch die Umfrage wird deutlich, dass unter den Arbeitnehmern mit 67 Prozent eine hohe bis sehr hohe Bereitschaft zur Weiterbildung besteht, in ihre digitale Bildung zu investieren – vorausgesetzt, der Staat oder der Arbeitgeber übernehmen die Kosten. Zudem spielt der Beschäftigungsgrad eine wesentliche Rolle: Rund 54 Prozent der Vollzeit-Arbeitnehmer haben sich in den vergangenen zwölf Monaten digitale Kompetenzen selbst angeeignet, bei den Teilzeit-Arbeitnehmern sind es im Vergleich dazu unter 41 Prozent.

Auffällig ist, dass betriebsinterne Schulungen eher die Ausnahme bilden. Gleichzeitig ist das Interesse zu Weiterbildung und Informationsangeboten sowohl bei Vollzeit- (42 Prozent) als auch Teilzeit-Arbeitnehmern (31 Prozent) vorhanden, soweit das Digital Skills Barometer.

Digitalisierungs-Awareness

Die eingangs erwähnten Unternehmensgrößenunterschiede beim Thema Remote Work zeigt sich auch bei der Einschätzung, welche Bedeutung die Digitalisierung für das eigene Geschäftsmodelle hat. Der Anteil der österreichischen Unternehmen, die digitalen Technologien eine sehr große oder mittelgroße Bedeutung beimessen, liegt bei größeren Organisationen mit 68 Prozent deutlich höher als bei jenen mit Jahresumsätzen von weniger als zehn Millionen Euro (59 Prozent). Für Unternehmen, die zwischen zehn und 30 Millionen Euro Jahresumsatz machen, sind digitale Technologien nahezu gleich bedeutsam: 66 Prozent weisen ihnen eine große oder mittelgroße Bedeutung zu, so eine Studie von EY Österreich.

Generell war die Bedeutung digitaler Technologie für heimische Unternehmen auf dem Höhepunkt der Covid-Pandemie im Jänner 2022 am größten. Seit dem ist der Anteil der Unternehmen, für die digitale Konzepte kaum eine oder gar keine Rolle spielen, erneut angestiegen – und zwar von 33 Prozent auf 37 Prozent. So hoch war der Wert seit 2018 nicht mehr. „Der Abwärtstrend unterstreicht die Notwendigkeit für Unternehmen, die digitale Transformation nicht nur als vorübergehende Lösung in Krisenzeiten zu betrachten, sondern als integralen Bestandteil ihrer langfristigen Strategie. Jene, die digitale Technologien gezielt einsetzen, um innovativ und wettbewerbsfähig zu bleiben, können ihr Potenziale voll ausschöpfen“, sagt Susanne Zach, Partnerin und Leiterin AI & Data bei EY Österreich.

Vorbildlich beim Einsatz moderner Technologien ist die Finanzdienstleistung (60 Prozent), gefolgt vom Bereich Soziales, Wissenschaft, Bildung und Kultur (31 Prozent) und Tourismus (30 Prozent). Das Schlusslicht bilden die Immobilienwirtschaft beziehungsweise das Baugewerbe (16 Prozent) sowie der Sektor Transport, Energie und Verkehr (sechs Prozent).

Investitionsbereitschaft

Rund jedes vierte österreichische Unternehmen will in den nächsten Jahren in KI investieren – im Vorjahr war der Anteil Investitionswilliger deutlich geringer (15 Prozent). Unternehmen, die in den kommenden Jahren Geld in KI-Technologien pumpen, wollen dieses vor allem in den Bereichen IT (50 Prozent) sowie Marketing, Vertrieb und Kundendienst (43 Prozent) machen. Immerhin 19 Prozent der Betriebe, die Investitionen in KI planen, streben deren Einsatz im F&E-Bereich an, elf Prozent im Bereich Produktentwicklung beziehungsweise Innovation.

Nur mehr 18 Prozent wollen im Bereich Data Analytics aufstocken, jeder siebte Betrieb plant, Cloud Computing einzusetzen. Gegenüber dem Vorjahr hat die Bedeutung der beiden Bereiche deutlich abgenommen: minus sechs beziehungsweise minus neun Prozent. Der Anteil der Unternehmen, die in den kommenden Jahren nicht in weitere digitale Technologien investieren wollen, ist gegenüber dem Vorjahr deutlich von 38 auf 48 Prozent gestiegen. „Viele Unternehmen haben Probleme damit, geeignete Fachkräfte zu finden – das hat auch Auswirkungen auf geplante Digitalisierungsprojekte, die durch fehlendes Personal nur langsam oder gar nicht vorankommen“, kommentiert Christoph Mayer, Partner Cloud Transformation bei EY Österreich.

Nicht mal jedes zweite Unternehmen in Österreich sieht die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung bezogen auf den eigenen Standort positiv (41 Prozent). 2022 bewerteten diese noch 63 Prozent positiv. Nur 14 Prozent der Unternehmen bewerten sie aktuell als ausgezeichnet. Gleichzeitig ist der Anteil derer, die die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung als eher oder sehr schlecht bezeichnen, auf einen neuen Höchstwert von 13 Prozent gestiegen. Betrachtet man die Bundesländer darauf bezogen, sind Unternehmen in Vorarlberg mit den Standortbedingungen für Digitalisierung am zufriedensten (19 Prozent), gefolgt von Wien und Salzburg (je 18 Prozent). Am unzufriedensten sind Unternehmen in der Steiermark (acht Prozent) und Kärnten (neun Prozent) mit den Rahmenbedingungen für die Digitalisierung – sowohl Abläufe und Produktion als auch Geschäftsmodell betreffend, so die EY-Studie.

Zwiespältiges Thema

Die Digital Trust Insights-Studie von PwC hat ergeben, dass 60 Prozent der österreichischen Unternehmen im Jahr 2024 ihre Investitionen in die Cybersicherheit zum Schutz vor Cyberangriffen aufstocken werden. Generative KI treibt diesen Trend weiter voran: Mehr als die Hälfte der Befragten plant, GenAI-Tools für die Cyberabwehr einzusetzen. „KI bietet viele Möglichkeiten – sowohl für Unternehmen als auch für Cyberkriminelle. Um alle Potenziale dieser Technologie sicher zu nutzen, braucht es eine proaktive Strategieentwicklung und diese muss alle Chancen und Risiken einbeziehen. Nur so kann der Einsatz von KI zum Gamechanger werden“, erklärt Rudolf Krickl, CEO von PwC Österreich.

Aufgrund der rasanten Verbreitung von generativer KI sind heimische Führungskräfte zunehmend um ihre Cybersicherheit besorgt: Die Hälfte erwartet, dass GenAI in diesem Jahr zu verheerenden Cyberangriffen führen wird.

KI löst aber auch positive Gedanken aus: 73 Prozent erwarten, dass generative KI ihrem Unternehmen in den nächsten drei Jahren dabei helfen wird, neue Geschäftsfelder zu entwickeln. 67 Prozent gehen davon aus, dass der individuelle Einsatz generativer KI-Technologien durch die Mitarbeitenden ihre Produktivität spürbar steigern wird. 63 Prozent wiederum glauben an eine Produktivitätssteigerung durch KI-gesteuerte Prozesse.


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