Optimierung der Bedarfsplanung in der Hightech-Branche

Mit KI-gestützten Decision Engines können Hightech-Unternehmen Angebot und Nachfrage auch in Zeiten permanenter Veränderung besser im Gleichgewicht halten. [...]

Durch Verknüpfen der gesammelten Daten mit den vor- und nachgelagerten Unternehmensprozessen, können Unternehmen ihre Liefer- und Produktionsplanung mit den Echtzeitdaten der Kundenanfragen abstimmen und die Prognosegenauigkeit steigern. (c) stock.adobe.com/SuliArt

Das richtige Produkt, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, in der richtigen Menge, in der richtigen Qualität und zu den richtigen Kosten zur Verfügung stellen? Die Fragen der logistischen „Sechs-R-Regel“ sind für Hightech-Unternehmen auch Jahre nach der weltweiten Chip-Knappheit herausfordernd. Hinzu kommen politische und ökonomische Unwägbarkeiten, welche die Abläufe in der Lieferkettenplanung zunehmend unter Druck setzen sowie eine Verbrauchernachfrage, die starken saisonalen oder wirtschaftlich begründeten Schwankungen unterliegt. Die klassischen Fertigungslinien und Prozesse der Hightech-Industrie reichen längst nicht mehr aus. Ihr statischer Ansatz mit großen Produktionsvolumen und standardisierten Produkten macht es Halbleiterunternehmen, Herstellern von Konsumgütern und anderen Hightech-Firmen zunehmend schwer, Angebot und Nachfrage ohne Reibungsverluste aufeinander abzustimmen.

Weite Wege und lange Produktionszyklen

Traditionelle Hightech-Unternehmen gelten zu Recht als schwerfällig. Ihre Wege sind lang, da ihre Fertigungs- und Liefernetzwerke oft über mehrere Länder und Kontinente verteilt sind. Das führt nicht nur zu einem hohen Zeitaufwand, es verteuert auch die Transportkosten, erschwert die Materialflussplanung und wirkt sich negativ auf Durchlaufzeit und Qualität der Produktion aus. Zudem müssen Hightech-Firmen große Summen in Maschinen, Gebäude oder Ausrüstung investieren, was hohe Fixkosten verursacht und die Flexibilität einschränkt.

Kurze Produktlebenszyklen

Um auf individuelle Kundenbedürfnisse einzugehen, sich von Konkurrenten abzuheben oder den Umsatz zu steigern, bringen Unternehmen ihre Produktvarianten in immer kürzeren zeitlichen Abständen auf den Markt. Diese Entwicklung schürt hohe Kundenerwartungen an Neuartigkeit und schneller Verfügbarkeit. Ebenso beschleunigt der Einzug von Elektronik und Digitalisierung im Maschinen- und Anlagenbau die Entwicklungsgeschwindigkeit und trägt signifikant zu immer kürzeren Produktlebenszyklen bei.

Hohe Störanfälligkeit von Lieferketten

Geopolitische Konflikte und Naturkatastrophen beeinträchtigen die globalen Lieferketten von Hightech-Unternehmen stark. Der Russland-Ukraine-Krieg beispielsweise gefährdet die weltweite Versorgung mit Palladium, Nickel und Neon, drei für die Halbleiterherstellung wichtige Materialien. Die Konflikte im Nahen Osten blockieren die Schifffahrtswege über das Rote Meer sowie über den Suezkanal und erhöhen Kosten und Vorlaufzeiten für Hightech-Unternehmen, die Produkte aus Asien importieren. Auch die aktuell von den USA erhobenen hohen globalen Zölle erschweren die Bedarfsplanung und könnten mittelfristig die Warenströme innerhalb der Lieferkette verändern.

Mit Echtzeit-Transparenz mehr Erfolg bei der Bedarfsplanung

Um ihre Waren auch bei Änderung der Lieferkonditionen oder bei akuten Störungen fristgerecht und profitabel liefern zu können, müssen Unternehmen die vollständige Transparenz entlang ihrer Lieferkette erreichen – sowohl für die vor- als auch für die nachgelagerten Prozesse. Dafür müssen sie jederzeit informiert sein, wo und wie die Produkte gefertigt, in welchen Mengen sie gelagert, wann sie an wen geliefert werden und ob Änderungen oder Unterbrechungen auftreten. Mithilfe digitaler Tools und Plattformen ist es möglich, allen Beteiligten diese Informationen weltweit ohne Verzögerungen oder Informationslücken zur Verfügung zu stellen und darüber hinaus auch eine kontinuierliche Datenerfassung und -auswertung durchzuführen. Auf diese Weise können Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette schnell und koordiniert auf Änderungen von Verbraucher- und Kundenbedürfnissen reagieren, selbst über Regionen, Zeithorizonte, Kundensegmente und Produktlinien hinweg.

Mit den manuellen Prozessen und veralteten Tools, die in vielen Hightech-Unternehmen immer noch im Einsatz sind, ist Echtzeittransparenz jedoch nicht erreichbar. So ist bei vielen Herstellern die Bedarfsplanung beispielsweise von der Beschaffung und der Produktion abgekoppelt, Daten lassen sich nicht gemeinsam nutzen, und bei der Zuweisung von Fertigungskapazitäten oder Materialien gibt es keine klaren Vorgaben. Die Folge: Unternehmen müssen ihre Über- und Fehlbestände so gut es geht selbst managen. Ein Vorgehen, das nicht nur zeitintensiv, sondern auch fehleranfällig ist.

KI-gestützte Kausalanalysen in Echtzeit

Mit KI- (künstliche Intelligenz) und ML- (maschinelles Lernen) gestützten Lösungen können Unternehmen ihre Bedarfsplanung seit einiger Zeit automatisiert und in Echtzeit umsetzen. Sogenannte Decision Engines oder Entscheidungsmaschinen sammeln dabei eine große Menge an Kunden-, Lieferanten-, Markt- und anderen nachfrageorientierten Daten. Diese werden von einem Algorithmus umfassend analysiert und mit Hilfe mathematischer Modelle und statistischer Methoden bewertet. Faktoren wie Wachstumspotenzial, aktuelle Markttrends oder Unternehmensbilanzen berücksichtigen sie bei der Analyse ebenso wie makroökonomische Indikatoren. Auf diese Weise sind außergewöhnlich zuverlässige Prognosen möglich, die neue Entwicklungen und Trends präzise erkennen.

Intelligente Szenarienplanung steigert die Prognosegenauigkeit

Decision Engines kombinieren maschinelles Lernen mit historischen und aktuellen Marktdaten, auf die alle Projektbeteiligten Zugriff haben sollten. Voraussetzung ist eine Plattform, bei der sich alle Daten in einer zentral zugänglichen Quelle, der Single Source of Truth, befinden. Auf diese Weise arbeitet das Planungsteam für die Entscheidungsfindung immer mit den in Echtzeit aktualisierten Daten, beispielsweise um Risikoanalysen zum Bewerten potenzieller Auswirkungen auf das Unternehmen zu erstellen. Um mögliche Herausforderungen und Chancen für das Unternehmen präzise einzuordnen und robuste Strategien zu definieren, evaluieren Decision Engines unterschiedlichste Kombinationen von Faktoren. Durch den Vergleich von aktuellen Szenarien mit Zukunftsmodellen ist es möglich, Risiken angemessen zu antizipieren und so beispielsweise Schwankungen zwischen Angebot und Nachfrage auszugleichen, das Risiko überschüssiger Bestände zu minimieren und Umsatzchancen gezielter zu nutzen.

Durch Verknüpfen der gesammelten Daten mit den vor- und nachgelagerten Unternehmensprozessen, können Unternehmen ihre Liefer- und Produktionsplanung mit den Echtzeitdaten der Kundenanfragen abstimmen und die Prognosegenauigkeit steigern. Bevor sie zur Ausführungsphase übergehen, ist es jedoch wichtig, dass Unternehmen ihre Prognosen und Entscheidungen verifizieren. Dafür sollten sie eine ideale Vorgehensweise definieren, die sie numerisch in einer virtuellen Umgebung simulieren.

Zukunftssicher durch intelligente Entscheidungsszenarien

Mit einer intelligenten Bedarfsplanung sorgen Hightech-Unternehmen dafür, dass ihnen zu jeder Zeit und Gelegenheit die richtigen Ressourcen in den richtigen Mengen zur Verfügung stehen, um zukünftige Bedarfe zu decken. Mit Hilfe von Entscheidungsmaschinen können sie intelligente Entscheidungensszenarien und strategische Vorausschauen entwickeln und die Grundlagen für eine zukunftssichere Unternehmensstrategie schaffen. Unterstützt von KI- und ML- gestützten Planungslösungen stehen Hightech-Unternehmen heute vor einem entscheidenden Technologiesprung, der eng an der Nachfrage orientierte, wirtschaftliche Produktions- und Lieferketten schafft und einen Warenfluss ermöglicht, der ohne gravierende Störungen oder Verzögerungen abläuft.

* Gabriel Werner ist Global Field CTO bei Blue Yonder.


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