Die Photonencomputer können kommen: Ein internationales Forscherteam hat den weltweit ersten nichtflüchtigen volloptischen Chip-Speicher auf Basis von Phasenübergangsmaterialien entwickelt. Der neue Speicher soll Daten auch ohne Stromzufuhr jahrzehntelang bewahren können. [...]
Im Licht liegt in den Augen vieler Experten die Zukunft der Informations- und Kommunikationstechnologie: Computer könnten mit optischen Elementen schneller und energieeffizienter arbeiten. Längst ist es üblich, Daten mit Licht über Glasfaserkabel zu übertragen. Doch auf dem Computer werden die Daten nach wie vor elektronisch verarbeitet und gespeichert. Der elektronische Austausch von Daten zwischen den Prozessoren und dem Speicher begrenzt die Geschwindigkeit moderner Rechner. Dieser Engpass wird als Von-Neumann-Flaschenhals bezeichnet. Um ihn zu überwinden, genügt es nicht, Speicher und Prozessor optisch zu verbinden, da die optischen Signale wieder in elektrische konvertiert werden müssen. Wissenschaftler suchen daher nach Wegen, sowohl Rechnungen als auch die Datenspeicherung rein optisch durchzuführen.
Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der Universität Oxford und der Universität Exeter haben nun den eigenen Angaben zufolge ersten nicht volatilen, das heißt dauerhaften optischen On-Chip-Speicher entwickelt. „Optische Bits lassen sich mit Frequenzen bis zu einem Gigahertz schreiben; damit erlaubt unser vollphotonischer Speicher eine extrem schnelle Datensicherung“, erklärt Professor Wolfram Pernice, der eine Arbeitsgruppe am Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT leitete und inzwischen an der Universität Münster tätig ist. „Der Speicher ist sowohl mit der üblichen optischen Datenübertragung über Glasfaser als auch mit modernsten Prozessoren kompatibel“, ergänzt Professor Harish Bhaskaran von der Universität Oxford.
Der neue Speicher soll Daten auch ohne Stromzufuhr jahrzehntelang bewahren können. Besonders attraktiv ist überdies seine Fähigkeit, mehrere Bits in einer einzigen, nur einige Milliardstel Meter großen Zelle zu halten (Multi-Level Memory – Mehrebenenspeicher). Anstelle der üblichen Informationswerte 0 und 1 lassen sich mehrere Zustände in einem Element sichern oder sogar eigenständige Berechnungen ausführen. Möglich machen das sogenannte Phasenübergangsmaterialien – neuartige Materialien, die ihre optischen Eigenschaften abhängig von der Anordnung der Atome ändern: Sie können in kürzester Zeit zwischen dem kristallinen (regelmäßigen) und dem amorphen (unregelmäßigen) Zustand wechseln. Für ihren Speicher verwendeten die Wissenschaftler das Phasenübergangsmaterial Ge2Sb2Te5 (GST). Mit ultrakurzen Lichtpulsen lässt sich der Wechsel von kristallin zu amorph (Daten speichern) bzw. von amorph zu kristallin (Daten löschen) auslösen. Lesen lassen sich die Daten mit schwachen Lichtpulsen.
Dauerhafte volloptische Speicher auf Chips könnten die Leistung von Computern künftig erheblich steigern und deren Energieverbrauch senken, hoffen die Forscher. Zusammen mit volloptischen Verbindungen könnten sie Latenzen reduzieren und die energieintensive Umwandlung optischer Signale in elektronische – und umgekehrt – überflüssig machen.
Ihre Entwicklung stellen die Forscher in der Zeitschrift Nature Photonics vor: Carlos Ríos, Matthias Stegmaier, Peiman Hosseini, Di Wang, Torsten Scherer, C. David Wright, Harish Bhaskaran, Wolfram H.P. Pernice: On-chip integratable all-photonic nonvolatile multi-level memory. Nature Photonics. DOI: 10.1038/nphoton.2015.182
Erst kürzlich haben auch Forscher der University of Tennessee einen Durchbruch in der Speichertechnologie vermeldet, allerdings auf einem anderen Gebiet: Ihnen ist es gelungen eine „Nano-Falle“ zu bauen, die Moleküle oder sogar Atome festhalten kann. Ihr Ergolg ist von der praktischen Anwendung jedoch noch weit entfernt. (pi/rnf)
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