Oracle hat die erste Runde im Itanium-Rechtsstreit mit Hewlett-Packard verloren. Nun droht dem Konzern eine drastische Schadenersatzforderung. [...]
Richter James Kleinberg vom Santa Clara County Superior Court in San Jose, Kalifornien, hat gestern entschieden, dass Oracle vertraglich verpflichtet ist, weiterhin Software für HP-Server mit den mittlerweile exotischen Itanium-Prozessoren von Intel zu entwickeln. Das Verfahren kann nun vor einer Geschworenen-Jury weitergehen. Dort dürfte HP von Oracle bis zu vier Milliarden Dollar Schadenersatz fordern, schreibt das „Wall Street Journal“. Oracle seinerseits will Berufung gegen Kleinbergs Entscheidung einlegen und steht weiter auf dem Standpunkt, es sei von Hewlett-Packard gelinkt worden.
Wir erinnern uns: Der Rechtsstreit geht zurück auf eine Ankündigung von Oracle vom März 2011, keine neue Versionen seiner Software mehr für die Itanium-Server von HP zu entwickeln. HP seinerseits verklagte Oracle dann einige Monate später mit der Begründung, eine Klausel aus der Einigung in einem anderen Prozess verpflichte Oracle dazu, unter anderem seine Datenbank weiter für Itanium anzubieten.
Die beiden IT-Schwergewichte waren lange enge Partner gewesen. Ihr Verhältnis verschlechterte sich aber zusehends, als Oracle im Jahr 2010 Sun Microsystems kaufte und mit dessen Server-Hardware in deutlich direktere Konkurrenz zu HP trat. Dazu kamen dann noch eine Menge persönliche Animositäten, als HP seinen CEO Mark Hurd schasste und dieser nur einen Monat später als Oracle-President bei seinem Freund Ellison unterschlüpfte. HP zerrte Hurd deswegen vor den Kadi.
Beide Firmen erzielten daraufhin einen Vergleich, und im Text genau dieser Einigung steht ein Passus darüber, dass Oracle seine Produkte auch künftig auf HP-Plattformen anbieten werde. Oracle stellt dies mittlerweile als freundliche PR-Geste dar, die ob des offensichtlich zerrütteten Verhältnisses der einstigen Partner besorgte Kunden beruhigen sollte.
Oracle gab dann trotzdem bekannt, seine Software für Itanium nicht mehr weiterzuentwickeln – Microsoft und Red Hat hatten das übrigens zuvor ebenfalls getan. Es begründete diese Entscheidung unter anderem mit internen Hinweisen vom Prozessorlieferanten Intel, dass sich Itanium seinem EOL (End of Life) nähere, was Intel freilich bestreitet. HP, dann unter Führung des erklärten Oracle-Hassers Léo Apotheker, verklagte den Ellison-Konzern schließlich wegen Vertragsbruch.
Im bisherigen Verlauf der Verhandlung wurde dann auch schon jede Menge schmutzige Wäsche gewaschen. HP behauptete, Oracle versuche, dem Unternehmen selbst auf Kosten gemeinsamer Kunden zu schaden; Oracle wiederum unterstellt, HP halte Itanium nur durch versteckte Millionenzahlungen an Intel künstlich am Leben, um seine lukrativen Support-Verträge so lange wie möglich zu melken. Richter Kleinberg verglich die Streithähne deswegen bereits mit einem Ehepaar während der Scheidung.
Dennoch kam der Richter gestern zu dem Schluss, der Vertragstext (des Vergleichs in Sachen Mark Hurd) sei „unmissverständlich“ und mache klar, dass Oracle zur Weiterentwicklung der Itanium-Software verpflichtet sei. Eine HP-Sprecherin wertete dies verständlicherweise als „einen gewaltigen Sieg für HP und seine Kunden“.
Eine Oracle-Sprecherin konterte, die Entscheidung des Gerichts ändere nichts daran, dass die fraglichen Server-Systeme vor dem Ende stünden. „Wir wissen, dass Oracle in den von HP zitierten 27 Wörtern aus einer Personalsache ohne Bezug nicht das Recht aus der Hand gegeben hat, Enscheidungen zur Plattformentwicklung zu treffen“, erklärte sie. „HPs Argumentation stellt das Konzept von ‚Partnerschaften‘ im Silicon Valley auf den Kopf.“
*Thomas Cloer ist Redakteur unserer Schwesternzeitschrift Computerwoche.
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