Oracle: Ellison verprellt 60.000 Kunden

Keine guten Nachrichten für Kunden und Partner. Der zweite Konferenz-Nachmittag auf der Oracle Open World startete mit einem Riesen-Eklat. Kann man Oracle überhaupt vertrauen? [...]

Oracle-Chef Larry Ellison ist bekannt für seine ätzenden Provokationen. Aber die Letzte ist wohl kaum zu überbieten. 60.000 Teilnehmer warten auf der Open World in San Francisco gespannt auf die Keynote des Meisters. Doch der lässt sich entschuldigen: Er müsse zum Segeln (America’s Cup). Stattdessen darf Technologiechef Thomas Kurian als Lückenbüsser einspringen, und hält exakt denselben Vortrag, den er bereits am Vormittag des Konferenztages eher uninspiriert abgespult hatte. Durch dieses kindische Verhalten hat der egozentrische Multi-Milliardär viel Porzellan zerschlagen. Denn die Währung der IT-Geschäftswelt heisst Verlässlichkeit. Kunden, Partner und Freunde des Unternehmens fragen sich: Kann man Oracle überhaupt vertrauen?

Die Vertrauensfrage wird sich zurzeit besonders Microsoft stellen. Microsoft und Oracle, das grösste und das zweitgrösste Softwarehaus der Welt, haben sich nämlich vorgenommen, ihre Kräfte zu bündeln und die Cloud gemeinsam zu erobern. Microsofts Brad Anderson priess vor der fest eingeplanten Ellison-Keynote sein Windows Azure in höchsten Tönen. Azure habe mittlerweile über eine Milliarde Kunden (wohl Anwender) und sei auf 76 Märkten der Welt präsent (als Cloud-Lösung ja nicht so schwierig).

Immerhin: Zur Microsoft-Cloud gehört neben Sharepoint, Office 365, Dynamics CRM, SQL- und Windows Server ab sofort auch die neue In-Memory-Datenbank 12c (unter Windows, Linux und Hyper-V). In einer Microsoft Live-Demo stand die 12c in der Azure-Auswahlgalerie auf prominenter Position, obwohl sie zurzeit noch im Vor-Beta-Stadium steckt und voll funktionsfähig erst 2014 auf den Markt kommen soll.

Microsoft fühlt sich offensichtlich als starker Senior-Partner und Oracle punkto Cloud überlegen. Aber Vorsicht, die Oracle-Cloud beherrscht das mittlerweile fast alles auch. Oracles Thomas Kurian stellte in seiner Keynote Infrastructure as a Service (Server und Storage), Java als PaaS-Angebot und Datenbank as a Service (Single Node oder DBMS Cluster) vor. Gut möglich, dass sich Microsoft allzu vertrauensseelig mit Oracle ein Kuckucksei ins Nest gelegt hat.

Zu denken geben sollte Redmond vor allem die riesige Business-Apps-Lösungspalette von Oracle, die sogenannten Fusion Apps, die on-premise und eben auch in der Cloud laufen. Dazu zählen Siebel CRM, JDEdwards ERP, HR- und Talend-Management, BI/Analytics, Projektmanagement-, Sales- und Marketing-Applikationen. Punkto Cloud-Business-Apps ist Oracle seinem neuen Freund Microsoft haushoch überlegen. Der Stein muss nur erst richtig ins Rollen kommen.

In einem Punkt passen beide Unternehmen jedoch sehr gut zueinander. Oracle und Microsoft gehören nicht zu den Cloud-Pionieren der ersten Stunde, die Geschäftsopportunitäten lange vor der Konkurrenz erkennen. Zu dieser Sorte Mensch gehört etwa Salesforce-Pionier Marc Benioff, der vor vielen Jahren bei Oracle den Dienst quittierte, um ein CRM aus der Cloud zu stampfen. Im Frühjahr dieses Jahres hat – nach Gartner – Salesforce Cloud CRM nach Umsatz den grossen Rivalen SAP CRM überrundet und darf sich Weltmarktführer nennen. Wenn andere erfolgreicher sind als er, ärgert das Ellison gewaltig. Oracle und Microsoft folgen abgeschlagen auf den weiteren Plätzen.

Benioff kam bereits vor drei Jahren auf die Idee, eine voll funktionsfähige Enterprise-Datenbank aus der Cloud anzubieten. Zu diesem Zeitpunkt war Ellison noch schwer in seine On-premise-Lizenzen verliebt und dachte bei Cloud eher an Schäfchenwolken. Im Backend von Benioffs Datenbank-Cloud-Service database.com werkelt jedoch, welche Ironie der Geschäftswelt, eine Oracle Datenbank 11g.

* Michael Kurzidim ist Redakteur der Schweizer Computerworld.


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