In einem Interview mit dem "IDG News Service" beantworten die CEOs von Oracle und AT&T Fragen über den größten Cloud-Deal, den Oracle bislang abschließen konnte. Tausende Datenbanken von AT&T sollen dabei in die Oracle-Cloud verlagert werden. [...]
John Donovan, CEO von AT&T und damit verantwortlich für 260.000 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von 160 Milliarden Dollar, hat sich eine Menge vorgenommen. AT&T hat damit begonnen, Tausende interne Datenbanken in die Cloud auszulagern. Oracle-CEO Mark Hurd bezeichnete die im Mai dieses Jahres bekanntgegebene Zusammenarbeit als „historisch“.
Der Telekom-Riese AT&T hat bereits hinlänglich Erfahrung mit Virtualisierung und Software-Defined Infrastructure gesammelt . Ziel ist es nun, bis zum Jahresende 55 Prozent und bis 2020 rund 75 Prozent der Kern-Netzwerkfunktionen zu virtualisieren. Die Auslagerung der Datenbanken in die Cloud soll dazu beitragen, Informationssilos aufzulösen, dadurch größere operative Effizienz zu erlangen und mehr Freiraum für das Entwickeln innovativer Produkte und Dienstleistungen zu schaffen.
Oracle gilt als Spätstarter in Sachen Cloud Computing. Auch deshalb nutzten Wettbewerber wie Amazon Web Services (AWS), Google und Microsoft die Chance, vor allem im Bereich Infrastructure as a Service (IaaS) Kunden für sich zu gewinnen. Doch im vergangenen Jahr brachte Oracle dann ein reiferes IaaS-Angebot heraus, beschleunigte die Update-Zyklen für seine SaaS-Lösungen und polierte sein Angebot „Cloud at Customer“ auf. Dabei stellt Oracle Hardware im Rechenzentrum des Kunden auf („Oracle Cloud Machine“) und verwaltet sie. So können Unternehmen ihre Daten und Anwendungen durch ihre Firewalls schützen, gleichzeitig aber die Vorteile von Cloud-Technologien in Anspruch nehmen. Dieser Aspekt war für AT&T sehr wichtig, da das Unternehmen aufgrund gesetzlicher Richtlinien besonders achtsam mit Kundendaten umgehen muss.
Unser US-Kollege Mark Ferranti, Redakteur beim IDG News Service, hatte Gelegenheit, mit Hurd und Donovan zu sprechen. Wir geben das Gespräch zwischen Mark Hurd, John Donovan und Ferranti in Auszügen wieder.
Für Ihr Abkommen haben Sie den Begriff „Collaboration“ genutzt – in welchem Sinne handelt es sich hier um echte Zusammenarbeit?
Donovan: In diesem Fall haben wir nichts von der Stange gekauft. Wir haben auch nicht darauf geachtet, auf welchem Stand der Dinge Oracle war. Wir haben uns auf das fokussiert, was wir als Unternehmen erreichen wollen und auf die Arbeit, die auf uns zukommt.
Erst danach haben wir uns mit der Evolution und der Struktur von Oracles Cloud-Strategie befasst. Oracle wird unsere besonderen Bedürfnisse adressieren: Wie lässt sich eine riesige Datenbank zerlegen und regional aufteilen, so dass man sehr viel schneller als bisher die Anwendungen verändern kann, die diese Daten nutzen.
Das verändert bei uns die Art, wie wir arbeiten, fundamental. Wir müssen unsere Energie und Zeit nicht mehr mit der Frage verschwenden, wie wir jede einzelne dieser 40.000 Datenbanken in die neue Architektur überführen können. Wir haben ein wirtschaftliches und technisches Konstrukt geschaffen, das es meinem Team erlaubt, sich allein darauf zu konzentrieren, wie wir Aufgaben erledigen wollen, und nicht immer aufs Neue die Grundsatzfragen zu stellen, mit welcher Technologie und welchem Anbieter wir arbeiten wollen.
Dabei haben wir uns an einem Punkt getroffen, an dem auch Oracle vor Veränderungen stand. Sie mussten eine Weltklasse-Roadmap erstellen, um ein extrem großes Unternehmen mit stationären Datenbanken in die Cloud überführen zu können. So definiert sich diese Collaboration.
Musste Oracle seine zugrundeliegende IaaS- oder PaaS-Infrastruktur ändern, um den Deal stemmen zu können?
Mark Hurd: Wir haben ja unsere gesamten Technologien, einschließlich der Datenbanken, für die Cloud ohnehin umgeschrieben. Um John Donovans Punkt zu ergänzen: Auch wir haben im Zuge dieser Zusammenarbeit etwas ganz Neues gemacht, was wohl einmalig war.
Wir haben Dinge, die wir sonst in der Public Cloud machen, auf AT&T übertragen, etwa im Bereich der Patching- und Managing-Prozesse. Darüber hinaus haben wir ein gemeinsames Team zusammengestellt, das viele dieser Legacy-Datenbanken in eine moderne Datenbank-Architektur überführt. Was wir für AT&T tun, betrifft also sowohl Forschung und Produktentwicklung als auch etliche Besonderheiten nur für den Kunden.
Werden die Datenbanken in die Public Cloud oder in das Cloud-at-Customer-Angebot überführt? Oder ist es eine Kombination aus beidem?
Donovan: Bestimmte Daten müssen bei uns bleiben, andere können in die Public Cloud ausgelagert und als externer Service in Anspruch genommen werden. Mit den neuen Datenbanken haben wir uns natürlich auch mit unseren Applikationen auseinandergesetzt – und in dem Zusammenhang mit neuen Optionen, die sich durch künstliche Intelligenz und Machine Learning ergeben.
Manche Daten können in die Cloud ausgelagert werden, manche nicht. Wir sind zufrieden mit der Situation, dass wir On-Premise- und Public-Cloud-Daten trennen können. Die Daten sind zu jeder Zeit sicher: egal, ob sie gerade genutzt werden oder nicht, ob sie in unserem Data Center liegen oder in der Oracle-Cloud.
Hurd: Das ist eine gute Beschreibung der Vorteile von Cloud at Customer: Sie haben praktisch die gleiche Version unserer Public Cloud als Customer Cloud, so dass wir die Daten nach Wunsch hin- und herbewegen können. So können wir dem Kunden alle Cloud-Vorteile zur Verfügung stellen und die Daten problemlos verwalten.
Ein weiterer Punkt, den John bereits angesprochen hat und den ich für sehr interessant halte, ist die Tatsache, dass wir nun die richtige Plattform für alle modernen Anwendungen geschaffen haben, so dass auf Basis dieser Infrastruktur fortschrittliche Technologien wie KI und Analytics einfach genutzt werden können.
Sie haben angedeutet, dass die verlässliche Abstimmung untereinander wichtig war. Können Sie das näher erläutern?
Donovan: Es war eine große Erleichterung für uns, dass wir unsere Datenbanken mit mehr als acht Terabyte einfach nehmen und sinnvoll verteilen konnten. Dabei mussten wir uns keine Gedanken über Strukturen, Roadmaps oder den Verwaltungsprozesse machen. Für mich persönlich war das gegenseitige Vertrauen enorm wichtig in dieser Zusammenarbeit.
Hurd: Ich würde dem noch hinzufügen, dass sich AT&T von der Größenordnung her in einer extremen Dimension bewegt. John nannte mir eine Statistik, nach der diese Datenbanken einen Großteil der Firmendaten ausmachen. Diese zu modernisieren ist ein gewaltiges Vorhaben. Für uns ist das Projekt, unabhängig von der Größe, strategisch, weil es Aufgaben betrifft, die die meisten unserer Kunden vor Augen haben.
Vielleicht haben Sie keine Datenbanken mit einer Größe von acht Terabyte, aber letztendlich sehen sie sich mit demselben Problem konfrontiert. Mit diesem Projekt können wir einen enormen Referenzfall schaffen und dabei noch in unseren gemeinsamen Teams eine Menge Skills aufbauen. Worauf ich hinaus will, ist, dass das hier mehr als nur ein Deal ist. Das ist eine langfristige Beziehung, die sich nicht nur, wie John beschrieben hat, strategisch auf AT&T auswirken wird, sondern auf den gesamten Markt.
Technologie ist für AT&T nur die eine Seite des Change-Prozesses. Sie müssen auch über ihre betrieblichen Prozesse nachdenken. Wie bewältigen Sie diesen kulturellen Wandel?
Donovan: Wir reden hier von zehntausenden Angestellten, bei denen wir neue Skills aufbauen müssen. Der Druck war groß, wir mussten einfach anfangen und einen Plan für den kulturellen Wandel entwickeln. Rund 60.000 unserer Mitarbeiter haben bereits erfolgreich Kompetenz aufgebaut.
Wir hatten mehr als zwei Millionen Stunden an absolvierten Trainingskursen. Zweieinhalb Millionen Kurse wurden abgeschlossen und die Mitarbeiter bewegen sich nun zu Tausenden von Skill A nach Skill B. Skill B bedeutet, einen zukunftssicheren Job zu haben, den es für eine ganze Weile geben wird. Unsere Mitarbeiter haben verstanden, dass die Bereitschaft zum Change ihrer Karriere guttun wird. Mit der Zunahme an Kompetenz steigt der Enthusiasmus unter den Mitarbeitern.
Was sagen andere Oracle-Kunden über die Herausforderungen, die mit so einem Umbau einhergehen?
Hurd: Viele Kunden haben verschiedene Oracle-Datenbanken in unterschiedlichen Versionen im Einsatz. Die genutzten Features unterscheiden sich, ebenso die Größenordnungen der Implementierungen. Für etwas theoretisch Einfaches wie die Standardisierung von Security-Vorrichtungen brauchen unsere On-premise-Kunden bis zu 14 Monate, bis sie die Patches ausgespielt haben. Sie werden sagen; Das klingt verrückt, warum hinken die so weit hinterher? Ich sage Ihnen warum: Es ist wirklich nicht einfach! Verschiedene Datenbankversionen laufen auf verschiedenen Betriebssystemen und Hardwaresystemen. Alle müssen der Reihe nach gepatcht werden. Das Problem verschwindet in einem Vorhaben, wie AT&T und wir es umsetzen.
Wie misst AT&T den Erfolg bei der Transformation? Auf welche besonderen Metriken verlassen Sie sich dabei?
Donovan: Es geht um alle Faktoren: Zeit, Kosten und Qualität. Wir messen auf zweierlei Art: Projekte, die in weniger als sechs Monaten erfolgreich abgeschlossen wurden und Projekte, die innerhalb eines Jahres abgeschlossen wurden – diese Zahlen sind stark angestiegen.
Darüber hinaus messen wir, wie schnell sich der Anteil unserer Codebasis vergrößert, den wir monatlich oder zweiwöchentlich bearbeiten können und nicht mehr nur im Rahmen eines großen, langfristig angelegten Release-Plans. Wir wollen uns dem Ziel nähern, Dinge in Echtzeit anpassen zu können. Dabei nähern wir uns von dreimal jährlich zu monatlich, zu zweiwöchentlich und schließlich zu wöchentlich.
Je mehr Zeit benötigt wird, umso mehr Meetings fallen an und umso mehr Kosten entstehen. Zeit ist ein besonders wichtiger wirtschaftlicher Aspekt. Bekommt man ihn in den Griff, sinken die Kosten und man muss sich nur noch um einen hohen Qualitätsstandard kümmern.
Können Sie etwas mehr darüber erzählen, wie AT & T und Oracle diese Veränderungen orchestrieren? Wir arbeiten Sie zusammen?
Donovan: Man beginnt mit Datenbank eins und endet mit Datenbank 40.000. Da gibt es keine echte Abkürzung. Man braucht einen gemeinsamen Arbeitsplan, der über ein paar Jahre Bestand hat. Wenn wir gut sind, haben wir möglichst bald jeden einzelnen Problemfall gehabt und können nach und nach immer mehr Low-hanging fruits ernten.
Mit der Zeit werden wir schlauer und besser. Wenn wir in einer Sache nicht weiter wissen, helfen wir uns gegenseitig. Die Mitarbeiter von Oracle versorgen das Team mit Tools und Prozessen, so dass die Datenbanken nach und nach schneller und kostengünstiger übertragen werden können. Letztendlich werden wir uns durch alle 40.000 Datenbänke durchkämpfen. Das wird ein paar Jahre dauern, aber wir sind Spezialisten, was derlei Großprojekte angeht. Zudem haben wir ein Zeitfenster gesetzt, das zwar klein ist, aber dennoch machbar.
Hurd: In unserem gemeinsamen Team trägt niemand mehr ein Schildchen, auf dem AT&T oder Oracle steht. Es folgt der gemeinsamen Mission, die Infrastruktur zu integrieren und zu modernisieren. Mit jedem Datensatz werden wir besser. Wir werden uns damit ein unglaubliches Fachwissen aufbauen.
Ich weiß nicht, wie viel Prozent der Daten in diesem Land im Besitz von großen Unternehmen sind, aber mit Sicherheit liegt ein hoher Anteil in einer Oracle-Datenbank. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse werden nicht nur AT&T und Oracle, sondern allen Kunden zugute kommen.
Wenn wir also sechs, sieben oder acht Jahre in die Zukunft schauen, wird es eine Menge Softwareentwickler dort draußen geben, die bei diesem Projekt dabei waren und jetzt in verschiedenen Unternehmen arbeiten.
Wie wird sich das Projekt auf die Endkunden von AT&T auswirken?
Donovan: Nehmen Sie das Personalmanagement in unserem Versand. Wir haben 70.000 Lkw, die wir jeden Tag abfertigen. Eine der größten Flotten in Amerika Wir brauchen derzeit Tausende von Mitarbeiter in der Verwaltung, um unsere Kunden beliefern zu können.
Wenn wir schnell und flink sind, können wir abends die Versandstrategien ändern und bereits am nächsten Morgen umsetzen. Wir müssen nicht mehr nur darüber nachdenken, was wir gestern getan haben, um schlauer zu werden, wir können dazu Daten von Drittanbietern heranziehen und einbringen. Unsere Präzision wird besser, die Effizienz nimmt zu.
Wir hoffen, dass wir von manchmal vierstündigen zu maximal einstündigen Terminen wechseln können. Das hätte einen großen Einfluss, denn die meisten Anrufer in unseren Call-Centern fragen: „Wo bleibt mein Techniker?“ Es geht ja eigentlich gar nicht nur darum, dass die Datenbanken ausgelagert werden. Es geht dabei um die Tatsache, dass wir die Datenbanken und die Applikationen in Verbindung mit Machine Learning und Artificial Intelligence besser nutzen. Was wir gestern gelernt haben, können wir heute schon umsetzen – und das in einer sehr großen Organisation.
Wollen Sie in erster Linie ein datengetriebenes, schlaueres Unternehmen sein oder steht die Effizienz im Vordergrund ihres Projekts?
Donovan: Da gibt es drei Dinge. Wir wollen unsere Daten befreien, um sie für mehr Menschen nutzbar zu machen. Außerdem glauben wir, dass wir in der Lage sein werden, Innovationen viel schneller umzusetzen Und schließlich wollen wir unsere Daten als ein werthaltiges Produkt nutzen – uns also von einem Daten generierenden zu einem Daten-getriebenen Unternehmen entwickeln. Das ist ein großer Unterschied.
* Marc Ferranti ist Redakteur beim IDG News Service.
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