Wie die TU Wien mitteilte, ist der österreichische Computerpionier Heinz Zemanek, der in den 1950er Jahren einen der ersten mit Transistoren betriebenen Computer baute – das legendäre "Mailüfterl" – und später unter anderem Programmiersprachen mitentwickelte, am 16. Juli 2014 im Alter von 94 Jahren in Wien verstorben. [...]
Dass Österreich einen Platz in der frühen Geschichte der Computertechnik einnimmt, ist ganz maßgeblich Prof. Zemanek zu verdanken: Er forschte an der TU Wien und später auch in dem von ihm aufgebauten Wiener IBM Labor. Mit seiner Alma Mater und dem auf seine Initiative hin gegründeten Institut für Computertechnik blieb er bis zu seinem Tod eng verbunden. Sechzig Jahre lang – von 1947 bis 2007 – hielt er an der TU Wien Vorlesungen.
Heinz Zemanek studierte auch an der TU Wien und schloss sein Studium 1944 mit der Diplomarbeit „Über die Erzeugung von kurzen Impulsen aus einer Sinusschwingung“ ab. Von 1947 bis 1961 arbeitete er an der TU Wien. Während dieser Zeit promovierte er (1950) und habilitierte sich schließlich 1958. Zemanek sah sich selbst nicht in erster Linie als Theoretiker, sondern als Mann der Praxis: Unter seiner Führung wurde an der TU Wien von Mai 1956 bis Mai 1958 das „Mailüfterl“ gebaut – einer der weltweit ersten Computer, die nicht mit Röhren, sondern ausschließlich mit Transistoren arbeiteten.
DAS MAILÜFTERL
Der Name „Mailüfterl“ wurde von Zemanek in Anspielung auf die amerikanischen Röhrenrechner dieser Zeit gewählt, die Namen wie „Taifun“ oder „Whirlwind“ trugen. Der Wiener Rechner werde nicht deren Geschwindigkeit erreichen, meinte Zemanek, doch „für ein Mailüfterl werde es reichen.“
„Elektronenröhren durch Transistoren zu ersetzen war ein wesentlicher Schritt der Miniaturisierung der Elektronik“, sagt Prof. Richard Eier, der damals als Student im Team von Heinz Zemanek arbeitete. „Diese Miniaturisierung hat sich dann bis heute fortgesetzt und ermöglicht die Computerleistung, die wir heute täglich nutzen.“ Das transistorbasierte Mailüfterl war nicht nur kleiner als die damaligen Röhrenrechner, es benötigte auch viel weniger Strom und kam daher ohne Klimaanlage aus. Transistoren in ausreichender Anzahl für den Bau eines frei programmierbaren Computers zu einem erschwinglichen Preis zu bekommen, war damals gar nicht einfach. Die notwendigen 3000 Transistoren erhielt das Team der TU Wien von der Firma Philips als Geschenk. Eigentlich war dieser Transistortyp für Hörgeräte gedacht – doch auch für elektronische Schaltungen waren sie bestens geeignet.
Das Mailüfterl war frei programmierbar und damit äußerst flexibel. Man konnte es für einfache mathematische Operationen nutzen, etwa für die Berechnung von Primzahlen, doch auch ungewöhnlichere Algorithmen liefen auf dem Mailüfterl: „Es wurde an einen Frequenzgenerator gekoppelt, um vom Computer berechnete Zwölftonreihen abzuspielen“, erinnert sich Richard Eier. „Sobald es halbwegs harmonisch klang, wusste man: Da ist ein Fehler passiert.“
Heute steht das Mailüfterl im Technischen Museum in Wien. Die Smartphones, mit denen es von Museumsgästen abfotographiert wird, übertreffen es an Rechenleistung heute deutlich. Doch die wissenschaftshistorische Bedeutung des ersten großen Wiener Computers lässt sich nicht bestreiten.
VON DER TU ZU IBM
IBM kaufte der Republik Österreich das an der TU Wien gebauten Mailüfterl ab und übernahm wesentliche Teile der Technik für die Entwicklung des ab 1964 sehr erfolgreichen 360er-Rechners. In Wien stellten sie Zemanek ein eigenes Labor zur Verfügung, wo er sich in weiterer Folge vor allem auf Programmiersprachen konzentrierte. Die „Vienna Definition Language“ (VDL) und die „Vienna Development Method“ erlangten in den 1970er Jahren internationale Bedeutung.
1976 wurde Zemanek vom damaligen Computerriesen zum IBM-Fellow ernannt und hatte dadurch die Möglichkeit, seine Aufgaben völlig frei zu wählen. 1964 wurde Zemanek an der TU Wien zum außerordentlichen Professor ernannt, 1983 zum ordentlichen Professor berufen. Mitte der 80er Jahre trat Zemanek in den Ruhestand – allerdings nur formal. Seinen Enthusiasmus für Forschung und Lehre behielt er bis ins hohe Alter. Zemanek hinterlässt ein wissenschaftliches Werk aus rund 500 Aufsätzen und sieben Büchern, darunter etwa „Weltmacht Computer“ (1991) oder „Vom Mailüfterl zum Internet“ (2001).
MEHRFACH AUSGEZEICHNET
Zemanek war Gründungspräsident der Österreichischen Computer Gesellschaft, die seit 1985 auch den „Heinz Zemanek-Preis“ alljährlich vergibt, Präsident der International Federation for Information Processing (1971-1974), Mitglied der Akademie der Wissenschaften, korrespondierendes Mitglied der Königlich Spanischen Akademie der Wissenschaften, Ehrenmitglied der Wiener Gesellschaft für die Geschichte der Technik, korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und ordentliches Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste.
Zemanek wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Er erhielt unter anderem den Kardinal Innitzer-Preis, das Große Verdienstzeichen der Republik Österreich, die Leonardo Da Vinci Medaille der European Society for the Education of Engineers, die Prechtl Medaille der TU Wien, die Kompfner-Medaille der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien, die IEEE Computer Pioneer Medal, die Oscar-von-Miller-Plakette in Bronze des Deutschen Museums in München sowie die JOHN-VON-NEUMANN-Medaille der ungarischen John-von-Neumann Gesellschaft für Computerwissenschaften. (pi)
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