Pandemie beschleunigt Digitalisierung und bedroht Unternehmen

Es hat sich mittlerweile herumgesprochen: Die Corona-Pandemie ist ein Digitalisierungsbeschleuniger. Doch was für die einen Unternehmen die Chance für neue Geschäftsfelder verheißt, bedeutet für andere einen schweren Kampf oder gar den Untergang. [...]

Für ein digitalisiertes Unternehmen ist die Umstellung auf Homeoffice kein Problem. (c) Gerd Altmann / Pixabay
Für ein digitalisiertes Unternehmen ist die Umstellung auf Homeoffice kein Problem. (c) Gerd Altmann / Pixabay

Es sind herausfordernde Zeiten, die wir gerade durchmachen: eine weltweite Pandemie, ein ziemlich sicher noch gefährlicherer Klimawandel und weltpolitische Veränderungen, die vor wenigen Jahren undenkbar waren. Eine Disruption jagt die andere. Wirtschaftstreibende haben es insbesondere in der Pandemie mit ihren sich laufend ändernden Rahmenbedingungen wahrlich nicht leicht. Die gute Nachricht dabei: Corona verleiht der Wirtschaft einen Digitaliserungsschub, wie wir ihn noch vor einem Jahr in so kurzer Zeit nicht für möglich gehalten hätten. Die schlechte Nachricht: Das werden viele Unternehmen nicht überleben.

Um die Sachlage besser einschätzen zu können, lohnt ein Blick über die Grenze nach Deutschland. Dort hat der deutsche Digitalverband Bitkom eine für die Gesamtwirtschaft repräsentative Umfrage unter 605 Unternehmen mit 20 oder mehr Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen durchgeführt. Trotz aller Unterschiede zwischen der deutschen und der österreichischen Wirtschaft können die gewonnenen Erkenntnisse auch auf österreichische Betriebe umgelegt werden. Bitkom-Präsident Achim Berg fasst die Umfrageergebnisse wie folgt zusammen: „Die gute Nachricht ist: Die Unternehmen wollen etwas tun und die Digitalisierung vorantreiben. Die schlechte Nachricht: Längst nicht alle sind dazu in der Lage.“

Digitalisierte Unternehmen sind resilienter

Mehr als 8 von 10 Unternehmen (84 Prozent) geben an, dass durch die Corona-Pandemie die Digitalisierung für das eigene Unternehmen an Bedeutung gewonnen hat. 86 Prozent sagen dies für die gesamte Wirtschaft. Zugleich glaubt keiner der Befragten, dass die Digitalisierung für das eigene Unternehmen oder die Wirtschaft durch die Pandemie an Bedeutung verloren hat. Ein Rekordwert von 97 Prozent der Unternehmen sieht im November die Digitalisierung vor allem als Chance für das eigene Unternehmen, im April lag der Wert mit 90 Prozent noch deutlich darunter. Und 7 von 10 (70 Prozent) meinen, dass Unternehmen, deren Geschäftsmodell bereits digitalisiert ist, besser durch die Corona-Pandemie kommen. „Unternehmen lassen sich über Corona hinaus gegen Krisen immunisieren, indem sie konsequent digital aufgestellt werden“, so Berg. 54 Prozent der Unternehmen geben an, dass ihnen digitale Technologien helfen, die Pandemie zu bewältigen. Also alles gut? Mitnichten.

Jedes dritte Unternehmen befürchtet eine Insolvenz in Folge der Pandemie

Wie auch in Österreich hat die Corona-Pandemie die deutsche Wirtschaft hart getroffen. Bei weitem nicht jedes Unternehmens bereits duschdigitalisiert oder in einem Maße digitalisiert, wie es die jetzige Situation erfordert. Zwei Drittel (69 Prozent) der Unternehmen sind nach eigenen Angaben bisher „sehr schlecht“ (40 Prozent) oder „eher schlecht“ (29 Prozent) durch die Krise gekommen. Nur 29 Prozent sind mit Blick auf Corona hingegen „eher gut“ (20 Prozent) oder „sehr gut“ (9 Prozent) unterwegs. 6 von 10 (61 Prozent) Unternehmen erwarten, am Ende „eher geschwächt“ (32 Prozent) oder „deutlich geschwächt“ (29 Prozent) dazustehen. Nur 11 Prozent erwarten „eher gestärkt“ (7 Prozent) oder „deutlich gestärkt“ (4 Prozent) aus der Krise hervorzugehen. Und rund jedes dritte Unternehmen (32 Prozent) hält es sogar für „eher wahrscheinlich“ (20 Prozent) oder „sehr wahrscheinlich“ (12 Prozent), dass es in direkter Folge der Corona-Pandemie Insolvenz anmelden muss.

Jeder Vierte sieht sich als Vorreiter bei der Digitalisierung

Die verstärkte Beschäftigung mit der Digitalisierung im Zuge der Corona-Pandemie hat aber zugleich dazu geführt, dass deren Stand im eigenen Unternehmen deutlich kritischer (oder realistischer?) eingeschätzt wird. So sieht sich nur noch rund jeder Vierte (27 Prozent) als Vorreiter bei der Digitalisierung. Im April lag der Wert noch bei 36 Prozent, 2019 sogar bei 39 Prozent. Umgekehrt räumen aktuell 71 Prozent ein, zu den Nachzüglern zu gehören – verglichen mit 60 Prozent im April und 55 Prozent vor einem Jahr. Gefragt nach einer Bewertung des Digitalisierungsstandes auf einer Schulnoten-Skala geben die Manager ihrem Unternehmen ein „befriedigend“ (3,4). Achim Berg konstatiert dementsprechend viel Selbstkritik der Unternehmen beim Blick auf die Digitalisierung. Daraus dürfe jetzt aber auf keinen Fall Resignation folgen, sondern das müsse als als Weckruf an die Arbeit zu gehen verstanden werden, so der Bitkom-Präsident. Klar ist, dass Corona die Digitalisierung in den Unternehmen voranbringen wird. 61 Prozent erwarten ganz allgemein einen Innovationsschub. Etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) rechnet damit, dass die Corona-Pandemie die Digitalisierung im Unternehmen langfristig vorantreiben wird.

Unternehmen ergreifen zahlreiche konkrete Digitalisierungsmaßnahmen

Es sind vor allem drei Bereiche, in denen Unternehmen Digitalisierungsmaßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie setzen: Bei der Technologie, bei Geschäftsprozessen und bei den Mitarbeitern. 75 Prozent haben neue Software angeschafft oder planen dies, 70 Prozent haben Hardware wie Laptops oder Smartphones gekauft oder haben dies vor und 58 Prozent haben eine digitale Infrastruktur wie VPN-Zugänge oder ein Intranet aufgebaut oder planen dies. Ziel dieser Investitionen ist es, die Prozesse im Unternehmen zu digitalisieren. 81 Prozent der Unternehmen nutzen seit der Corona-Pandemie Videokonferenzen statt persönlicher Treffen oder planen dies, 79 Prozent digitale Kollaborationstools wie Microsoft Teams oder Slack. Jeweils 63 Prozent setzen auf digitale Dokumente statt Papier und digitale Signaturen, 38 Prozent haben Beratungsleistungen zur Digitalisierung in Anspruch genommen. Mit Blick auf die Mitarbeiter haben 70 Prozent Homeoffice eingeführt oder haben das noch vor, 43 Prozent geben dies für digitale Weiterbildung an, 35 Prozent für die Digitalisierung des Recruitings von neuen Mitarbeitern und 23 Prozent haben digitale Mitarbeiterevents durchgeführt oder haben das noch vor. 9 Prozent haben darüber hinaus Digitalisierungsexperten eingestellt oder wollen dies tun. „Alle befragten Unternehmen haben irgendetwas unternommen, um selbst digitaler zu werden“, so Berg. „Erfolg entsteht aus einer Kombination von der Einführung neuer Technologien, der Digitalisierung der eigenen Prozesse und insbesondere der Qualifizierung der Mitarbeiter.“

Wichtigste Ziele all dieser Maßnahmen sind der Studie zufolge gleichermaßen, die Arbeitsfähigkeit des eigenen Unternehmens in der Krise sicherzustellen (96 Prozent) und besser auf künftige Krisen vorbereitet zu sein (96 Prozent). Darüber hinaus wollen aber 6 von 10 Unternehmen (59 Prozent) die Krise auch nutzen, um Versäumnisse bei der Digitalisierung des Unternehmens aufzuholen. Und fast jedes Zweite (46 Prozent) plant, das eigene Unternehmen nachhaltig zu digitalisieren, um sich so neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Digitalisierungshemmnisse: Zuwenig Geld und fehlende Lösungen

Die größte Hürde für die Unternehmen bei der Digitalisierung ist der Datenschutz (69 Prozent). Dahinter folgen Anforderungen an die technische Sicherheit (58 Prozent) und fehlende Fachkräfte (55 Prozent). Verglichen mit früheren Befragungen werden deutlich häufiger fehlende finanzielle Mittel genannt. Aktuell gilt das in 43 Prozent der Unternehmen als eine der größten Hürden, im April waren es nur 25 Prozent, 2019 sogar nur 20 Prozent. Unverändert verglichen mit dem April nennen 33 Prozent fehlende Zeit. Deutlich häufiger ist dagegen die Klage über die fehlende Verfügbarkeit marktfähiger Lösungen, die von 30 Prozent geäußert wird, im April waren es nur 18 Prozent (2019: 17 Prozent). Berg: „In vielen Bereichen, etwa zur Kollaboration oder für Videokonferenzen gibt es eine Vielzahl sofort einsatzfähiger Lösungen. Wer aber zum Beispiel eine Messe aus der analogen Welt in die digitale überführen will, stellt fest, dass es in einigen Bereichen an wirklich breit nutzbaren digitalen Anwendungen fehlt. Hier bietet sich innovativen Anbietern ein neuer, großer Markt.“

Manche Unternehmen investieren mehr, andere müssen Investitionen zurückfahren

Bei der verstärkten Digitalisierung kommen allerdings nicht alle Unternehmen gleichermaßen mit. So geben zwar 43 Prozent an, dass sich ihre Investitionen in die Digitalisierung seit Corona „stark erhöht“ (11 Prozent) oder „eher erhöht“ (32 Prozent) haben. Umgekehrt beklagen aber 30 Prozent, dass die Ausgaben „eher gesunken“ (27 Prozent) oder „stark gesunken“ (3 Prozent) sind. Dabei gibt es deutliche Unterschiede je nach Unternehmensgröße. Nur 10 Prozent der Unternehmen mit 20 bis 99 Mitarbeitern und 13 Prozent der Unternehmen mit 100 bis 499 Mitarbeitern haben ihre Investitionen stark erhöht. Bei den Unternehmen mit 500 bis 1.999 Mitarbeitern sind es aber 24 Prozent, bei denen ab 2.000 Mitarbeitern 22 Prozent. Berg: „Es besteht die Gefahr, dass der Digitalisierungsschub durch Corona zu einer noch tieferen Spaltung in der deutschen Wirtschaft führt: In Unternehmen, die weitgehend im Analogen verharren, und in Unternehmen, die bei der Digitalisierung mit Tempo vorangehen.“ Im Klartext: Nicht alle Unternehmen können mit den Digitalisierungsanforderungen mithalten!

Die Unternehmen, die ihre Investitionen in Digitalisierung seit Beginn der Corona-Pandemie zurückfahren mussten, haben dafür eine Vielzahl von Gründen. Ganz oben stehen fehlende finanzielle Mittel durch die Folgen der Corona-Pandemie (66 Prozent). Ähnlich viele geben an, dass wegen des ersten Lockdowns Projekte verschoben oder andere Prioritäten gesetzt werden mussten, weil die Existenz des Unternehmens gefährdet war (je 59 Prozent). Ebenfalls eine Mehrheit beklagt fehlende fachliche Expertise (54 Prozent) und fehlende Zeit für Digitalisierungsmaßnahmen in der Pandemie (52 Prozent). Jeder Zweite (50 Prozent) hatte nicht die personellen Ressourcen für Digitalisierung in der Krise. Die deutsche Politik habe in der Corona-Krise rasch gehandelt und eine Vielzahl von Hilfsmaßnahmen für die Unternehmen auf den Weg gebracht, lobt Berg die Regierung. Für die Zukunft fordert er aber: „Künftig sollten Mittel vor allem in Digitalisierungsprojekte investiert werden. Zugleich müssen wir Kooperationen zwischen den Unternehmen verstärken. Wir brauchen den Austausch von Digitalisierungs-Knowhow und müssen Leuchtturm-Projekte und erfolgreiche Praxisbeispiele noch viel sichtbarer machen.“

Online-Konferenz: Digital Transformation Week

Wie Digitalisierung gelingen kann, will der Bitkom vom 23. bis 27. November auf der Digital Transformation Week zeigen. Bei der fünftägigen Online-Konferenz dreht sich alles um die Digitalisierung, dabei ist jeder Tageinem anderen Kernbereich der Wirtschaft gewidmet, nämlich: Gesundheit, Mobilität, Energie, Landwirtschaft und Handel. Die Teilnahme ist kostenlos und sicher auch für österreichische Wirtschaftstreibende interessant. Nähere Infos dazu gibt es unter transformation-week.de.

Mit bereits über16.000 Anmeldungen ist die Digital Transformation Week bereits in ihrem ersten Jahr eine der größten Digitalkonferenzen im deutschsprachigen Raum.

„Die Corona-Pandemie hat uns eines gezeigt: Wir müssen aufhören, immer nur von Digitalisierung zu sprechen, wir müssen Digitalisierung machen – und zwar schnell, konsequent und in allen Bereichen“, bringt es Achim Berg auf den Punkt. „Da sind die Unternehmen selbst gefordert und die Politik muss in allen Bereichen entschiedener aktiv werden, von der öffentlichen Verwaltung bis zu den Schulen.“ In dieser Allgemeinheit formuliert trifft diese Aussage nicht nur auf Deutschland zu, sondern ist auch für Österreich gültig. Aber natürlich: Für manche Unternehmen ist das ein schwer zu stemmender Kraftakt. Aber jetzt ist die Zeit zu handeln!


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