Pay As You Go? 11 Gründe gegen die Cloud

Für Softwareentwickler und IT wird mit einem Pay-As-You-Go-Cloud-Modell als Self-Service ein Traum wahr. Bis die Rechnung aufschlägt. [...]

Cloud als Minusgeschäft? Das geht schneller als Sie denken (c) pixabay.com

Als die ersten Cloud-Preislisten in den Unternehmen studiert wurden, reagierten viele wie Kinder im Süßigkeitenladen: Wenn die Preise niedrig genug sind, gibt es keinen Anlass, stundenlang über Vor- und Nachteile zu sinnieren. Was könnte man auch falsch machen, wenn der Preis gegen Null geht?

Diese Zeiten sind lange vorbei. Inzwischen sind schwierige Meetings mit den Erbsenzählern absolviert, die die monatliche Cloud-Rechnung erhalten und regelmäßig Alarm geschlagen haben. Die Preise sind zwar niedrig, summieren sich aber. Gibt es einen Ausweg? Was können wir tun? Gibt es einen geheimen Hebel?

Netflix ist möglicherweise das beste Beispiel für ein Unternehmen, das in der Cloud erfolgreich ist. Jeden Freitag- und Samstagabend steigt die Nachfrage beim Streaming-Dienstleister sprunghaft an, da die Menschen sich nach Entspannung sehnen. Um dem Ansturm gerecht zu werden, bucht das Unternehmen Tausende von neuen Cloud-Instanzen – und gibt sie einige Stunden später wieder auf. Eine Woche hat 168 Stunden, aber Netflix bezahlt nur für die wenigen Stunden, die ihre Kunden benötigen.

Leider können nicht alle Unternehmen mit solchen nahezu verbindlichen Peaks planen. Wenn Ihre Instanzen rund um die Uhr laufen müssen, büßt das Cloud-Modell Vorteile ein – der Preis kann trotz Rabatten in die Höhe schießen. Der folgenden 11 Gründe gegen die Cloud sollten Sie sich bewusst sein.

1. Schwer zu trennen

Wenn Sie einen Server kaufen, gehört er Ihnen und Sie tragen sämtliche Kosten. Wenn Sie einen Server teilen möchten, müssen Sie auch Ressourcen-Sharing betreiben. Die Kosten gerecht aufzuteilen, funktioniert höchstens im Restaurant – und selbst dabei verärgert man regelmäßig diejenigen, die keine alkoholischen Getränke bestellt haben.

Der Versuch, die Cloud-Kosten akkurat zu bestimmen, ist für einen „Gebrauchsgegenstand“ überraschend diffizil. Sollte es zur „Hauptsendezeit“ dasselbe kosten wie die Berechnungen, die im Hintergrund laufen und unterbrochen und verschoben werden können? Was ist, wenn das Energieversorgungsunternehmen nachts oder an Tagen, an denen die Solarmodule voll sind, weniger berechnet? Was ist, wenn der eine Kunde auf Service Level Agreements besteht, der andere Ausfallzeiten ganz entspannt auf sich zukommen lässt?

Die Cloud-Unternehmen haben versucht, einen Preis anzusetzen, der niedrig genug ist, um Kundenaufmerksamkeit zu ziehen, aber hoch genug, um eine angemessene Gewinnspanne zu gewährleisten. Dabei haben sie einen Weg gefunden, die Kosten für eine Cloud-Instanz in viele dünne Scheiben zu schneiden – ohne diese tatsächlich differenziert zu betrachten.

2. Verbrauchsanregung

Einige Mathematiker befassen sich gerne mit dem Banach-Tarski-Paradoxon, das besagt, dass sich eine Kugel in mehrere Dimensionen so zerteilen lässt, dass sich diese Einzelteile zu zwei Kugeln mit dem demselben Durchmesser der Ursprungskugel zusammensetzen lassen. Diese Annahme macht natürlich ausschließlich in den Unterwelten der mathematischen Theorie Sinn – manchmal fühlt es sich aber so an, als würde in Sachen Cloud dasselbe Paradoxon angewandt.

Der derzeit angesagte, architektonische Entwicklungsansatz teilt Ihre große Applikation in Dutzende oder gar Hunderte verschiedener Services auf, die in mehreren Containern mehrmals ausgeführt werden. Das alles wird dann per Kubernetes zusammengeführt. Die gute Nachricht dabei: Wenn die Last steigt, kauft Kubernetes neue Instanzen. Die schlechte: Kein Mensch kann wirklich nachvollziehen, wie viele Container oder Instanzen zu einer bestimmten Zeit laufen. Ein klareres Bild zeichnet sich erst, wenn die Rechnung kommt. So kann es dazu kommen, dass eine kleine Applikation, die früher auf einem Server lief, heute Rechnungen verursacht, die ihr Volumen vervielfacht.

3. Kostenlos kann teuer werden

Kostenlos liebt jeder – und Entwicklern die Möglichkeit zu geben, Ihr Produkt umsonst auszuprobieren, ist die beste Form des Marketings. Irgendwann kommt jedoch der Zeitpunkt, an dem bezahlt werden muss. Zwar sind das im Fall der Cloud oft nur ein paar Cent – aber der prozentuale Anstieg ist gewaltig.

Der ganze kostenlose „Spaß“ macht es Entwicklern zudem schwer, die tatsächlichen Kosten einzuschätzen. Es gibt diverse Geschichten von Unternehmen, die nach anfänglicher Begeisterung über zunächst kostenlose und anschließend vermeintlich günstige Cloud-Angebote jäh von der harten, teuren Realität eingeholt wurden.

4. Mitgehangen…

Eigentlich dreht sich bei der Cloud alles um maximale Freiheit – dennoch kann es zum Lock-in kommen. Gute Entwickler versuchen zum Beispiel, ihre App in die kleinste, billigste Instanz zu bugsieren. Das läuft so lange gut, bis die Last steigt, weil etwas viral geht oder der Black Friday ansteht. Das DevOps-Team wird dann pflichtbewusst bei RAM und virtuellen CPUs nachrüsten und alles ist zunächst wieder in Ordnung. Nicht mehr in Ordnung ist es dann, wenn das Team dabei vergisst, die Konfigurationen auch entsprechend anzupassen.

Beim Speicherplatz verstärkt sich dieser Effekt noch einmal: Oft ist es zwar denkbar einfach, mehr Speicherplatz hinzuzufügen, aber unnötig kompliziert, diesen zu reduzieren – selbst, wenn er gar nicht verwendet wird. Dieser Guide beschreibt zum Beispiel in 23 (!) Schritten, wie Sie die Größe Ihres Speicherplatzes eindampfen können.

5. Eine Frage der Lokation

Cloud-Rechenzentren haben keine festen Adressen und scheinen manchmal kaum mit unserem Planeten Erde verbunden zu sein, sondern in einer Art niederen Sphäre zu schweben.

Dabei sorgt die Lokation eines solchen Cloud Datacenters manchmal für Preisunterschiede, die sich läppern können. Alibaba zum Beispiel verlangt höhere Gebühren für Cloud-Instanzen, die sich auf chinesischem Boden befinden. Amazon verlangt 0,0054 Dollar pro Stunde für eine t3.nano-Maschine in Stockholm, aber 0,006 Dollar in Frankfurt. Und ein Blick auf den Azure-Preisindex zeigt, dass die Kosten im Norden der USA unter Umständen halb so hoch sein können, wie die im Süden.

Liegt das daran, dass die Immobilienpreise unterschiedlich ausfallen? Sind die Steuern höher? Kostet der Strom mehr? Vielleicht sollte man seine Zeit gar nicht damit verschwenden, zu versuchen das zu verstehen. Eigentlich sollte die Cloud uns von solchen „irdischen“ Sorgen befreien.

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6. Discount braucht Commitment

Eines der großen Cloud-Verkaufsargumente ist, dass Sie die Systeme jederzeit so lange nutzen können, wie Sie sie benötigen – maximale Freiheit also. Für diese Flexibilität werden Sie am Ende des Tages aber auch zur Kasse gebeten und das nicht zu knapp.

Die regulären Preislisten zeichnen sich im Regelfall durch relativ steile Preisgefüge aus, die sich nur durch „erdrückende“ Commitments drücken lassen. Einige Cloud-Anbieter benötigen zwar kein ausdrückliches Commitment weil sie Mengenrabatte automatisch anwenden, aber der Effekt ist der gleiche. Freiheit gibt es eben nicht umsonst.

7. Beschwerlicher Umzug

Wenn Sie zum ersten Mal eine Cloud-Instanz einrichten, gestaltet sich das denkbar einfach. Die Netzwerke sind schnell und für das Einspielen von Daten in die Cloud fallen häufig keinerlei Gebühren an. Die Daten wieder aus der Cloud zu holen, ist dagegen oft nicht so simpel.

Preisvorteile zu nutzen, indem man seine Workloads in das jeweils günstigste Datacenter verlagert, wird somit schwierig. Wenn Ihre Workloads rechenintensiv und der Datenzugriff gering ist, ist es nicht schwer, einfach neue, preisgünstige Instanzen aufzusetzen. Wenn Sie jedoch Daten verschieben möchten, müssen Sie dafür in der Regel teuer bezahlen.

8. …oder einfach Open Source

Cloud-Unternehmen gelten als hochinnovativ. Manchmal geben sie allerdings auch einfach Open-Source-Projekten einen neuen Namen und verkaufen diese als Service. Das ist nicht unfair, schließlich kosten Server Geld – genauso wie die Installation, Instandhaltung und Absicherung von Software. Einige Open-Source-Projektverantwortliche ärgern sich über Cloud-Unternehmen, die auf diese Weise Geld verdienen, andere sehen sie als potenzielle Partner.

Die schwierige Frage für Entwicklungsteams ist dabei, ob der kostenpflichtige Service ein gutes Geschäft ist. Es kann deutlich billiger sein, als den eigenen Teammitglieder neue Aufgaben aufzubürden. Wenn allerdings bereits Knowhow für die betreffende Software vorhanden ist, ist im Regelfall das Gegenteil der Fall. Das gilt insbesondere, wenn Ihr Nutzungsverhalten auf die besonders preisintensiven Leistungen des Cloud Providers einzahlt.

9. Mehr als gedacht

Die Cloud-Unternehmen sind keine undurchsichtigen Geheimbünde, die Ihnen jeden Monat eine Rechnung ohne Erklärung zuschicken. Im Gegenteil: Ihre Rechnung enthält alle Details über die Vielzahl von Ereignissen, die sich hier summieren. Sätze wie „Meine Güte, das ist mehr als ich dachte“ sind hier an der Tagesordnung.

Haben Sie sich durch die endlose Fülle von Logs gewühlt, steht am Ende im Regelfall die Erkenntnis, dass Ihre Daten Ihnen in die Parade fahren. Die Wahrheit macht Sie in diesem Fall nicht frei – sie sorgt nur dafür, dass Millionen von Datenpunkten analysiert werden müssen.

10. Preis unbekannt

Cloud-Preislisten sehen beruhigend aus. Aber die Preise spiegeln einen dünnen Teil eines riesigen Korbs wechselnder Rohstoffkosten wider. Der Preis, den wir zahlen, bündelt die Kosten für Immobilien, Strom, Hardware, technisches Personal sowie Steuern auf Bundes-, Landes- und lokaler Ebene.

All diese Kosten verschieben sich regelmäßig, manchmal auch in dramatischem Ausmaß. Das Geschäftsmodell besteht jedoch darin, all das unter den Teppich zu kehren und einen Pauschalpreis pro Minute oder gar Sekunde anzubieten.

11. Wir wollten es so…

Es ist nur menschlich, die Schuld für etwas frustriert auf andere zu schieben. Die Cloud ist jedoch nur die Summe der Begehrlichkeiten einer jeden IT-Abteilung. Wir wollten transparente Abrechnungen. Wir wollten eine nutzungsbasierte Abrechnung. Wir wollten keine Verpflichtungen mehr eingehen – und das alles mit ein paar Mausklicks.

Es ist das wesentliche Paradoxon der Cloud-Wirtschaftlichkeit: Nie zuvor herrschte so viel Kostentransparenz, nie zuvor war es möglich, solche tiefen wirtschaftlichen Einblicke zu bekommen. Wenn die Rechnung dafür kommt, fragen wir uns dennoch, wohin all das Geld verschwunden ist. Wir wissen es – aber auch nicht. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.

*Peter Wayner schreibt unter anderem für unsere US-Schwesterpublikation InfoWorld.com und ist Autor verschiedener Bücher – unter anderem zu den Themen Open Source Software, autonomes Fahren und digitale Transaktionen.


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