Personalmanagement für S/4HANA: Ihr Weg zur SAP-HCM-Strategie

SAP Human Capital Management wird noch bis 2027 verfügbar sein. Doch die SAP-Roadmap ist auf die Cloud mit SuccessFactors sowie S/4HANA ausgerichtet. Anwender sollten also rechtzeitig planen, wie sie ihr künftiges Personalmanagement aufstellen wollen. [...]

SAP-Anwender werden die Software für ihr Personalmanagement in den kommenden Jahren neu aufstellen müssen (c) pixabay.com

SAP ERP Human Capital Management (HCM), die On-premises basierte Lösung für das Personalwesen, wird noch bis 2027 verfügbar sein – sollten Kunden SAPs Extended Maintenance Service in Anspruch nehmen, sogar bis 2030. Trotz dieser verhältnismäßig langen Zeitspanne ist das Ende der von vielen Anwendern liebgewonnenen HCM-Lösung aus der SAP Business Suite abzusehen. Grund genug, sich mit der Nachfolgelösung sowie der von SAP bereitgestellten, strategischen Cloud-Lösung SAP SuccessFactors näher zu beschäftigen.

Mit der Übernahme des US-amerikanischen Cloud-Anbieters SuccessFactors im Jahr 2011 schien die Roadmap für SAP Anwender in Sachen HCM Bereich festgeschrieben. Nutzer der On-premises Variante des Personalmanagementsystems sahen sich mit dem Auslaufen der Mainstream-Wartung und den damit für sie verbundenen Konsequenzen konfrontiert – sich nach einer neuen Lösung umsehen zu müssen. Der mittelfristig unausweichliche Übergang zum cloudbasierten SAP SuccessFactors präsentierte sich, nicht zuletzt für mittelständische Unternehmen, allerdings als herausforderndes Szenario.

Anwender hängen an ihren gewohnten HR-Lösungen

Zwar klingt es erst einmal reizvoll, auf eigene Infrastruktur weitgehend verzichten zu können. Die komplette Transformation der System- und Prozesslandschaft inklusive der damit verbundenen Schnittstellen ist jedoch mit entsprechendem Aufwand verbunden. Zudem kann die Entscheidung auch grundlegende, personelle Veränderungen nach sich ziehen, da tendenziell weniger interne IT-Mitarbeiter benötigt werden.

Entsprechend groß war die Erleichterung in der Community, als SAP Anfang 2020 bekannt gab, die Wartung der SAP Business Suite 7 – und somit implizit von SAP ERP HCM – bis mindestens 2030 zu verlängern. Ausschlaggebend hierfür war der wachsende Unmut in Reihen der SAP-Kundschaft und nicht zuletzt der von der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) ausgeübte Druck auf die SAP.

Ist On-premises also vielleicht doch die bessere Option für SAP Anwenderunternehmen? Dazu ein Rückblick: Mit dem „altbewährten“ SAP Enterprise Resource Planning (ERP) System, beziehungsweise den entsprechenden Vorgängerlösungen SAP R/3 und mySAP ERP, bietet SAP seit 1993 ein umfassendes, auf On-premises Nutzung basierendes Human Resource Management (HRM) an. Im Laufe von fast drei Jahrzehnten wurde die Software stetig weiterentwickelt und an veränderte gesetzliche Vorgaben insbesondere im Bereich der Entgeltabrechnung angepasst.

Hinzu kam eine umfangreiche Verbesserung der User Experience (UX) ab 2012 durch die Renovierung der bestehenden Benutzeroberflächen mittels HR Renewal sowie durch die Bereitstellung von SAP Fiori Apps ab 2013. Ersteres zielte schwerpunktmäßig auf die sogenannten HR Professionals unter den Endanwendern ab. Letzteres vorrangig auf die Klientel der Gelegenheitsnutzer wie etwa Mitarbeiter oder Führungskräfte. Das Ergebnis bildete eine umfassende, flexible und skalierbare HCM-Standardsoftware, die ausreichte, um die Anforderungen von zirka 15.000 SAP ERP HCM Kunden weltweit zu bedienen. Nichtsdestotrotz ist das Ende dieser Software nun durch SAP unausweichlich programmiert.

SAP HCM als integraler Bestandteil von S/4HANA

Mit der ab Q3/2022 verfügbaren Lösung SAP HCM for S/4HANA On-premises Edition (kurz: H4S4), kündigte SAP bereits 2018 eine neue On-premises Variante als Nachfolger von SAP ERP HCM an. Seitdem wurden zwar immer mehr Details bekannt – dennoch bleiben Fragen offen. Der wesentliche Unterschied zu der bisherigen, in SAP ERP integrierten Version, besteht in der zugrundeliegenden Datenbank-Technologie: H4S4 steht ausschließlich für die HANA-Datenbank zur Verfügung. Somit wird eine „upgradeähnliche“ Migration der HR-Daten in eine HANA-Datenbank erforderlich, wofür SAP geeignete Migrationswerkzeuge und Services zur Verfügung stellt.

Funktional betrachtet basiert H4S4 auf der Codestrecke von SAP ERP HCM (EhP 8) und umfasst weitestgehend alle bisherigen Module. Soweit bekannt und von SAP auf unterschiedlichen Kanälen kommuniziert, handelt es sich um die folgenden Softwarekomponenten:

Personalmanagement

  • Personaladministration (PA-PA)
  • Organisationsmanagement (PA-OS, BC-BMT-OM)
  • Personalentwicklung (PA-PD-xx)
  • Personalkostenplanung (PA-CM-CP)
  • Vergütungsmanagement (PA-CM) & Unternehmensvergütungsmanagement (PA-EC)
  • Arbeitgeberleistungen (PA-BN)
  • Betriebliche Altersvorsorge DE (PA-PF-DE)
  • Pensionskasse CH (PA-PF-CH)
  • Stellenwirtschaft (PA-PM)
  • Budgetplanung und -bewirtschaftung (PA-PM-PB)
  • Prozesse & Formulare (PA-ASR)
  • ESS/MSS (CA-ESS/MSS)

Talentmanagement

  • SAP Learning Solution (PE-LSO) bzw. Veranstaltungsmanagement (PE)
  • SAP E-Recruiting (PA-ER)
  • Zielvereinbarungen und Beurteilungen (PA-PD-PM)
  • Talent Management und Talententwicklung

Entgeltabrechnung

  • Abrechnung (PY-xx)
  • Öffentlicher Dienst DE (PY-DE-PS, PY-DE-PS-VA)

Zeitwirtschaft

  • Zeitwirtschaft (PT-xx)
  • Einsatzplanung (PT-SP)
  • Einsatzplanung öD (PT-SP-PS)
  • CATS Arbeitszeiterfassung (CA-TS)

Selbst das ursprünglich nicht dafür angedachte SAP E-Recruiting (PA-ER) wird nun doch im Rahmen von H4S4 zur Verfügung stehen. Generell gilt aber für alle diese Module: Größere funktionale Erweiterungen oder eine vollständige „Rearchitektur“ der Lösung sind nicht vorgesehen. Hinsichtlich der Systemlandschaft kann H4S4 integral, also eingebettet in eine bestehende oder auf einer separaten S/4HANA Instanz (HR-Stand-Alone) betrieben werden.

Eine der wenigen Ausnahmen stellen die JAVA-Komponenten (Content Player) der SAP Learning Solution (LSO) dar, welche zukünftig definitiv nicht mehr unterstützt werden. Gleiches trifft in gewisser Weise auf das Reisemanagement (FI-TV) zu, welches nicht Bestandteil von H4S4 sein wird. Stattdessen wird das Travelmanagement im bekannten Funktionsumfang nach S/4HANA überführt und dort ab 2022 integraler Bestandteil werden, wobei die strategische Ausrichtung – analog zu SAP SuccessFactors – auch beim Travelmanagement auf die Cloud abzielt. SAP hat 2014 mit Concur einen Spezialanbieter für Reisekostenabrechnung in der Cloud zugekauft.

Auf das Unvermeidbare vorbereiten – die Cloud

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass SAP sowohl mittel- als auch langfristig seinen Kunden die Möglichkeit offenlässt, Aufgaben im HR-Umfeld mit dem klassischen SAP ERP HCM oder ab 2022 mit H4S4 auf Basis von S/4HANA als stationäre On-premises Lösung abzuwickeln. Mit H4S4 wird dies bis mindestens 2040 möglich sein.

Warum also sollten sich Anwenderunternehmen mit der Cloud beziehungsweise SAP SuccessFactors auseinandersetzen, anstatt sich weiterhin auf die bekannte und meist bewährte und nun weitgehend zukunftssichere Installation vor Ort zu verlassen?

Die Verlängerung der Mainstream-Wartung der Business Suite stellt nur einen Aufschub des Unvermeidbaren dar. Außerdem entsprechen Lösungen wie SuccessFactors und Concur der ausdrücklichen Go-Forward-Strategie der SAP – und die führt in Richtung Cloud. Wer also auf echte Neuerungen und innovative Erweiterungen wie zum Beispiel künstliche Intelligenz hofft, wird diese ausschließlich in der Cloud finden. Eines der zahlreichen Beispiele hierfür ist das Onboarding neuer Mitarbeiter. Für die Einbindung neuer Talente bietet SAP SuccessFactors mit OnBoarding 2.0 eine Komponente, die auf Seiten der On-premises Lösungen gänzlich fehlt. Auch die Integration des Ende 2018 von SAP erworbenen Unternehmens Qualtrics und der damit einhergehenden, evolutionären Weiterentwicklung der HCM Suite zu einer Human Experience Management (HXM) Lösung macht deutlich, welchen Aufwand SAP betreibt, um SAP SuccessFactors funktional anzureichern.

Veränderungen sind unausweichlich

Egal für welches Betriebsmodell (On-premises, cloudbasiert oder hybrid) sich ein Anwenderunternehmen entscheidet, mittelfristig werden unausweichlich Veränderungen auf die Verantwortlichen zukommen. Auf diese gilt es sich frühzeitig vorzubereiten. Die Entscheidung seitens SAP, die Wartung von SAP ERP HCM noch längere Zeit fortzuführen und eine „Übergangslösung“ in Form von H4S4 bereitzustellen, soll Kunden vor allen Dingen ausreichend Zeit verschaffen, sich mit den unterschiedlichen Möglichkeiten und ihren Erfordernissen zu befassen. Dabei muss sich jeder „Bebauungsplan“ und eine daraus resultierende Roadmap an den individuellen Voraussetzungen orientieren und kann auch hybride Systemlandschaften, also die gezielte Verbindung vom cloudbasierten SAP SuccessFactors und einer der beiden On-premises Lösungen, beinhalten.

Welche dieser Bereitstellungsoptionen die individuell Beste ist, hängt von zahlreichen Faktoren ab, die sorgfältig geprüft und in Hinblick auf Business Anforderungen, Machbarkeit und Kosten hinterfragt werden sollten. Für alle, die sich grundsätzlich für einen vollständigen Wechsel in die Cloud entscheiden, bieten die veränderten Voraussetzungen durch die Fortführung der On-premises Varianten Planungssicherheit und ausreichend Zeit für eine sorgfältige Vorbereitung des Wechsels, über alle beteiligten Unternehmensbereiche hinweg.

Wer dauerhaft On-premises bleiben will oder vielleicht sogar muss, wie dies zum Beispiel im öffentlichen Dienst der Fall sein kann, sollte sich trotzdem zeitnah mit H4S4 als langfristig sichere neue Perspektive auseinandersetzen. Dies betrifft vor allen Dingen die möglichst schnelle, vorbereitende Umstellung auf eine HANA-Datenbank sowie die erforderliche Lizenz-Konvertierung. Ein Umstieg auf H4S4 oder SAP SuccessFactors sollte zwischen 2022 und 2027 erfolgen. Insgesamt handelt es sich dabei meist um aufwendige Projekte, die jedoch zu bewältigen sind und sich langfristig bezahlt machen werden.

*Michael Scheffler schreibt als SAP HCM Experte über die Möglichkeiten der SAP-Standardlösungen im personalwirtschaftlichen Bereich und setzt dabei den Fokus auf Talentmanagement. Er verfügt über mehr als 20 Jahre einschlägige IT- bzw. Branchenerfahrung und berät seine Kunden als Managing Consultant in den Bereichen HR/IT-Strategie, HR Digitalisierung, Technologie- und Architekturberatung sowie als Entwickler. Seit 2008 ist er Geschäftsführer der projekt0708 GmbH. Als Podcaster produziert / moderiert er das Format „HR/IT Talk“ und liefert in diesem Rahmen Expertenwissen für Personaler und SAP-Spezialisten.


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