IT-Chef Roland Schütz will die Warenwirtschaftssysteme des Pharmahändlers mit SAP S/4HANA vereinfachen. Das Projekt soll zehn Jahre dauern. [...]
„Unsere Infrastruktur muss hochverfügbar sein. Zwei Tage Ausfall würden den Bankrott des Unternehmens bedeuten und viele Medikamente könnten ihre Empfänger nicht erreichen,“ sagte Roland Schütz, CIO von Phoenix, auf der Handelsblatt-Jahrestagung „Strategisches IT-Management„. Trotz eines Umsatzes von knapp 35 Milliarden Euro seien die Margen gering. Vor diesem Hintergrund will der IT-Chef die Warenwirtschaftssysteme des Pharmahändlers modernisieren.
Die Ausgangslage
Phoenix verteilt über 60.000 Apotheken jährlich rund 400 Millionen Medikamente an 155 Millionen Patienten in ganz Europa. Zudem betreibt das Unternehmen etwa 2.800 eigene Apothekenfilialen. Bestelle ein Kunde in einer Apotheke ein nicht vorrätiges Medikament, könne das binnen einer Stunde dorthin geliefert werden, so der CIO. „Das bedarf kürzester Reaktionszeiten und es spielen sich anspruchsvolle Logistikprozesse im Hintergrund ab.“
Darüber hinaus baut Phoenix eine E-Commerce-Plattform für Medikamente auf. Ziel ist ein digitales Ökosystem, um abseits des stationären Handels direkt mit Patienten in Kontakt zu treten. Dabei gilt es Schütz zufolge, einen ganzheitlichen Ansatz zur digitalen Versorgung zu verfolgen, von der Terminvereinbarung beim Arzt über telemedizinische Beratung bis zur Verordnung und Lieferung von Medikamenten.
Zehn Jahre Projektlaufzeit
Der europäische Gesundheitsmarkt ist laut Schütz ein kleinteiliger und heterogener Flickenteppich. Das beeinflusse, welche Skaleneffekte sich dort erreichen ließen. Zudem seien die Geschäftsprozesse des Händlers über Jahre optimiert und auf die örtlichen Anforderungen der einzelnen Märkte eingestellt worden.
„Wir haben etwa 1.000 Geschäftsanwendungen und 29 Warenwirtschaftssysteme im Einsatz, die mit den Prozessen in den einzelnen Ländern verknüpft sind,“ berichtete der IT-Chef. Daher funktioniere es nicht, ein standardisiertes, paneuropäische ERP-System einzuführen.
Durch den hohen Verwaltungsaufwand, aufgrund der Besonderheiten in den einzelnen Regionen, würden kaum Mehrwerte geschaffen. Zudem ließen sich die bestehenden Systeme laut Schütz sehr kostengünstig betreiben, obwohl sie oft Legacy-Hardware nutzen. Teure Standardsoftware mit hohen Anlaufkosten einzuführen, sei bei den schmalen Gewinnspannen nicht praktikabel.
Für das Projekt war die Total Cost of Ownership (TCO) der alten und neuen Systeme also ein entscheidender Faktor. Zudem muss die Migration auf lange Zeit gestreckt werden. Schütz: „Wir gehen davon aus, dass das Unterfangen je nach Ablösebedürftigkeit der Altsysteme ein Jahrzehnt umfassen wird.“
SAP als gemeinsame Basis
Dennoch suchte Schütz eine gemeinsame Basistechnologie, um die Altsysteme am Ende ihres Lebenszyklus abzulösen. Die Wahl fiel 2018 aus Kostengründen auf SAP S/4HANA, das komplett in der Microsoft-Azure-Cloud bei T-Systems betrieben wird. Sein Team wählte einen Implementierungspartner aus und erarbeitete ein übergreifendes Datenmanagement-Konzept. Zudem wurde eine Projektorganisation aufgebaut, die das Business mit einbindet.
Anschließend machte sich das Team rund um den CIO daran, die Plattform anzupassen und Prozesse zu standardisieren. Dafür wählte der CIO ein hybrides Vorgehensmodell. Die einzelnen Phasen des Projekt bauen nach einem klassischem Wasserfall-Prinzip aufeinander auf. Innerhalb der Phasen arbeiten die Projektgruppen in Zyklen aus agilen Sprints.
Ende 2021 ging ein Lager in Österreich als erster Standort mit der Pilotumgebung live. Dort kommen die neuen SAP-Templates für Warenwirtschaft, Master Data Management und zentrales Finanz und Controlling (FI/CO) zum Einsatz. In der Folge sollen die Templates schrittweise erweitert und in ganz Europa ausgerollt werden. Phoenix beschäftigt mehr als 39.000 Mitarbeiter in 27 Ländern.
Aufgrund der hohen Kosten müsse das Unternehmen erwägen, in welchen Märkten und Bereichen sich so ein Projekt lohnt. Daher konzentrierte sich Phoenix darauf, die laufenden Kosten des Transformationsprozesses so niedrig wie möglich zu halten.
Key Learnings
Für Schütz ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, Business und IT eng miteinander zu verzahnen. Das Projekt müsse aus Sicht des Geschäftsprozesses geführt werden. Das Team muss verstehen, was die kritischen Bereiche sind, die es anzupassen gilt. Bei Phoenix ist das beispielsweise vor allem die Inbound- und Outbound-Logistik.
Über Templates sollten die langfristigen Betriebskosten klein gehalten werden. Durch die heterogene Struktur des Unternehmens könne aber kein sonderlich hoher Standardisierungsgrad erreicht werden.
Einen zusätzlichen Business-Nutzen verspricht sich Schütz durch den Softwarewechsel nicht. Zwar habe Phoenix einen großen Datenschatz und investiere in Datenanalyse-Tools auf einer separaten Plattform in der Azure-Cloud. Aber dafür brauche man die Konsolidierung der ERP-Systeme im Sinne eines Single Point of Truth nicht, so der CIO. Über Technologien wie Datenvisualisierung könnten die Skaleneffekte aus konsolidierten Daten gehoben werden, ohne die Harmonisierung der ERP-Landschaft abwarten zu müssen.
*Jens Dose ist Redakteur des CIO Magazins. Neben den Kernthemen rund um CIOs und ihre Projekte beschäftigt er sich auch mit der Rolle des CISO und dessen Aufgabengebiet.
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