Plattform-Power in 8 Schritten: Von der Kundenschnittstelle zur eigenen Plattform

Mehr zu Entwicklung und Aufbau einer eigenen Plattform für Kunden und Geschäftspartner lesen Sie in diesem Artikel. [...]

Eine eigene Plattform, auf der Partner- und Kundendaten zusammenlaufen erweitert die Wachstumschancen (c) pixabay.com

„Everything-as-a-Platform“ gehört wohl zu einem der am häufigsten gehörten Paradigmen der digitalen Welt. Einigen der größten Unternehmen wie Amazon, oder auch neueren Playern am Markt wie Shopify, liegt das Plattform-Geschäftsmodell zu Grunde. Doch was bedeutet dies? Im Kern heißt es, dass Digitalisierung auch im B2B-Geschäft Einzug hält und immer mehr Kunden vieler Unternehmen, aber auch die Unternehmen selbst, den Weg über digitale Plattformen suchen, um sich auszutauschen.

In der Orchestrierung ist nicht immer nur der Preis ausschlaggebend. Oft geht es um die nahtlose Integration von Produkten und Services von Unternehmen in die Erfahrungswelt (oder neudeutsch: das Ökosystem) der Kunden oder auch Prozesse von Unternehmen. Aus dem privaten Umfeld ist dies alles schon bekannt: Produkte werden von Amazon oder Otto online gekauft und die Musik kommt als Stream von Spotify oder Apple.

Krise als Chance

Viele Verantwortliche sitzen wie das Kaninchen vor der Schlange, in der Hoffnung, dass Alles schon so weitergehen wird wie bisher und das eigene Unternehmen von einer Disruption durch Wettbewerber verschont bleiben wird. Die Führungskräfte überlassen so das gestalterische Feld oft Dritten oder Konkurrenten. Die, die sich aus der Not heraus kurzfristig aufraffen, suchen dann oft ihr Heil in Standardsystemen ohne zu ahnen, dass diese möglicherweise nicht dem eigenen USP-Anspruch gerecht werden können.

Das es auch anders geht, zeigt der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen. „Mitten in der Pandemie haben wir mit der easyGeno-Prüfungsplattform unsere eigene, maßgeschneiderte Lösung zur digitalen Interaktion mit unseren Mandanten entwickelt und erfolgreich produktiv gesetzt. Und das in Rekordgeschwindigkeit von nur wenigen Monaten!“ sagt das Vorstandsmitglied Peter Götz.

Im Rahmen der Wirtschaftsprüfung von Genossenschaften wurde mit Hilfe einer individuellen Plattform die Interaktion mit Mandanten digitalisiert – dies unter Berücksichtigung höchster Anforderungen an die Sicherheit, der mit diesem Geschäftszweig verbundenen sensiblen Daten. Der vormalige Austausch vieler Papierdokumente kann nun digital erfolgen, was nicht nur zu einer Zeitersparnis führt, sondern gerade in Pandemie-Zeiten sowohl das kontaktlose als auch das dezentrale Arbeiten unterstützt hat.

Evolutionsstufen der digitalen Interaktion (c) Oliver Laitenberger

Damit wurde beim Genossenschaftsverband unter dem Motto „Krise als Chance“ die Zeit genutzt, um ein Alleinstellungsmerkmal zu generieren. Die Plattform bietet zukünftig auch die Möglichkeit, nach innen weiter zu automatisieren (denn die Informationen liegen bereits digital vor) und nach außen sukzessive das Servicespektrum zu erweitern.

Standardsysteme sind keine Lösung

Bei vielen Unternehmen sind heute schon unternehmensintern etablierte Systeme für isolierte Aufgabenfelder vorhanden. Prominente Beispiele sind CRM– und ERP-Systeme, die auch wunderbar in ihren angestammten Hoheitsfeldern und Kernfunktionen funktionieren. Sie sind aber oft nicht auf die Interaktion mit Kunden oder Geschäftspartnern ausgerichtet. Gerade aber die Interaktion und Usability muss vom Anwender und Nutzer aus Gedacht werden. Es reicht keineswegs aus, einfach nur Daten aus internen Systemen zu importieren und zu exportieren bzw. sich mit diesen an die Systeme des Kunden anzudocken.

Der Einsatz von Standardsystemen ist in etwa vergleichbar mit einer Visitenkarte. Ein Unternehmen kann selbstverständlich einen Standard aus dem Katalog wählen – wohlwissentlich, dass viele andere Unternehmen denselben Standard nutzen. Auf Grund der dann fehlenden Differenzierung sind dann aber auch keine Wunder hinsichtlich der Wirkung zu erwarten. Überträgen wir das Beispiel auf die digitale Kundenschnittstelle – das digitale Gesicht des Unternehmens – wird klar warum der „One Size Fits All“-Ansatz hier wenig erfolgversprechend ist: Fehlen die kundengerichteten Alleinstellungsmerkmale gegenüber dem Wettbewerb, kommen auch keine neuen Kunden auf die Plattform- warum auch.

8 Schritte zur digitalen Plattform

Bezüglich der Umsetzung der eigenen Plattform ist eines vorweg zu sagen: Geschwindigkeit ist alles. Um Geschwindigkeit auf die Straße zu bringen, bedarf es – vergleichbar mit einem Formel 1 Team – interdisziplinärer Zusammenarbeit und der Mitwirkung von Experten aus unterschiedlichen Disziplinen. Nicht umsonst setzt sich auch die Autorenschaft dieses Artikels aus Management-orientierten Fachexperten, Experten der Software-Entwicklung und solchen des IT-Betriebs zusammen.

Nur mit einem zielgerichteten „Experten-Mix“ lässt sich sozusagen von 0 auf 100 innerhalb von wenigen Monaten eine individuelle, digitale Plattform entwickeln und in den operativen Betrieb überführen, ohne in einem jahrelangen, komplexen IT-Projekt zu landen.

Der Weg zur eigenen Plattform folgt dabei typischerweise 8 Schritten:

  1. Digitalerlebnis aus Kundensicht finden und schaffen
  2. Nutzenbetrachtung zur Ermittlung des idealen Standpunkts anstellen
  3. Das passende Team zusammenstellen
  4. Vorgehen an Ergebnistypen ausrichten und beschleunigen
  5. IT- und Datenschutz von Anfang an mitdenken
  6. Bei der Wahl des Betriebsmodells auch Cloud-Möglichkeiten in Erwägung ziehen
  7. Meinung von Anwendern und Nutzern für Weiterentwicklung nutzen
  8. Plattform kontinuierlich um nutzenstiftende Funktionen ausbauen und skalieren
Wege zur eigenen Plattform (c) Oliver Laitenberger

Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt auf der Entwicklung und Realisierung der Plattform. Im Vorfeld muss jedoch zunächst das differenzierungsrelevante „Digital Erlebnis“ aus Kundensicht beschrieben werden. Dies inkludiert selbstverständlich eine Betrachtung des erwarteten Nutzens. Nicht immer lässt sich dieser unmittelbar monetär bestimmen. Denn wie lässt sich schon der virale Netzwerkeffekt einer „Aktion“ im Vorfeld verlässlich prognostizieren und dieser obendrein dann noch monetär bewerten?

Die Kernelemente zur Realisierung bestehen dann in der Zusammenstellung des passenden Teams nebst Orchestrierung und Sourcing von inhaltlicher Expertise, Spezialisten der Software-Entwicklung mit UX/UI-Experten sowie den Experten für den Aufbau und Betrieb der Plattform-Infrastrukturen im Spektrum On Premises bis Cloud.

Auf Basis einer agilen Vorgehensweise lassen sich dann schnell und iterativ sichtbare Arbeitsergebnisse (MVPs) entwickeln. Von Anfang an in die Überlegung mit aufgenommen werden sollten unbedingt Cyber-Security- und Datenschutzanfoderungen in Abstimmung mit den entsprechenden Verantwortungsträgern. Diese Themen sind oft tief in der Logik verankert und lassen sich oft später nur mit hohem Restrukturierungsaufwand in der Architektur nachbessern. Dies gilt in gleichem Maße für das Betriebsmodell, welches oft in Form von Softwaredefined Data Centers bzw. hyperkonvergenten Infrastrukturen umgesetzt wird.

Im Ergebnis entsteht eine Microservice-basierte Anwendungsarchitektur, die auf modernster Infrastruktur betrieben wird. Mit Blick nach vorne, ist ein Unternehmen auf Basis eines solchen Betriebsmodells dann auch für mögliche Skalierungsvorhaben gut gerüstet: mehr Funktionen, mehr Nutzer, mehr Produkte, mehr Zielmärkte – hin zu einem Ökosystem. Der Weg hierhin sollte jedoch unbedingt an der Nutzermeinung und dessen Wünschen ausgerichtet werden, um nicht in eine Sackgasse zu laufen.

Im Alleingang schon verloren

Wer jetzt meint, im Alleingang erfolgreich zu sein, hat schon verloren. Der Erfolg liegt darin, die Prinzipien des Netzwerks schon bei der Entwicklung anzulegen. Die wenigsten Unternehmen verfügen über die Kombination an Experten in ausreichender Zahl, um hier von der grünen Wiese ein „Formel-1“-Team zusammenzustellen. Und für die meisten lohnt es auch nicht, entsprechende Teams durch Festeinstellung dauerhaft aufzubauen – denn nicht jedes Unternehmen ist wie die ING Diba oder Spotify. Deshalb gibt es mittlerweile sogenannte Beratungs-Ökosysteme, welche in einer Kombination von mehreren Anbietern, die passenden Experten an den Start bringen. Wann starten Sie mit Ihrer Plattform durch?

*Oliver Laitenberger leitet bei der Managementberatung Horn & Company das Kompetenzzentrum Digitalisierung und Technologie.

**Dr. Seebach begleitet Banken und Versicherungen bei der Durchführung wegweisender Digitalisierungsprojekte. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Goethe Universität Frankfurt (Main) und promovierte dort im Bereich Information Systems Research. Er verfügt mittlerweile über 15 Jahre Beratungserfahrung im Finanzdienstleistungssektor.


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