Produktentwicklungsprozess: Zur Hardware per Open Source

Ein Hardware-Produktentwicklungsprozess ist meistens langwierig und teuer. Eine Alternative ist, diesen per Open Source anzugehen. [...]

Den Schlüssel zu einer Produktentwicklung frei verfügbar machen. Durch die gemeinsame Arbeit per Open Source können Hardware-Startups lukrativ werden (c) pixabay.com

Hardware Startups haben einen schweren Stand. Vor allem in teuren Produktionsländern mit vielen bürokratischen Hürden tut sich in dieser Hinsicht wenig. So gehört es für junge Unternehmen zu den wichtigsten Meilensteinen so früh wie möglich Investor:innen oder aber institutionelle Förderungen zu erhalten, um überhaupt den ersten Prototypen in die Realität zu bringen. Doch meist gelangen viele Unternehmen hier an ihre Grenzen. Open Source kann hier eine Abhilfe und eine völlig neue Lösung für die eigene Idee sein, um vom Prototypen in die Massenproduktion zu gelangen.

Doch damit fangen die größten Schwierigkeiten erst an. Geeignete Produktionsstätten in China haben ihre ganz speziellen Hindernisse und verlangen vor allem eins: viel Geduld und hohe Ordermengen, damit sich der Aufwand überhaupt lohnt. Wie können diese Barrieren ungewöhnlich umgangen werden und dennoch lukrative Geschäftsfelder öffnen? Open-Source-Hardware-Geschäftsmodelle bieten uns hierbei klare, wenn auch ungewöhnliche, Antworten.

Der quelloffene Hardware-Produktentwicklungsprozess

Open Source Software (OSS) Geschäftsmodelle anschauen und einfach kopieren – dieser Gedanke liegt nahe. Leider funktioniert das nur äußerst selten. Hardware-Unternehmen müssen im Laufe der Experimentier-und Validationsphasen immer wieder kleine Batches (Produktionslinien) ihres Produkts selbst herstellen und damit sicherstellen auf dem richtigen Weg zu sein. Besonders für internationale Produktionen in Asien spielt das eine große Rolle: die Kommunikation zwischen Entwicklung in Europa oder den USA und der eigentlichen Fabrik ist oft nur über Webchat (das vorherrschende Kommunikationstool in Asien) möglich und braucht viel Aufmerksamkeit. Betaphasenprodukte lassen sich, sei es aufgrund der Logistik oder auch der fehlenden Sicherheitskennzeichen, nicht einfach so an potenzielle Kunden ausspielen und testen.

Hardware unterliegt außerdem einem größeren Risiko Schaden zu nehmen und anzurichten. Wenn etwas schief läuft, kann niemand mit einer Internetverbindung den Fehler einfach so beheben. Oftmals heißt das einfach: alles auf Anfang. Supply Chains, Logistik, Regulierungen und fehlende Gutachten, es gibt also zahlreiche gute Gründe Hardware-Geschäftsmodelle völlig gesondert zu betrachten.

Open-Source-Hardware – Geschäftsmodelle

Es lassen sich unzählige Projekte, Unternehmen und Organisationen aufzählen, die mit starker Open-Source-Perspektive arbeiten. Dennoch gibt es klare Unterschiede, wie sich diese am Markt positionieren und am Ende auch Umsatz machen. Fast jeder Einkommensstrom eines Produkts lässt sich dabei übrigens auf das andere übertragen. Doch erst einmal der Reihe nach.

Design Kits – Open ROV – die Unterwasserdrohne

Mit der Entwicklung einer kostengünstigen Unterwasserdrohne Open ROV entwickelte sich zeitgleich eine riesige Community um die Entwicklung neuer Tiefseegeräte, die für Schulen, Taucher:innen und Wissenschaft gleichzeitig relevant wurden. Zu teuer in Anschaffung und Produktion waren die bisherigen Angebote. Die Unterwasserdrohne konnte nicht nur mit einer explosionsartig wachsenden Community aufwarten, auch die Kickstarterkampagne mit über 850.000 US-Dollar wurde ein voller Erfolg. In über 30 Ländern operieren und kommunizieren Fans der Unterwasserwelt und entwickeln so das Gerät über GitHub Repositiories weiter.

Die Kombination aus Open-Source-Hardware-Projekt, Startup und Community-Building – erfunden von einem ehemaligen NASA-Praktikanten auf der Suche nach einem verlorenen Schatz am Meeresboden – wurde so ein voller Erfolg. Der Verkauf der einzelnen Kits wird dabei durch die gemeinschaftliche Entwicklung, der wirklichen „Experience“ an etwas mitzugestalten, nur angeheizt.

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Ähnlich verhält es sich übrigens mit Arduino, ebenfalls ein Open-Source-Hardware-Produkt, das weltweit von einer großen Gemeinde genutzt wird.

Plattformmodel – OpenDesk – Digitale Möbel zum Download

OpenDesk ist ein weiterer spannender Player in der Open-Source-Welt. Dabei gelingt ein großes Kunststück wie es nur Open Source vermag: Die Plattform OpenDesk ermöglicht es gleichermaßen Designer:innen, Produzent:innen und Konsument:innen sich an einem gemeinsamen Geschäftsmodell zu beteiligen. Als kreative Produktentwicklerin (sprich: Möbeldesign) werde nicht nur ich, sondern natürlich auch die ausführende Tischlerei und die Plattform selbst beteiligt.

Der Vorteil für die Kund:innen? Sie lassen lokal produzieren, im Zweifel sogar selbst mit Hilfe der freien Download-Dateien bauen und sparen dadurch an einigen doch kostspieligen Enden (Lieferung, Lieferzeit und eine moderne, ungewöhnliche Ästhetik abseits von bekannten Möbelhäusern). OpenDesk dient dabei als digitale Schnittstelle, stilvoll designt, auf allen sozialen Netzwerken zu finden und vereinfachen so eine Kommunikation, die es oft in sich hat, sobald man auf Möbelsuche ist: die mit den jeweiligen Fachbetrieben.

Wer mit offenen Augen durch einige Co Working Spaces in Berlin geht, wird übrigens immer wieder OpenDesk-Möbel von der britischen Firma finden. Hier ist es auch spannend zu sehen, wie sich das Unternehmen weiterentwickelt – seit einiger Zeit ist es ungewöhnlich still in den sozialen Medien. Wie sicher ist hier das Plattformkonzept für innovativen Open-Source-Möbelbau wirklich? Das wird sich nur nur in der Zukunft beantworten lassen.

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Open Core-Model – das XYZ Cargo Bike – Marke Eigenbau

XYZ Cargo, ein Hamburger Lastenradunternehmen, das sich in der Entwicklung der Cargo-Bikes aus Schraubverbindungen noch eine andere Perspektive zunutze macht: Geschweißte Produkte müssen irgendwo hergestellt werden, aus Kostengründen findet das selbst bei renommierten italienischen Fahrradschmieden, wie Pinarello oder Biancho, in Asien statt. Daran ist auch erstmal nichts auszusetzen. Um überhaupt am Markt bestehen zu bleiben, ist eine Internationalisierung oft unumgänglich. Open Source bietet hier aber noch eine andere Chance und XYZ Cargo hat sie genutzt. Anstelle teurer Schweißverbindungen wird mit Schrauben gearbeitet.

Dadurch wird allen Interessierten gleich eines viel einfacher gemacht: der Nachbau. Damit kein anderes Unternehmen daraus Profit schlagen kann, wird das Produkt unter der Creative Commons Non-Commercial License vertrieben. Da Cargobikes viel Gewicht tragen müssen und generell der Drehmomentschlüssel für die Herstellenden kein Fremdkörper sein sollte, liefert XYZ Cargo einfach die nötige Schulung für die gleichen Kosten als zum Fahrradkauf.

Der Vorteil ist klar: Kurse können mit mehreren Personen gleichzeitig abgehalten werden und es entsteht so eine große Kostenersparnis auf beiden Seiten. Wer schon einmal Fahrräder von der Speiche an selbst aufgebaut hat, weiß wovon hier die Rede ist: Selbst bei fertigen Kits dauert es oft einmal länger und nichts lässt sich auf die Stunde genau timen. Anders ist es bei standardisierten Workshops: Danach lassen sich Fragen weiter beantworten, aber das Projekt ist erstmal nicht mehr in der eigenen Werkstatt.

Nicht vergessen darf man dabei auch die Nähe zu den Kund:innen selbst. Wer stundenlang mit eben jenen Fahrräder aufbaut, hat danach verstanden, wo es genau hakt und welche Fragen für den Verkauf wichtig sind. Als Kundin wird mir auf der anderen Seite eine Erfahrung geboten, die ich sonst bei der normalen Katalogorder nicht habe: ich verstehe mein Gefährt, kann es sogar selbst reparieren und habe dabei noch die Firma kennengelernt – ein Win-Win für beide Seiten.

Der Standard und der Türöffner

Dass das Betriebssystem Android OS als freie Software vertrieben wird, liegt nahe: der Marktanteil steht seit Jahren bei über 70 Prozent, 2016 sogar bei 87 Prozent. Warum ist aber das Betriebssystem ein Beispiel in einem Artikel über Open Source-Hardware? In Zeiten von smarten Produkten und IoT lassen sich Software und Hardware eben nicht mehr so einfach trennen – die Unterwasserdrohne wäre ohne Software auch nur ein witziges Spielzeug für die Badewanne.

Die Öffnung eines Betriebssystems kann, vor allem in unbeachteten Märkten oder mit Investitionssummen in der Hinterhand, zu einem immensen Vorteil führen. Das neue Produktsortiment wird an diesem Standard angelehnt gestaltet – damit können andere Unternehmen an eine vorhandene Kundschaft andocken und sich direkt positionieren. Durch kluge Partnerschaften und ständige Weiterentwicklung lassen sich hier also komplett neue – (Hardware-)Produkte designen, die wie ein Teil eines großen Puzzles vertrieben werden können.

Tesla hat mit der Öffnung sämtlicher Patente im Jahr 2014 einen ähnlichen großen Stunt hingelegt. Gemessen daran, dass man als Hardware Founderin ständig an Patentierungen und Sicherungen des Designs erinnert wird, erscheint das doch wie ein Albtraum jedes zukünftigen Investors? Aber ist das wirklich so? Natürlich hatte Tesla 2014 schon ganz andere Ziele im Auge: alleine der Brief Elon Musks an alle Stakeholder auf der Tesla-Website zeugt davon. Dort wird die Vision (wie hier: „Klimawandel durch Elektromobilität verhindern“) und die tiefe Verbindung zur Open Source Community hochgehalten. Außerdem wurde damit gleich eins getan und schnell verschriftlicht: Großkonzernen und ihrer Jagd nach den schnellstmöglichen Patentierungen wurde eine völlig andere Vision entgegengesetzt.

Ohne zynisch zu wirken, das hat für Tech-Unternehmen einen unglaublich wichtigen Branding-Effekt und darf für junge, hochtechnologisierte Unternehmen nicht unterschätzt werden. Gerade diese tun sich oft schwer über einen bestimmten Prozentsatz an Marktanteilen hinaus zu kommen – geschweige denn als visionär für eine bessere Zukunft wahrgenommen zu werden. Über 84 Mio. Einträge finden sich bei Google sobald nach der Kombination “Open Source Tesla” gesucht wird. Dass trotzdem regelmäßig hunderte Patente von Tesla eingereicht werden, obwohl das Patentsystem öffentlichkeitswirksam so verurteilt wird, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Open Source Hardware – die Vorteile

Wer aufmerksam gelesen hat, wird noch mehr finden. Herausheben möchte ich aber besonders diese drei, da sie vor allem in Early Stage Startups eine riesige Rolle spielen:

  1. Wie errege ich Aufmerksamkeit mit meinem Produkt? Open Source öffnet den Zugang zu einem großen Publikum und einer eingeschworenen globalen Community.
  2. Wie teste ich mein Produkt? Open Source stellt den Kontakt zu Menschen her, die an den Produkten interessiert sind. Dies führt zu einem steten Testen und der Weiterentwicklung des Produkts selbst.
  3. Wie halte ich meine Kundschaft, wenn sie mein Produkt kennen? Open Source bietet die Chance eine gemeinsame Erfahrung zu machen – sei es durch echte Schulungen, virtuelle Online-Klassen und Do-it-yourself-Kursen.

Kaum ein Startup, das ich kenne, hat gleichzeitig aussagekräftige Antworten auf alle drei Fragen. Open Source könnte hier ein Gegenpol setzen und den Stein überhaupt erst ins Rollen bringen, der sonst häufig während der Produktentwicklung stecken bleibt. 

*Katharina Beitz ist studierte Philosophin, Tech-Founder und Gründerin der „Initiative Digitale Gerechtigkeit, mit der sie digitale Wissenslücken in der Breite der Gesellschaft schließen will. In Vorträgen spricht sie außerdem noch über gelingende Innovationskultur und Smart Citizenship.


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