Programmatic Advertising: Wie Sie Marketing-Budget und Nerven schonen

Die eigenen Inhalte an die richtige Zielgruppe ausspielen und das Beste aus dem Marketingbudget herausholen. In Zeiten von Programmatic Advertising ist das einfacher denn je. [...]

Genau den Kunden ansprechen, der ein zu bewerbendes Angebot sucht? Programmatic Advertising unterstützt Werbetreibende dabei, dieses Ziel umzusetzen (c) pixabay.com

Längst ist Programmatic Advertising seinen Kinderschuhen entwachsen und erobert die Marketingbranche. Nach der jüngst veröffentlichten Prognose des Online-Vermarkterkreis (OVK) im Bundesverband Digitale Wirtschaft BVDW) e.V. werden die Nettoumsätze in der Digital-Marketing-Branche 2020 trotz Corona um 8,6 Prozent steigen. Mehr als zwei Drittel (67 Prozent) der auf 3,92 Milliarden Euro geschätzten Umsätze 2020 werden demnach programmatisch generiert. Damit nährt sich Deutschland erst langsam dem internationalen Durchschnitt. Dabei können sowohl kleine und mittelständische, als auch große Unternehmen von der gezielten Kundenansprache profitieren und mehr aus dem geplanten Mediabudget herausholen

Der Werbeeinkauf läuft immer nach einem bestimmten Schema: Es gibt diejenigen, die Werbung schalten wollen (Werbetreibende) und diejenigen, die entsprechende Werbeplätze zur Verfügung stellen (Publisher). Um die jeweiligen Beziehungen darzustellen, ist es sinnvoll, exemplarisch einen Werbetreibenden und seine Marketing-Aktivitäten zu betrachten: Ein mittelständischer Energieversorger möchte mit seiner Werbung Unternehmen erreichen, die sich für Ökostrom interessieren. Zunächst wird das Energieunternehmen bei denjenigen Publishern Inventar (Werbeflächen) einkaufen, bei denen es grundsätzlich um Energieversorgung geht. Denn dort erwartet er seine Zielgruppe. Es wird ein fester Einkaufspreis für eine bestimmte Werbefläche vereinbart und die Werbung erscheint in der nächsten gedruckten Ausgabe. Der Preis ergibt sich aus der Summe, die eingesetzt werden muss, um 1.000 Personen zu erreichen – dem sogenannten TKP (Tausender-Kontakt-Preis). Genau das gleiche Prozedere läuft ab, wenn das Energieunternehmen seine Werbung online ausspielen lassen will. Es wird immer ein bestimmter Preis für eine bestimmte Platzierung von Inhalten gezahlt.

Jetzt kommen die eigentlichen Adressaten ins Spiel. Denn woher soll der Werbetreibende wissen, in welchen Umfeldern sich seine Zielgruppe findet und ob diejenigen, die seine Werbung angezeigt bekommen, auch wirklich an Ökostrom interessiert sind?

Programmatic Advertising gegen teure Streuverluste

Noch immer fließt ein Drittel des gesamten Werbeetats deutscher B2B-Unternehmen in Messen und Events, dicht gefolgt von klassischer Printwerbung und allgemeinen Produktinformationen. Der Bundesverband Industrie Kommunikation, der diese Zahlen jährlich erhebt, berichtet aber auch von einer weiteren Entwicklung: Je kleiner und jünger das Unternehmen, desto mehr Budget wird in digitales Marketing investiert. Das mag daran liegen, dass junge Unternehmen meist auch in der Führungsetage jünger aufgestellt sind, experimentierfreudiger und agiler sind. Es ist aber vor allem eine Frage der Ressourcen. Je weniger Geld zur Verfügung steht, desto kreativer muss mit der vorhandenen Menge umgegangen werden.

Insbesondere sehr spezielle Produkte machen es der Marketingabteilung nicht unbedingt leicht, da die Zielgruppe klein ist und eine Ausspielung von Werbung im falschen Umfeld große Streuverluste nach sich zieht. Messen und Produktflyer stellen da keine Ausnahme dar. Auch die händische Anzeigenschaltung ist im Vergleich zu den vorhandenen Alternativen unverhältnismäßig teuer und ineffizient. Digitales und insbesondere datengetriebenes Marketing können einen Großteil dieser Arbeit überflüssig machen, spitze Zielgruppen erreichen und Streuverluste auf ein Minimum reduzieren. Hier werden mit dem jeweiligen TKP nicht nur einfach 1.000 Personen erreicht, sondern 1.000 Personen, die sich – überspitzt gesagt – für nichts anderes interessieren, als ihr Unternehmen mit Ökostrom auszustatten. Speziell ausgewählte, pseudonymisierte Datensätze – eigene Kundendaten, Publisher-Daten oder zugekaufte Drittdaten (etwa alle Unternehmen bis 1.000 Mitarbeiter in einer bestimmten Region) – bilden die Basis für eine Programmatic-Advertising-Kampagne, die relevante Werbung an ausgewählte Zielgruppen ausspielt.

Die Programmatic Advertising macht den Unterschied

Jede gute Kampagne lebt von exzellenter Vorbereitung. Dazu gehört auch die Festlegung der Ziele. Dabei können Antworten auf die folgenden Fragen helfen:

  • Worum soll es bei der Kampagne gehen?
  • Sollen möglichst viele Menschen die Website des Stromanbieters besuchen?
  • Wird eine bestimmte Verweildauer auf der Webseite angestrebt oder sollen die Adressaten ihre E-Mail-Adresse eintragen?
  • Soll eine definierte Konversion erreicht werden?

Intelligente, realistische Zielvorgaben sind für Monitoring und Optimierung einer Kampagne unerlässlich – Veränderungen können gemessen und anschließend Stellschrauben gedreht werden. Ebenso unerlässlich ist die Transparenz von Optimierungsmaßnahmen, Prozessen, Kosten und Technologien. Nur so kann die Qualität des Ergebnisses sichergestellt werden.

Der mittelständische Energieanbieter möchte ein spezielles Vorteilspaket aus Solarstromanlagen für mittelgroße Unternehmen bewerben. Seine Lösung ist besonders nachhaltig, da der Strom von Kleinsterzeugern aus einer bestimmten Region stammt. Nicht jeder findet ein solches Angebot attraktiv, da der Preis leicht über dem von herkömmlichem Strom liegt. Zudem richtet sich die Kampagne gezielt an Entscheidungsträger. Nun stellt sich die Frage, wer genau sich für ein solches Strompaket interessiert und vor allem, wo diese Menschen zu finden sind. Programmatic Advertising kombiniert daher unterschiedliche Daten, bis nur noch passende Personen übrig sind, an die sich eine Ausspielung lohnt und die an regionalem Ökostrom von Kleinsterzeugern Interesse haben. Dazu werden eigene Datensätze (Kunden, die in der Vergangenheit Interesse gezeigt haben) und Daten von Drittanbietern (Daten über Personen, die an solchen Themen interessiert sind) herangezogen.

Doch es gibt Unterschiede bei der Qualität der herangezogenen Daten und je mehr hineinfließen, umso besser. Jedes Unternehmen hat eigene Datenbanken mit Kundeninformationen. Der Stromanbieter hat zum Beispiel grundlegende Daten über Kunden und potenzielle Kunden digital gespeichert. Diese enthalten: den jeweiligen Standort, Geschlecht, Alter und weitere selbst gesammelte Datenpunkte zum Konsumverhalten – selbstverständlich anonymisiert. Diese Daten werden als First Party bezeichnet und bilden den Ausgangspunkt für die Identifizierung der eigenen Zielgruppe.

Über solche haben Unternehmen die volle Kontrolle, das macht sie unabhängig von Drittanbietern. Die zielorientierte Generierung von Daten lohnt sich also. Um die eigenen Datensätze anzureichern, kann aber auch auf Second oder Third Party Data zurückgegriffen werden, beide können extern eingekauft werden. Bei den Second Party Data handelt es sich vereinfacht ausgedrückt, um die First-Party-Daten anderer Unternehmen. Third Party können zum Beispiel Verhaltens- oder demografische Daten sein, bei denen der Ursprung auf den ersten Blick nicht zwingend immer nachvollziehbar ist. Je besser und detaillierter die Datensätze sind, desto leichter lassen sich die richtigen Umfelder finden, um die Werbung zielgenau auszuspielen.

Die Prorgammatic-Advertising-Technologie macht den Unterschied

Der Stromanbieter möchte seinen Ökostrom von Kleinsterzeugern aus einer bestimmten Region also an Führungskräfte in umweltbewussten und zukunftsorientieren mittelgroßen Unternehmen in eben der selben Region ausspielen. Sie sollen ein gewisses Budget mitbringen und ein Interesse an der lokalen Wirtschaft haben. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es nicht nur ein analytisches Verständnis, sondern auch eine Portion Kreativität.

So finden sich potenzielle Interessenten des Ökostrom-Angebots nicht überall. Sie könnten sich unter der Leserschaft der FAZ ebenso gut finden, wie unter der der taz. Oder bei utopia.de oder vielleicht doch auch bei der Brigitte Green? Sind die Umfelder bestimmt und das Budget festgelegt, geht es an den eigentlichen Einkauf. Hier kommt der technologische Teil ins Spiel, der den entscheidenden Unterschied zu klassischen Werbeschaltungen macht. Denn im Rahmen einer Programmatic-Advertising-Kampagne werden Werbeplätze in einer Echtzeit-Auktion vergeben. Diese Auktionen finden über spezielle Pattformen statt, die Demand Side Plattform (DSP) und die Sell Side Plattform (SSP). Zur Verfügung gestellt wird diese Technologie von unterschiedlichen Unternehmen – etwa Adform, The TradeDesk oder auch Google. Im Vergleich zu den beiden ursprünglichen Akteuren im Marketing kommt nun also mindestens ein weiterer hinzu, der die technologischen Voraussetzungen für die Auktionen stellt und wie ein Vermittler zwischen Werbetreibenden und Publishern steht.

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Werbetreibende können sich eine Lizenz beim Technologieanbieter ihrer Wahl einkaufen, die eigenen Daten einspeisen und anfangen, online auf Werbeplätze zu bieten. Es gewinnt der Höchstbietende. Der gesamte Vorgang passiert innerhalb von Millisekunden, in denen sich eine Website aufbaut. Je nachdem, wo der Ökostromanbieter seine Zielgruppe ausgemacht hat. Bei der FAZ zum Beispiel wird er zusehen, dass er den höchsten Preis für ein Werbebanner am oberen Rand bietet. Wenn er die Auktion gewinnt, wird sein Banner genau dort erscheinen.

Vorsicht bei der Programmatic-Advertising-Partnerwahl

Das Beispiel des mittelständischen Stromanbieters beleuchtet nur einen Teil der komplexen Zusammenhänge, die hinter dem programmatischen Werbeeinkauf stehen. Es gehört weit mehr dazu, eine datenbasierte Werbekampagne mit Erfolg zu fahren. Wer jedoch bei den Grundlagen anfängt und sich Stück für Stück in die Tiefen arbeitet, der wird feststellen, dass sich die Reise lohnt. Wichtig ist vor allem, sich von der Komplexität nicht abschrecken zu lassen. Denn Programmatic ist die Abkehr vom Gießkannenprinzip, hin zu einer zielgerichteten und budgetschonenden Ansprache. Wer Unterstützung benötigt, kann sich auch an entsprechende Agenturen wenden. Doch gerade bei der Wahl der Partnerschaften ist Vorsicht geboten: Transparenz ist das A und O. Alle Reportings sollten vollständig einsehbar sein und verständlich erläutert werden. Die Ausgestaltung der Preise muss erklärbar sein.

Hinterfragen Sie jede Ausspielung und achten Sie auf das Umfeld der Werbemaßnahmen. Denn nicht auf jeder Seite wollen Sie Ihre Werbung sehen und das ist auch richtig so. Partner, die Ihren Status quo analysieren und daraus zielführende und verständliche Handlungen ableiten, sind vertrauenswürdig. Lassen Sie sich nicht sofort eine teure Technologie aufschwatzen, wenn Sie sie nicht benötigen. Denn insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen geben hier gerne zu viel Geld aus, ohne dass es im Verhältnis zum Nutzen steht. B2B-Unternehmen sind gut beraten, die eigenen Anforderungen und Bedürfnisse an transparente Geschäftsbeziehungen zu definieren und sich mit dem Marktangebot vertraut zu machen. Am besten ist es immer noch, die Kompetenz ins eigene Haus zu holen. Mit einer qualifizierten Begleitung ist dieser Weg auch gar nicht weit.

*Christoph Berg ist Co-Gründer und Geschäftsführer der Strategie- und Technologieberater für datengetriebenes Marketing MINT Square.


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