Microsoft will, dass alles unter Windows läuft. Google will, das alles im Web läuft. PWAs sind ein Weg, beides miteinander zu vereinbaren. (Doch was will eigentlich Apple?) [...]
Progressive Web-Apps sind inzwischen ein heißer Trend.
Obwohl progressive Web-Apps oder PWAs bereits seit ungefähr drei Jahren existieren – eine Initiative, die hauptsächlich von Google vorangetrieben wird –, schlugen sie in dieser Woche besonders ein, als Google Chrome 70 veröffentlichte.
Die neue Version des Google–Webbrowsers enthält eine ganze Reihe solider neuer Funktionen. Die größte Neuigkeit ist dabei jedoch die Unterstützung für PWAs, die mit Desktop-Windows arbeiten. (Die Unterstützung von Mac und Linux ist für Chrome 72 geplant.)
Google und Microsoft konkurrieren an vielen Fronten, doch wenn es um PWA geht, sind die beiden Unternehmen perfekt aufeinander abgestimmt. Warum das so ist, werde ich im Kommenden klären, doch zunächst einmal definieren wir, was PWAs eigentlich sind.
PWAs: Einfacher für alle
Eine PWA ist eine Website, die so konzipiert ist, dass sie sich anfühlt wie eine installierte App oder Anwendung auf einem Smartphone, Tablet, Laptop oder Desktop-PC.
PWA verwenden im Hintergrund ausgeführte Skripts (JavaScript-Dateien), die als ‚service worker‘ bezeichnet werden und dafür zuständig sind, Assets zwischenzuspeichern und eine bessere Performance zu ermöglichen. Service Worker ermöglichen außerdem die Offline-Ausführung der PWA und den Zugriff auf den Offline-Speicher. Und sie sind dazu in der Lage, Push-Benachrichtigungen anzuzeigen.
PWAs bringen für ihre Benutzer zwar nur kleine Vorteile, doch für Entwickler, Marken und Unternehmen sind sie dagegen schon von sehr großem Vorteil. Denn da PWAs auf CSS3, JavaScript und anderen Standardtools basieren, können sie problemlos auf andere Browser und Plattformen portiert werden.
PWAs unterstützen oder ersetzen sogar eine Mobile-First-Design-Strategie, mit der Sie die PWA für mobile Geräte erstellen und diese dann auf allen Geräten verfügbar machen können.
Da PWAs App-Stores umgehen, helfen sie dabei, das Problem der App-Müdigkeit zu lösen. Denn Nutzer wehren sich prinzipiell mehr und mehr dagegen, einen App Store zu öffnen, nur um eine weitere App zu finden, die sie ein einziges Mal ausprobieren und anschließend wieder vergessen werden. Wenn Nutzer dagegen Ihre Website besuchen, können Sie ihnen die PWA-Installation direkt vor Ort anbieten und sie bei jedem Besuch von eben dieser Website aus starten.
Die meisten großen Einzelhandelsunternehmen bieten Apps an, die Loyalitäts- und Rabattfunktionen und dadurch eine bessere Einkaufserfahrung möglich machen. Doch die meisten Kunden haben gar kein Interesse daran, solche Apps herunterzuladen. PWAs können ausgeführt werden, wenn die Kunden den Store besuchen, und enthalten zusätzliche Funktionen, die wie reguläre Anwendungen ausgeführt werden.
Verschiedene Tests haben ergeben, dass PWA das Engagement, die Umstellung und Interaktion sowie die Öffnungsrate für Push-Benachrichtigungen und das Opt-in dramatisch verbessern.
Pinterest hat beispielsweise eine PWA gestartet, die den Zugriff auf ihren Service durch eine normale Browser-Erfahrung ersetzen soll. Es wurden enorme Vorteile verzeichnet wie eine Steigerung der Klickrate bei Werbung um 50% und eine Steigerung der Ausgaben um 40% durch Nutzer, die mehr als fünf Minuten auf der Website verbracht haben. Die PWA übertraf nicht nur die Nutzung des mobilen Webs, sondern auch die Nutzung der mobilen App.
Außerdem: PWAs unterstützen alle Arten von Geräten, einschließlich Chromebooks.
Die schwerste Aufgabe für Entwickler war es, separate Apps für Windows, macOS, Linux, iOS und Android zu erstellen –eine für Chromebooks zu erstellen scheiterte jedoch, es sei denn, man entwickelte eine sechste Implementierung in Form eines Chrome-Erweiterung.
PWAs bieten nun die neue Möglichkeit, alle Plattformen – einschließlich Chromebooks – mit einer einzigen Implementierung zu bedienen. Weitere Entwicklungen in diese Richtung könnten außerdem den Zugang zu PWAs von Smart TVs und anderen IoT-Geräten aus erleichtern.
Auch wenn sich PWAs wie Apps anfühlen, ist die implementierte Suchmaschine für ihren Inhalt indexierbar und von allen Nutzern gemeinsam benutzbar.
PWAs sind auch relativ sicher. Bei der Installation haben sie keinen Zugriff auf die Hardware des Systems. Dieser Zugriff muss von Fall zu Fall – Ressource für Ressource – gewährt werden, und nur, wenn der Benutzer die ausdrückliche Genehmigung dazu erteilt hat. Der Zugriff auf Speicher, Standort und Bluetooth erfordert dabei drei separate Berechtigungen. Benutzer können dem Zugriff über Bluetooth beispielsweise zusagen, aber die Speicher- und Standortanforderungen ablehnen.
Der Vorgang funktioniert mehr oder weniger auf dieselbe Art und Weise wie mobile Apps funktionieren, doch es stellt auch eine wesentliche Verbesserung der herkömmlichen Desktop-Anwendungen dar.
Im Endeffekt verwandeln PWAs Browser in richtige App–Plattformen – echte Apps, nicht die schrecklichen Web-Apps von gestern.
Warum sich Microsoft und Google bei PWAs einig sind
Dank Chrome 70 funktionieren PWAs auf Windows 10 wie normale Apps. Das heißt, sie unterstützen Benachrichtigungen, Live Tiles und Cortana und sind über das Chrome-Menü, das Startmenü oder als angeheftete App in der Taskleiste verfügbar. Und sie sind im Microsoft Store verfügbar.
Google und Microsoft sind sich, was PWAs angeht, bisher absolut einig. Der Grund dafür ist, dass PWAs die Anzahl und den Umfang der Apps für Windows–Nutzer erhöhen. Der wichtigste Grund ist aber, meiner Meinung nach, dass Microsoft hofft, mit seinem Andromeda-Gerät wieder in den Smartphone-Markt einzusteigen. Statt ohne irgendwelche Apps in den Markt zu starten, könnte man dann mit allen PWAs in den Markt eintreten.
Viele dieser Apps werden hauptsächlich als Ersatz für Android-Apps entwickelt. Auf diese Weise werden viele Apps, die früher nur für Android- und Pixelbook-Geräte verfügbar waren, nun auch für Windows Surface Smartphone-Geräte verfügbar sein – oder wie auch immer Microsoft seine Andromeda-Geräte am Schluss bezeichnet.
Es ist eine Win-Win-Situation für Microsoft und Google. Microsoft bekommt tonnenweise Apps für seine Geräte, während Google alle dazu bringt, alles über das Internet zu tun, was wiederum die aktuelle ChromeOS-Strategie und die zukünftige Fuschia-Strategie unterstützt.
Progressive Web-Apps bedeuten nicht immer Fortschritt
Es gibt natürlich auch Nachteile.
So verläuft das Auffinden von PWAs zum Beispiel dezentral. Sie können nicht einfach einen App Store öffnen und in der Suchzeile eingeben, nach welcher PWA Sie suchen. Google verwaltet zwar ein PWA-Verzeichnis, doch meines Wissens nach gibt es keine einzige Ressource, die alle verfügbaren PWAs enthält.
Was wir nicht wissen, ist, ob die Industrie sicherstellen kann, dass PWAs eine einzige App–Plattform darstellen, oder ob PWAs Fragmentierung zulassen oder entwickeln.
Microsoft und Google haben bisher zusammengearbeitet was PWAs anging, und das ist gut so.
Apple dagegen nicht so sehr. Auch wenn Apple mittlerweile anfängt, PWAs in Safari zu unterstützen, ist nicht klar, ob das Unternehmen auch motiviert genug ist, gemeinsame Standards zu pflegen und zu unterstützen. Und die Safari-Funktionalität lässt zu wünschen übrig. Eine Sache, die für PWAs auf iOS beispielsweise nicht funktioniert, sind die Web-Push-Benachrichtigungen.
Die rohe Leistung von PWAs ist im Allgemeinen niedriger als die von nativen Apps.
Ein weiterer Nachteil ist, dass PWAs sehr isoliert sind. Daher ist es schwierig und eher unwahrscheinlich, dass unterschiedliche PWAs die gleichen Ressourcen oder Daten direkt teilen.
PWAs sind also nicht perfekt.
Doch ich glaube noch immer daran, dass sie irgendwann durchstarten werden.
PWAs sind für Benutzer und Entwickler wesentlich effizienter. Sie sind viel flexibler, plattformübergreifend und platzsparender als Web-Apps, Websites, mobile Apps oder Desktop-Apps.
Marken und Organisationen wie Starbucks, Twitter, Burger King, Home Depot und NASA wechseln mittlerweile alle zu PWAs. Vielleicht ist es an der Zeit, dass auch Sie darüber nachdenken.
Jetzt, da PWAs auch auf Windows wirklich angekommen sind, sollten Sie sich ernsthaft mit ihnen auseinandersetzen. Führen Sie eine Inventur und Analyse aller Apps Ihres Unternehmens durch und überprüfen Sie, welche zu PWA-Dateien konvertiert werden könnten.
Es mag mehr Arbeit für Sie bedeuten, doch auf lange Sicht wird sich der Gewinn, den Sie daraus ziehen, verzehnfachen.
*Mike Elgan ist ein technologiebesessener Journalist, Autor, Blogger, Podcaster und digitaler Nomade. Erfahren Sie mehr auf seiner Website: elgan.com.
Be the first to comment