Qualitätssicherung im Zeitalter der Digitalisierung

Die Digitalisierung hat auch dem produzierenden Gewerbe neue Herausforderung beschert: Die Losgrößen werden immer kleiner, die Produktlebenszyklen kürzer, die Varianten vielfältiger und auch der Zwang, mit neuen Produkten schneller am Markt präsent zu seien, nimmt [...]

Ideal für KMUs: Das Auslagern von IT-Prozessen und Teilbereichen an Managed-Service-Provider (MSP).
Ideal für KMUs: Das Auslagern von IT-Prozessen und Teilbereichen an Managed-Service-Provider (MSP). (c) sdecoret - Fotolia

Die Digitalisierung hat auch dem produzierenden Gewerbe neue Herausforderung beschert: Die Losgrößen werden immer kleiner, die Produktlebenszyklen kürzer, die Varianten vielfältiger und auch der Zwang, mit neuen Produkten schneller am Markt präsent zu seien, nimmt zu. Solche Veränderungen wirken sich natürlich auch auf die Qualitätssicherung aus, und unter dem Begriff „Qualität 4.0“ in Anlehnung an Industrie 4.0 hat sich ein Konzept herausgebildet, das die Anforderungen der digitalisierten Produktion auf die Prozesse der Qualitätssicherung beschreibt.

Derzeit gibt es in den meisten produzierenden Unternehmen trotz einer bereits hochgradig automatisierten Produktion gerade bei der Qualitätssicherung viel Handarbeit: So werden beispielsweise in der Kabelsatzproduktion auf Basis statistischer Verfahren nach bestimmten Stückzahlen Proben entnommen und die Teile hinsichtlich der Einhaltung von Spezifikationen überprüft. Das können dann zerstörerische Messungen sein, wenn man etwa eine Leitung zerschneidet, um hineinzuschauen, oder nicht-zerstörerische, wenn man die Länge der Leitung oder die Abisolierung nachmisst. In jedem Fall handelt es sich um einen Eingriff in den Produktionsprozess, und damit um zusätzlichen Aufwand, der den Prozess verlängern kann. Fehler lassen sich dabei erst im Nachhinein feststellen: Man hat ein Bündel mit mangelhaften Leitungen produziert und muss möglicherweise die gesamte Charge verwerfen.
Mit den Anforderungen der Digitalisierung sind diese Verfahren nicht mehr ausreichend. Mit zunehmender Vernetzung der Komponenten eines Produktionsprozesses muss auch die Qualitätssicherung digitalisiert werden. Mit entsprechenden Sensoren lassen sich beispielsweise Maschinendaten schon im laufenden Prozess ermitteln, indem die Maschine selbst qualitätsrelevante Kenndaten erfasst, etwa den von einer Presse ausgeübten Druck. Zerstörerische Messungen werden dabei weitgehend hinfällig, weil man Chargen genau verfolgen und Rückschlusse ziehen kann, ob eine Pressung korrekt verlaufen ist beziehungsweise welche konkreten Teile fehlerhaft sind. Ohne Unterbrechung des Prozesses kann man dann so auf Basis von Algorithmen in Echtzeit die Qualität prüfen.

Im Konzept von Qualität 4.0 nimmt das MES (Manufacturing Execution System) eine zentrale Rolle als Datendrehscheibe ein. Es verfügt über die Artikeldaten, kennt Aufträge und Rohmaterialien, weiß welche Chargen von welchem Hersteller kommen und welche Maschinen auf welche weise in den Prozess eingreifen. Wenn das MES von Maschinen in Echtzeit Qualitätsdaten und Prozessdaten erhält, dann kann es ohne weiteres berechnen, ob es Qualitätsabweichungen gibt. Innerhalb von Sekunden kann das MES aus solchen Informationen Trends herauslesen und Prognosen erstellen, wo wann mit einer definierten Wahrscheinlichkeit mit Fehlern zu rechnen hat.
Voraussetzung dafür sind allerdings eine umfassende Maschinendatenauswertung in Echtzeit sowie Schnittstellen, damit die Systeme untereinander Daten ohne Medienbrüche austauschen können. Mit einem händischen Ablesen von Daten und dem Eingeben von Daten in ein anderes System durch das Bedienungspersonal lässt sich das natürlich nicht realisieren.

Ohne Investitionen in die Digitalisierung der Anlagen wird Qualität 4.0 also nicht zu haben sein. Die Vorteile sind jedoch erheblich: auftretende Störungen lassen sich umgehend erkennen, falsche Einstellungen können sofort bemerkt werden und korrigiert werden; das System kann außerdem selbstständig auf nötige Wartungsmaßnahmen hinweisen, etwa wenn Gefahr besteht, dass Toleranzen über- oder unterschritten werden. Und in jedem Fall geschieht das, noch bevor tatsächlich Qualitätseinbußen entstehen. Zudem kann eine lückenlose Rückverfolgbarkeit jeder Charge gewährleistet werden, was wiederum die rasche Eingrenzung im Fehlerfall ermöglicht und die Haftungsrisiken entsprechend reduziert.

Die Industrie ist derzeit noch lange nicht so weit. Noch dominiert in der Qualitätssicherung die Handarbeit, es gibt kaum Digitalisierung und Medienbrüche sind der Normalzustand. Aber Industrie 4.0 wird nicht ohne Qualität 4.0 funktionieren – die Erfüllung der Anforderungen der Digitalisierung, wie kleine Losgrößen, kurze Produktlebenszyklen oder enge Time-to-Market soll ja nicht mit minderer Qualität erkauf werden.


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