Cisco arbeitet an der Entwicklung von Netzen, Rechenzentren und Internet-Technologien, die auf Quantenbasis funktionieren sollen. Im Gegensatz zu klassischen Netzen sollen die neuen Netze mit Photonen arbeiten. [...]
Wenn es um Hardcore-Quanten-Computing geht, gehörte Cisco bislang nicht unbedingt zur ersten Hausnummer, an die man denkt. Das könnte sich in diesem Jahr ändern. Nach IBM, Intel, Microsoft, Amazon, Google, Baidu, Honeywell, Quantinuum und anderen will sich jetzt auch Cisco stärker in Sachen Quantum Computing engagieren. Und Cisco ist nicht der einzige Netzwerk-Player, der dies tut. So ging etwa Juniper im September letzten Jahres eine Technologiepartnerschaft mit dem Quantenspezialisten Arquit Quantum ein. Gemeinsam wollen sie eine Netzwerk-Sicherheitstechnologie entwickeln, die vor mit Quanten-Computing möglichen neuen Bedrohungen schützen soll. Von besonderem Interesse für Cisco ist die Entwicklung von quantenbasierten Netzen, Rechenzentren und Internet-Technologien.
Welchen Stellenwert Quanten-Computing bei Cisco hat, zeigt ein Blick auf die Technology Predictions 2022 von Liz Centoni, Executive Vice President, General Manager und Chief Strategy Officer von Cisco: Sie zählt Quanten-Computing zu den Top-5 der Emerging Technologies, die in den nächsten Jahren unsere Welt verändern und das Business verändern werden. Eine Einschätzung, mit der sie nicht allein ist. So geht Gartner davon aus, dass bis 2025 fast 40 Prozent der Großunternehmen über Quanteninitiativen verfügen werden. Und IDC prognostiziert, dass der weltweite Markt für Quantencomputer im Jahr 2027 einen Wert von 8,6 Milliarden Dollar haben wird.
Cisco investiert in Photonik
Cisco selbst will zunächst einmal in die Entwicklung der Photonik investieren. Sie soll die Quantenkommunikation sowie andere Hardware- und Softwaretechnologien für Quanten-Computing, –Netzwerke und -Kryptografie ermöglichen. „Unsere Forscher sind auf der Suche nach der nächsten großen Innovation mit dem Ziel, neue Produktangebote für Cisco zu schaffen“, erklärt Ramana Kompella, Distinguished Engineer und Leiter der Forschungsabteilung in der Emerging Tech and Incubation Group bei Cisco, das Engagement des Konzerns.
„Quantennetze könnten eine neue Art von sicherer Verbindung zwischen digitalen Geräten ermöglichen und sie für Hacker unangreifbar machen“, führt Chief Strategy Officer Centoni weiter aus. „Dies könnte zu einem besseren Schutz vor Betrug bei Transaktionen führen. Darüber hinaus könnte diese höhere Qualität der sicheren Konnektivität auch die Sprach- und Datenkommunikation vor Störungen und Abhörmaßnahmen schützen. All diese Möglichkeiten werden das Internet, wie wir es heute kennen und nutzen, verändern.“
Vision der Quanten-Rechenzentren
Im Detail scheint Cisco in Sachen Quanten-Computing an zwei Szenarien zu arbeiten: Das eine ist der Aufbau von Quanten-Rechenzentren, die klassische lokale Netzkonzepte nutzen, um Quantencomputer miteinander zu verbinden, damit sie miteinander kommunizieren können, um große Probleme zu lösen. Das andere Szenario ist ein auf Quanten basierendes Netzwerk, das Quantenbits (Qubits) von Quantenservern mit hoher Geschwindigkeit überträgt. „Wir stellen uns eine hybride Netzwerkumgebung vor, die sowohl die klassische Signalübertragung und andere Technologien unterstützt, als auch die Photonik zur Übertragung von Qubits von Server zu Server nutzt“, erklärt Kompella.
Dabei dürfte die Photonik, so ist man bei Cisco überzeugt, eine zentrale Rolle bei der Realisierung von Quantencomputern im großen Maßstab spielen – entweder für Einzelchip-Prozessoren oder für den Aufbau eines verteilten Rechensystems. So könnten photonische Netze eine deutlich bessere Skalierbarkeit der Quantencomputer ermöglichen. Ferne würde die Photonik eine durchgängige Verbindung zwischen den Modulen erlauben, was zu einer erheblichen Steigerung der Rechenleistung des Systems führe. Um entsprechende photonische Quantenchips zu entwickeln, ging Cisco bereits eine Partnerschaft mit der University of California, Santa Barbara (UCSB) ein.
Das Internet wird zum Quanten-Internet
Bei aller Euphorie über das Potenzial der Quantenvernetzung eines Rechenzentrums muss man aber auch feststellen, dass die Technik noch in ihren Kinderschuhen steckt. Weiter scheint man da schon mit der Idee des Quanten-Internets zu sein. So wollen chinesische Forscher bereits 2021 das weltweit erste integrierte Quantenkommunikationsnetz realisiert haben. Das Netz verknüpfte über 700 optische Fasern am Boden mit zwei Boden-Satelliten-Verbindungen, um eine Quantenschlüsselverteilung (QKD) über eine Entfernung von fast 3.000 Meilen zu erreichen.
Cisco selbst ist wiederum beim US-amerikanischen Center for Quantum Networks (CQN) mit im Boot. In den USA haben Quanten-Netze mittlerweile bereits einen strategischen Stellenwert. So führt das Weiße Haus in dem Strategiepapier „A STRATEGIC VISION FOR AMERICA’S QUANTUM NETWORKS“ aus, dass man ähnlich wie 1969 mit ARPANET – dem Vorläufer des Internets – eine führende Rolle bei der Entwicklung des Quanten-Internets übernehmen will.
Mega Qubit/s statt Mbit/s
Das CQN hat sich zum Ziel gesetzt, das erste Quantennetz zu entwickeln, das mit Hilfe von Quanten-Repeatern eine vollständig fehlerkorrigierte Quantenkonnektivität mit 10 Mega Qubits/s über 100 km gleichzeitig zwischen mehreren Nutzergruppen ermöglicht. Bei den Quanten-Repeater handelt es sich um spezielle Quantenprozessoren, die eine Hochgeschwindigkeitskommunikation von Qubits (Quantenbits, die in der Superposition von 0 und 1 leben) über eine große Entfernung ermöglichen. Ausgestattet mit Quantenspeichern und Spin-Photonen-Schnittstellen, um sie mit der modernen Telekommunikationsinfrastruktur zu verbinden, werden der Quanten-Repeater in zwei Testumgebungen (in Tucson und Boston) getestet, validiert und verbessert.
Wie ernst es Cisco mit der Quanten-Entwicklung ist, zeigt eine Ausschreibung für Quantentechnologien aus dem letzten Jahr. Darin sucht der Konzern nach einer von Technologien, die rund um das Quanten-Computing erforderlich sind:
- Photonenquellen und -Detektionstechnologie,
- Herstellungsmethoden und Materialien für Photonen-Chips,
- Anwendungen für Quantennetzwerke,
- Quantenkryptographie über QKD hinaus, und
- Sicherheit von Quantenkryptographie-Protokollen.
*Michael Cooney ist Senior Editor bei der amerikanischen Schwesterpublikation Network World.
**Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN).
Be the first to comment