Das globale Finanzierungsumfeld entwickelt sich dynamisch: Die Investitionen in Quantum-Start-ups stiegen 2024 im Vergleich zu 2023 um rund 50 Prozent auf knapp 2 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig verlagert sich der Fokus der Investoren. Rund 70 Prozent [...]
Das globale Finanzierungsumfeld entwickelt sich dynamisch: Die Investitionen in Quantum-Start-ups stiegen 2024 im Vergleich zu 2023 um rund 50 Prozent auf knapp 2 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig verlagert sich der Fokus der Investoren. Rund 70 Prozent des Kapitals fließen inzwischen in reifere Unternehmen mit erprobten Technologien und Frühphasen-Start-ups, die noch ganz am Anfang stehen.
Die jährlich wiederkehrende Studie analysiert aktuelle Entwicklungen in Forschung, Markt und Finanzierung. Sie beleuchtet, welche Branchen von Quantentechnologien profitieren – allen voran Chemie, Life Sciences, Finanzwesen und Mobilität – und wie neue Innovationen die unterschiedlichen Technologien reif für den Einsatz machen.
Investitionen in Quantentechnologien steigen deutlich – Österreich im internationalen Vergleich mit Nachholbedarf
Besonders auffällig ist der starke Zuwachs öffentlicher Mittel – von 15 Prozent auf 34 Prozent (im Vergleich von 2023 auf 2024). Diese Zahlen spiegeln die erhöhte Dringlichkeit und bedeutenden Investitionen durch Regierungen weltweit wider. Im internationalen Vergleich liegt Österreich jedoch zurück: Mit insgesamt 127 Millionen US-Dollar an öffentlichen Investitionen in Quantentechnologie bis April 2025 bleibt das Land signifikant hinter führenden Nationen wie China (über 15 Milliarden US-Dollar), Japan (7,4 Milliarden US-Dollar), den USA (insgesamt 6 Milliarden US-Dollar) oder Deutschland (5,2 Milliarden US-Dollar).
„Österreich investiert stark in die Quantenforschung, doch es fehlt an ausreichender Finanzierung, um wissenschaftliche Exzellenz in wirtschaftlichen Erfolg zu überführen“, erklärt Martin Wrulich, Managing Partner von McKinsey in Österreich. „Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es mehr staatliche und industrielle Unterstützung bei der Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen.“
Auch auf europäischer Ebene wird deutlich, wie entscheidend strategische Investitionen für die künftige technologische Positionierung sind: „Die rasante Entwicklung im Quantentechnologie-Sektor zeigt, dass Europa eine führende Rolle in der Welt spielen könnte. Diese Investitionen können ein Schlüssel zur Sicherung der technologischen Souveränität und wirtschaftlichen Stärke Europas sein,“ sagt Henning Soller, Partner im Frankfurter Büro und Leiter der Quantum Technology Research Group bei McKinsey.
Während Europa mit acht von 19 Neugründungen seine Rolle als Innovationsquelle bestätigt, holen asiatische Länder mit Hilfe staatlicher Förderprogramme und Industriepartnerschaften schnell auf. Frühzeitige Investitionen etwa in Japan und umfangreiche Fördermittel in China – mit über 15 Milliarden US-Dollar staatlicher Finanzierung für sicherheitsrelevante Anwendungen, Verteidigung und KI – unterstreichen die wachsende geopolitische Relevanz der Technologie. „Wir sehen eine klare Verschiebung: Quantentechnologien werden nicht mehr nur gefördert, sondern zunehmend strategisch gesteuert in Wirtschaftsräumen, die Technologieführerschaft anstreben“, sagt McKinsey-Partner Henning Soller.
Von Entwicklung zu Anwendung: Innovationen beschleunigen sich
Quantentechnologie verlässt die Laborphase: Immer mehr Unternehmen schaffen reale Umsätze. Allein im Jahr 2024 erwirtschafteten Quantencomputing-Unternehmen weltweit zwischen 650 und 750 Millionen US-Dollar.
Folgende Durchbrüche konnten in den drei Technologiefeldern realisiert werden:
- Quantencomputing: Fortschritte in der Fehlerkorrektur und Steuerung von Quantenbits (Qubits) machen skalierbare Systeme realistisch. Googles 105-Qubit- Chip „Willow“ und Innovationen von Start-ups wie Alice & Bob, IonQ, Riverlane oder QuEra zeigen, dass fehlerkorrigiertes Quantencomputing keine ferne Vision mehr ist. QuEra demonstrierte zuletzt einen logischen Prozessor mit 280 physischen Qubits – ein Beleg für die wachsende technische Reife. Das wirtschaftliche Potenzial ist enorm: Allein Quantencomputing könnte bis 2035 einen globalen Markt von bis zu 72 Milliarden US-Dollar erreichen und in vier Schlüsselbranchen einen ökonomischen Mehrwert von bis zu 2 Billionen Dollar generieren.
- Quantenkommunikation: Angesichts des drohenden „Q-Day“ – jenes Zeitpunkts, an dem Quantencomputer klassische Verschlüsselung knacken könnten – wird sichere Kommunikation zur Priorität. Der Markt wuchs 2024 auf 1,2 Milliarden US-Dollar und könnte sich bis 2035 auf bis zu 15 Milliarden USDollar vervielfachen.
- Quantensensorik: Die Entwicklung geht rasant voran: Vom Einsatz in der Raumfahrt über präzisere Halbleiterdiagnostik bis hin zu quantengestützter Navigation zeigen sich immer mehr industrielle Anwendungen. Unternehmen wie SandboxAQ, QuantumDiamonds oder Q-CTRL treiben die Kommerzialisierung aktiv voran.
Auch in puncto Patente beherbergt Europa führende Innovationsstandorte: Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande verantworten gemeinsam rund 27 Prozent der weltweit erteilten Quantentechnologie-Patente.
Globale Hotspots: Start-up-Gründungen konzentrieren sich in strategischen Clustern
Quantum-Start-ups entstehen zunehmend in eng vernetzten Innovationsclustern, d.h. Regionen, in denen akademische Institutionen, Forschungseinrichtungen und Kapitalgeber gezielt zusammenwirken. Neue Cluster entstehen unter anderem in Seoul, Tel Aviv und Abu Dhabi. In Nordamerika treiben US-Bundesstaaten wie Illinois und Maryland gezielt die Entwicklung voran – mit Förderzusagen von über 500 Millionen USDollar bzw. Initiativen, die mehr als eine Milliarde Dollar an öffentlichen und privaten Investitionen mobilisieren sollen.
Damit Innovationscluster langfristig funktionieren, braucht es laut den Autoren und Autorinnen fünf Dinge: Kapital, Infrastruktur, Talent, starke Partnerschaften und technologische Anschlussfähigkeit. Gerade innerhalb neuer Hubs entscheiden enge Allianzen zwischen Wissenschaft, Industrie und Politik über die Skalierung.
Synergien mit anderen Schlüsseltechnologien
Quantentechnologien wirken nicht isoliert, sondern entfalten ihre volle Kraft im Zusammenspiel mit anderen Zukunftstechnologien. Besonders enge Wechselwirkungen bestehen mit Künstlicher Intelligenz (KI), Robotik, Nachhaltigkeitstechnologien und Cybersicherheit.
So kann Quantum Computing zentrale Limitierungen beim Training großer KI-Modelle überwinden – etwa in Bezug auf Speicherbedarf, Datenverarbeitungsgeschwindigkeit oder Rechenkapazität. Gleichzeitig beschleunigt KI die Entwicklung quantenbasierter Software, Materialforschung und Fehlerkorrektur. „Die Synergien zwischen Quantentechnologie und KI sind enorm. Sie ermöglichen es uns, komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen, was für beide Bereiche eine enorme Beschleunigung bedeutet“, sagt Martina Gschwendtner, promovierte Quantenphysikerin und Beraterin im Münchner McKinsey- Büro. In der Robotik ermöglichen quantenbasierte Sensoren, Authentifizierungsverfahren und Algorithmen neue Anwendungsfelder – von autonomer Navigation ohne GPS bis hin zu chirurgischer Feinsteuerung. Nachhaltigkeitstechnologien profitieren von effizienterer Simulation, Materialentwicklung und Optimierung durch Quantenalgorithmen.
Cybersicherheit und Kryptografie vor dem Umbruch
Nicht zuletzt steht die Cybersicherheit vor einem Paradigmenwechsel, denn viele heute gängige Verschlüsselungsverfahren – etwa RSA oder ECDSA – könnten durch Quantenalgorithmen in Zukunft gebrochen oder massiv geschwächt werden. Konkret könnte das in der Realität bedeuten, dass Daten, die heute noch sicher erscheinen, rückwirkend lesbar werden. Besonders gefährdet sind langfristig relevante Informationen wie biometrische Identitäten, Gesundheitsdaten oder Daten aus dem Wirkungskreis von Geheimdiensten.
Unternehmen und Behörden sollten daher schon heute in quantensichere Verfahren investieren – etwa durch den Einsatz von Post-Quantum-Kryptografie, Quantum Key Distribution (QKD) oder quantenbasierter Zufallszahlengenerierung. Gleichzeitig könnten Quantenalgorithmen künftig auch selbst zur Abwehr beitragen, etwa durch die präzisere Erkennung von Angriffsmustern oder die Optimierung von Reaktionsprozessen im Ernstfall.

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