Redtube-Abmahnungen: Einstweilige Verfügung gegen Abmahn-Anwälte

Mit einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Hamburg hat das Internet-Portal Redtube die Abmahnwelle gegen seine Nutzer gestoppt. Das Porno-Portal erwirkte, dass zunächst keine weiteren Abmahnungen verschickt werden dürfen. Wie der Fall juristisch zu bewerten ist, bleibt weiterhin offen. [...]

Eine Regensburger Anwaltskanzlei hatte im Dezember 2013 eine fünfstellige Zahl von Abmahnungen an angebliche Nutzer des Portals geschickt und damit eine kontroverse Diskussion ausgelöst. Hinter der Aktion stand das Schweizer Unternehmen „The Archive AG“, das die Urheberrechte an zahlreichen Pornos auf Redtube für sich beansprucht. Das Landgericht Hamburg entschied allerdings, dass Nutzer von Streaming-Diensten nur dann abgemahnt werden können, wenn es sich bei den betroffenen Filmen um offensichtliche Urheberrechtsverletzungen handeln würde. Bei Redtube sei dies allerdings nicht der Fall gewesen.

STREAMS UNBEDENKLICH?
Die groß angelegte Abmahnwelle hatte im Dezember eine umfangreiche Diskussion über den legalen Status von Streaming-Diensten ausgelöst, in den sich zuletzt sogar das deutsche Bundesjustizministerium eingeschaltet hatte. Das reine Betrachten eines Streams, das bislang als rechtliche Grauzone galt, sei unbedenklich, so die Stellungnahme der Regierungsbehörde. Rechtlich ist diese Einschätzung allerdings zunächst nicht weiter von Belang, solange sie sich nicht im Wortlaut des Gesetzes widerspiegelt. Eine explizite Legalisierung von Streaming plant die deutsche Bundesregierung derzeit allerdings nicht.

NOCH KEINE ENTWARNUNG FÜR REDTUBE-NUTZER

Die abmahnende Anwaltskanzlei stellte derweil in Aussicht, dass grundsätzlich mit weiteren Forderungen gerechnet werden muss. Letztlich entscheide der Mandant „The Archive AG“ über das weitere Vorgehen, teilte Geschäftsführer Thomas Urmann dem Nachrichtenmagazin Focus mit. Trotz des Etappenerfolges von Redtube kann für die Nutzer des Portals damit noch keine Entwarnung gegeben werden. In der unklaren aktuellen Situation kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass letztlich erst ein höchstinstanzliches Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof die endgültige Entscheidung bringt. Obwohl sich die aktuelle Abmahnwelle bislang nur gegen die Nutzer von Redtube gerichtet hat, sind von der ungeklärten rechtlichen Situation grundsätzlich auch andere Streaming-Portale betroffen.

So verschwand beispielsweise letztes Jahr eines der weltweit größten Film-Streaming-Portale, Movie2K, ohne jegliche Spur aus dem Netz – nur um Tage später unter neuem Namen wieder aufzutauchen.

REDTUBE WERTET AKTUELLE ENTWICKLUNG ALS ERFOLG
Bei den Nutzern von Redtube und ähnlichen Plattformen herrscht derweil weiterhin Verunsicherung vor, was ein Thread auf gutefrage.net zeigt. Wer bereits eine Abmahnung erhalten hat, sollte diese nach Einschätzung von Experten keinesfalls einfach ignorieren. Solange in der Situation keine endgültige Entscheidung herbeigeführt wurde, sei es auf jeden Fall notwendig, sich rechtliche Unterstützung zu suchen. Redtube selbst wertet die einstweilige Verfügung derweil als wichtigen Erfolg. In einer Pressemitteilung gab das Unternehmen nach dem Gerichtsbeschluss bekannt, die Verletzung der Privatsphäre seiner Nutzer nicht tolerieren zu wollen. Redtube selbst stuft die rein passive Nutzung seiner Streaming-Dienste weiterhin als rechtlich unbedenklich ein.

ÖSTERREICH: RECHTSLAGE EBENFALLS NICHT GEKLÄRT

Auch für Österreich sei die Rechtslage nicht restlos geklärt, erklärt Mag. Bernhard Schörghuber, Rechtsanwaltsanwärter bei TaylorWessing enwc Rechtsanwälte, auf Anfrage von Computerwelt.at. „Es stellt sich die Frage, ob sich Endnutzer, wenn sie Inhalte aus dem Internet streamen, auf freie Werknutzungen nach dem österreichischen Urheberrecht berufen können. Relevant ist dabei zum einen die freie Werknutzung zu Gunsten der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch – die Privatkopie –, zum anderen jene zur flüchtigen oder begleitenden Vervielfältigung – Cache“, so Schörghuber, und weiter: „Unklar ist in diesem Zusammenhang, ob Privatkopie und flüchtige Vervielfältigung nur unter der Voraussetzung zulässig sind, dass der Streaminginhalt rechtmäßig öffentlich zugänglich gemacht wurde – man vergleiche etwa die Mediatheken großer TV-Sender im Gegensatz zu zweifelhaften Angeboten im Netz.“ Denn weder die Privatkopie noch flüchtige Vervielfältigung dürfen laut Schörghuber die Interessen der Rechteinhaber oder die (entgeltliche) Verwertung der Rechte ungebührlich beeinträchtigen, aber genau das könnte beim Streamen rechtswidrig öffentlich gemachter Inhalte der Fall sein. „In diesem Fall würde bereits das bloß passive Streamen einen Urheberrechtsverstoß darstellen“, so der Jurist.

„Die Frage, ob eine rechtmäßige Vorlage Voraussetzung für Privatkopie und flüchtige Vervielfältigung ist, hat der österreichische Oberste Gerichtshof dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Generalanwalt des EuGH hat seine Schlussanträge bereits gestellt, ist aber auf die hier interessierende Frage nicht eingegangen. Die Entscheidung der Richter in Luxemburg wird daher mit Spannung erwartet“, erklärt Schörghuber abschließend.

WIDERSTAND VON BETROFFENEN
Obwohl viele Betroffene den von den Abmahnern geforderten Betrag wohl peinlich berührt bezahlt haben, gab es auch Widerstand. So hat erst kürzlich ein „Widerspenstiger“, der sich zuvor über seinen Anwalt gegen die Abmahnung zur Wehr gesetzt hat, eine Schadensersatzklage gegen den abmahnenden Rechtsanwalt und dessen Anwaltskanzlei eingereicht, wie unser deutsches Schwesternportal Channelpartner berichtet. Er verlangt die Erstattung seiner eigenen Anwaltskosten. Sollte das Gericht den Anspruch bestätigen könnte sich das Blatt gegen die Abmahnanwälte wenden – Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe könnten auf sie zukommen. (pi/rnf)


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