Religionsgemeinschaften: Streit um heilige Domains

Die Öffnung des Top-Level-Domain-Systems für neue Adress-Endungen führt zu Streitigkeiten unter religiösen Gruppierungen, wie religionnews.com berichtet. [...]

Bisher gab es nur wenige Alternativen zu den Standard-Top-Level-Domains (TLD) wie .at, .de oder .com, nach der Liberalisierung sind aber auch Endungen wie .bibel oder .catholic möglich. Mormonen, Vatikan und andere Gemeinschaften haben bereits Anspruch auf verschiedene religiöse TLDs bei der zuständigen ICANN beantragt. Wer den Zuschlag für die Verwaltung erhält, kann kontrollieren, wer eine entsprechende Adresse bekommt, wodurch das Rennen besonders brisant wird.
„Jede Organisation, die mit der Verwaltung einer TLD betraut wird, kann die Vergaberichtlinien der Adressen bestimmen. Die ICANN entscheidet nach verschiedenen Kriterien. Bewerbungen, hinter denen eine Community steht, bekommen Vorrang. Gibt es mehrere gleichwertige Anträge, kommt es zu einer Auktion. Alle Anträge müssen einen Business-Plan enthalten, es ist also davon auszugehen, dass zumindest auf längere Sicht Geld mit den neuen TLDs verdient wird, sagt nic.at-Geschäftsführer Richard Wein gegenüber der Nachrichtenagentur pressetext.
Alleine in den USA gibt es laut einer Studie des Hartford Institute for Religion Research 335.000 Glaubensgemeinschaften, die eine Internetpräsenz unterhalten. Im derzeitigen, reglementierten TLD-System sind die meisten Möglichkeiten für religiöse Adressen bereits ausgeschöpft. Mit einer TLD wie .faith könnte religiösen Gruppen eine Internetpräsenz mit Wiedererkennungswert garantiert werden. Trotz der 185.000 Dollar Bewerbungsgebühr und den zusätzlichen jährlichen Kosten von 25.000 Dollar haben sich schon viele mächtige Religionsgemeinschaften um neue TLDs beworben.
„In Deutschland liegt noch keine Bewerbung vor. Die technische Betreuung werden zum Großteil die heutigen Anbieter übernehmen“, so Wein.
Der Vatikan etwa hat 740.000 Dollar bezahlt, um ins Rennen für die TLD .catholic in vier Sprachen einzusteigen. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage – auch „Mormonen“ genannt – interessiert sich sich für die TLDs .lds und .mormon. Auch für .christmas, .faith, .kosher und .islam gibt es bereits Bewerbungen bei der ICANN. „Diese neuen TLDs eröffnen uns einen Raum für digitale Missionsarbeit. Millionen Menschen suchen im Netz nach Antworten“, sagt Geoffrey Morin von der Amerikanischen Bibelgesellschaft, die Anspruch auf .bible erheben möchte.
Auch die katholische Kirche glaubt, mit einer maßgeschneiderten TLD ihre Botschaft effizienter im Netz zu verbreiten, wie Sprecher Paul Tighe erklärt. Der Vatikan würde im Falle des Zuschlags streng kontrollieren, wer eine .catholic-Adresse erhält und wer nicht. Nur dem Vatikan genehme Inhalte dürften unter die offizielle TLD schlüpfen, so Tighe. Ähnliches planen die Mormonen mit den von ihnen beantragten TLDs. „Darin sehe ich kein Problem. Dass etwa der Vatikan keine Gotteslästerung unter seiner TLD zulässt, ist klar“, so Wein.
Einige Applikanten, wie LifeChurch.tv, eine technologiezentrierte US-Glaubensgemeinschaft, möchten ihre TLDs – in diesem Fall .church – offen halten, sofern die potenziellen Internetseiten nicht illegal oder vulgär sind. Eine Gebühr wird für die Untermieter aber trotzdem fällig.
Bei von verschiedenen Religionsgemeinschaften gefragten TLDs wie .church sind Probleme vorprogrammiert, sagen Experten. Die Entscheidung über die Zuschläge bei gefragten Adressen wie FirstBaptist.church ist schwierig und wenn Antragsteller ausgeschlossen werden, drohen sogar Prozesse wegen Diskriminierung. Die parodistische „Kirche des fliegenden Spaghetti-Monsters“ etwa würde von religiösen Gruppierungen wahrscheinlich nur schwerlich eine Adresse erhalten.
Neben den Kirchen haben sich auch kommerzielle Unternehmen um religiöse TLDs beworben. Die Chancen stehen zwar schlecht, aber die ICANN wird die Argumente sorgsam abwägen. Mit einer Entscheidung ist aber erst 2013 zu rechnen. „Gerade in den USA, wo die Religion auch ein riesiges Geschäft ist, wird es noch einige Diskussionen – und vielleicht auch Prozesse – geben, aber erst nach der Vergabe durch die ICANN“, glaubt der Experte. (pte)

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