Risikomanagement in österreichischen Unternehmen: Noch viel Luft nach oben

EY-Umfrage Risikomanagement in Corporates 2024: Wichtigkeit von Risikomanagement wird noch immer unterschätzt. Ein Viertel der befragten Unternehmen hat keine Risikomanagement-Abteilung oder -Funktion. [...]

Markus Hölzl, Leiter des Risk Management Consulting Teams und Partner bei EY Österreich. (c) EY
Markus Hölzl, Leiter des Risk Management Consulting Teams und Partner bei EY Österreich. (c) EY

Die zunehmende Vernetzung und Komplexität unserer Welt bringt wachsende Herausforderungen mit sich und macht unsere Gesellschaft anfälliger für Krisen. Technologischer Fortschritt, Klimawandel, politische Instabilität und Bevölkerungswachstum tragen dazu bei, dass Krisen wahrscheinlicher und deren Auswirkungen schwerwiegender werden. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, diese vielfältigen und oft miteinander verknüpften Risiken zu bewältigen. Dabei kommt dem Risikomanagement eine zentrale Rolle zu. Effektive Risikomanagement-Strategien sind essenziell, um Unternehmen widerstandsfähiger zu machen und ihnen zu ermöglichen, in einer unsicheren Wirtschaftswelt stabil zu bleiben.

Trotzdem wird die Bedeutung des Risikomanagements weiterhin nicht ausreichend erkannt: Obwohl mittlerweile 75 Prozent der Unternehmen eine entsprechende Abteilung oder Funktion haben, fehlt diese Struktur noch immer bei einem Viertel der Befragten. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies sogar einen Rückgang um fünf Prozentpunkte (2023: 80 Prozent).

Markus Hölzl, Leiter des Risk Management Consulting Teams und Partner bei EY Österreich, ergänzt: „Die dynamischen Veränderungen in unserer vernetzten Welt erfordern von Unternehmen ein Höchstmaß an Anpassungsfähigkeit und Weitsicht. Neben traditionellen Risiken müssen wir uns auch neuen Bedrohungen stellen, die durch technologische Entwicklungen, den Klimawandel und geopolitische Unsicherheiten entstehen. Risikomanagement darf nicht länger als nachrangige Aufgabe betrachtet werden. Es ist ein integraler Bestandteil der Unternehmenssteuerung, der proaktiv und umfassend angegangen werden muss, um langfristige Stabilität und Erfolg sicherzustellen. Unternehmen, die in diesem Bereich nicht konsequent handeln, riskieren erhebliche Nachteile in einer zunehmend volatilen Wirtschaftsumgebung.“

Das sind Ergebnisse einer gemeinsamen Umfrage von EY Österreich, Business Circle und CRIF. Dafür wurden 64 Unternehmensvertreter:innen unterschiedlicher Branchen sowie Größen in Österreich befragt.

Risikomanagement im Aufwind: Mehr Vollzeitstellen als im Vorjahr

Positiv festzuhalten ist, dass immerhin knapp vier von zehn befragten Unternehmen (37,5 Prozent) bis zu drei Vollzeitmitarbeitende für Risikomanagement beschäftigen – im letzten Jahr waren es nur 25,8 Prozent. 18,8 Prozent verfügen sogar über mehr als drei Vollzeitstellen.

Dennoch widmet sich immer noch bei knapp der Hälfte der Unternehmen (43,8 Prozent) weniger als eine Vollzeitstelle dem Thema Risikomanagement und bei 17,2 Prozent ist die Funktion des/der Risikomanagers:in aktuell noch nicht etabliert und es wird kein Vollzeitmitarbeitender für die Thematik abgestellt. Das stellt ein erhebliches Risiko dar, da fehlende Strukturen und personelle Ressourcen die Fähigkeit eines Unternehmens beeinträchtigen, auf Krisen effektiv und schnell zu reagieren.

Krisenmanagement: Unternehmen nutzen Risikomanagement nicht ausreichend

Obwohl Unternehmen die Bedeutung von Flexibilität erkannt haben, mangelt es oft noch an der praktischen Umsetzung agiler Methoden. Zwar schätzen 82,6 Prozent der Unternehmen ihre Fähigkeit zur schnellen Reaktion auf veränderte Umweltfaktoren als agil bis sehr agil ein, gleichzeitig berichten jedoch 40,2 Prozent, dass die Prinzipien der Agilität in ihrem Risikomanagement nur schwach bis sehr schwach ausgeprägt sind.

Nahezu alle Unternehmen (92,2 Prozent) schätzen ihre Organisation als stark bis sehr stark widerstandsfähig gegen Krisen ein, doch 34,4 Prozent sehen den Beitrag des Risikomanagements zur Widerstandsfähigkeit als stark ausbaufähig. Diese Diskrepanz zeigt, dass das Risikomanagement in vielen Unternehmen noch nicht optimal integriert und genutzt wird. Ohne eine starke Einbindung des Risikomanagements in die Unternehmensstruktur kann die tatsächliche Widerstandsfähigkeit gegen Krisen beeinträchtigt werden.

Darüber hinaus messen oder evaluieren 18,8 Prozent der Unternehmen ihre organisatorische Resilienz gegen Krisen nicht, und 37,1 Prozent geben an, dass die Faktoren zur Stärkung der Resilienz gegen Krisen (z.B. flexibel, robust, vorausschauend, lernend, interaktiv und vielfältig) nur schwach bis sehr schwach ausgeprägt sind. Diese Lücken in der Messung und Bewertung der Resilienz bedeuten, dass viele Unternehmen möglicherweise nicht in der Lage sind, ihre Fähigkeit zur Bewältigung von Krisen objektiv zu beurteilen und zu verbessern.

Roland Otto, Sales Director Corporate Industry bei CRIF Austria, erklärt: „Risikomanagement ist für jedes Unternehmen essenziell, besonders in so dynamischen Zeiten wie unsere. Und mit der richtigen Technologie haben Unternehmen einen sehr niederschwelligen Zugang zu den Daten und dem Wissen, das sie dafür benötigen. Als führendes Unternehmen für solche datenbasierte Technologie unterstützt CRIF Unternehmen von allen Größen dabei, ihr Risikomanagement auf die Zukunft auszurichten und die Geschäftspotenziale darin zu realisieren.“

Auch der Blick nach außen ist für ein effektives Risikomanagement unerlässlich – jedoch beschäftigen sich viele Organisationen nur im geringen Ausmaß mit externen Entwicklungen. 26,6 Prozent analysieren externe Entwicklungen nicht ausreichend, um einen kurzfristigen Handlungsbedarf für das Risikomanagement identifizieren zu können. 21,9 Prozent geben an externe Entwicklungen auch nicht oder nur in schwachen Ausmaß dahingehend zu analysieren, ob Ableitungen und Handlungsbedarfe für die generelle zukünftige/längerfristige Ausrichtung des Risikomanagementsystems berücksichtig werden sollten. Diese Vernachlässigung kann dazu führen, dass Unternehmen wichtige Trends und Risiken übersehen, die ihre langfristige Stabilität beeinträchtigen könnten.

Gerhard Pichler, Managing Partner von Business Circle, ergänzt: „Die Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen Agilität und Resilienz der Unternehmen und der tatsächlichen Implementierung dieser Prinzipien in das Risikomanagement zeigt, dass es noch viel Potenzial für Verbesserungen gibt. Unternehmen müssen erkennen, dass Agilität und Resilienz nicht nur Buzzwords sind, sondern fundamentale Prinzipien, die tief in der Unternehmensstruktur und -kultur verankert sein müssen, um wirklich effektiv zu sein. Ohne ein robustes und proaktives Risikomanagement werden diese Konzepte ihre volle Wirkung nicht entfalten können.“

Mangelnde Datennutzung bremst Risikomanagement und nachhaltige Entwicklung

Viele Unternehmen haben gar nicht die nötige Datenbasis, um flexibel auf Veränderungen und Risiken reagieren zu können. 28,1 Prozent der Unternehmen empfinden die aktuell vorhandenen Daten als wenig bzw. nicht ausreichend für eine agile Steuerung. Bei 35,9 Prozent stehen Echtzeitdaten zur Risikoposition der Organisation nicht oder kaum zur Verfügung, was die Fähigkeit zur schnellen und informierten Entscheidungsfindung einschränkt. Zudem stufen 28,2 Prozent der Unternehmen den Grad der Datenvernetzung risikorelevanter Informationen als eher schwach bis schwach ein, was die Integration und Analyse von Daten aus verschiedenen Quellen erschwert.

Organisationen, die über die notwendigen Daten (z.B. Finanz-, Markt- und Technologiedaten, Daten zur konjunkturellen Entwicklung, Compliance-Daten etc) verfügen, nutzen diese aber nur begrenzt (39,4 Prozent in vollem Umfang, 36,8 Prozent teilweise). Selbst wenn Daten vorhanden sind, werden diese oft nicht effektiv genutzt und beeinträchtigen damit eine fundierte Entscheidungsfindung und Risikobewältigung erfolgen kann.

Obwohl Nachhaltigkeit seit mehreren Jahren ein zentrales Thema darstellt, fehlen den Unternehmen im Durchschnitt am meisten Daten zu Nachhaltigkeit (28,1 Prozent) und Umwelt (43,8 Prozent). Zudem werden die vorhandenen Daten nur begrenzt genutzt – 32,8 Prozent der Unternehmen nutzen die vorhandenen Nachhaltigkeitsdaten nicht oder nur in geringem Ausmaß, während das bei Umweltdaten für 53,2 Prozent gilt.


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