Risikomanagement schützt bei Krisen

Systematisches Risikomanagement wird in der überwiegenden Mehrheit mittelständischer deutschsprachiger Unternehmen vernachlässigt. Das rächt sich, wenn kurzfristige Krisen wie jetzt aktuell das Coronavirus ausbrechen. Mit einem ausdifferenzierten Risikomanagement können Entscheider vorsorgen. [...]

Lediglich 55 Prozent der Unternehmen mit einem Umsatz von über 1 Mrd. Euro erfassen und bewerten Risiken systematisch. (c) pixabay

Unternehmen, die wichtige Lieferanten in Südostasien oder Südeuropa haben, könnten schon bald vor leeren Lagerhallen stehen. Denn lediglich 55 Prozent der Unternehmen mit einem Umsatz von über 1 Mrd. Euro erfassen und bewerten Risiken systematisch. Von den kleineren und mittelständischen Unternehmen tun dies lediglich 29 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Risikomanagement-Studie von INVERTO. „Basis für den Einsatz ausgefeilter Strategien ist die systematische Erfassung von Risiken“, sagt Philipp Mall, Principal bei INVERTO und verantwortlich für die Risikomanagementstudie. „Hier haben die Unternehmen definitiv Nachholbedarf!“

Risikovorsorge auch ohne Analyse

Dennoch definieren drei Viertel aller Unternehmen Gegenmaßnahmen – auch 76 Prozent derer, die Risiken nicht erfassen. Der Mangel an systematischer Überprüfung führt möglicherweise dazu, dass in der Regel Standardmaßnahmen ergriffen werden: So schließen Einkäufer überwiegend langfristige Verträge zur Preissicherung ab, bewerten regelmäßig ihre Lieferanten und verteilen ihre Bedarfe auf mindestens zwei Anbieter (Dual Sourcing). Diese Lösungen werden von jeweils über 70 Prozent der Befragten genutzt. Die Maßnahmen sind sinnvoll, sollten aber durch komplexere Methoden ergänzt werden, wie die aktuelle Situation zeigt.

Erstmals gaben dieses Jahr 16 Prozent der Studienteilnehmer an, dass sie Künstliche Intelligenz (KI) und Big Data zum Lieferantenmonitoring verwenden. Der Einsatz digitaler Lösungen kann helfen, Ausfallrisiken zu minimieren. Auch vordefinierte Notfallpläne und ein professionelles Risiko-Früherkennungssystem sind sinnvoll. „Ziel eines intelligenten Risikomanagements ist es, zu jeder Zeit handlungsfähig zu bleiben“, betont Mall.

Protektionismus und Brexit machen nach wie vor Sorgen

Befragt nach den allgemeinen Geschäftsrisiken, geben 56 Prozent der Studienteilnehmer die Konjunkturschwäche an, die damit an oberster Stelle der Bedrohungen genannt wird. Während Handelsbarrieren und Brexit als Risiken mit 52 und 48 Prozent nahezu gleich stark bewertet werden wie im Vorjahr, ist der Abschwung neu auf der Liste – ein Beleg dafür, dass die Unternehmen ihn nun konkret spüren. Mit 35 Prozent immer noch stark vertreten, aber von deutlich weniger Befragten als im Vorjahr benannt wird eine unzureichende Digitalisierung. Offenkundig erkennen Unternehmen hier nicht mehr nur den Handlungsbedarf, sondern setzen inzwischen Maßnahmen um.

Auch bei den einkaufsspezifischen Risiken hinterlässt die Rezession Spuren. So sehen sich in der aktuellen Umfrage deutlich weniger Teilnehmer bedroht von Versorgungs-, Preis- oder Qualitätsrisiken – die Zahlen sind im Vergleich zum Vorjahr jeweils um zehn bis 15 Prozent gesunken. Gegen den Trend gestiegen ist die Furcht vor Lieferantenausfällen: Sie liegt mit 57 Prozent gut zehn Prozent höher als im Vorjahr und basiert darauf, dass über die Hälfte der Befragten in den vergangenen sechs Monaten mindestens einen Ausfall hinnehmen mussten. Diese Zahl dürfte sich durch das Coronavirus deutlich erhöhen. Philipp Mall: „Die Pandemie zeigt sehr deutlich, wie wichtig ein vorausschauendes Risikomanagement ist. Denn Unternehmen, die bereits vorab Maßnahmen zum Monitoring und Management implementiert haben, können jetzt schneller reagieren und Ausfälle kompensieren.“


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