Robotic Process Automation: Kollege Roboter, übernehmen Sie!

Der Trend, RPA-Tools (Robotic Process Automation) anspruchslose Aufgaben der Knowledge Worker zu übertragen, verspricht Vorteile, birgt aber auch Risiken. [...]

Robotergesteuerte Prozessautomatisierung (auch Robotic Process Automation, RPA) ist eine aus der klassischen Prozessautomatisierung hervorgehende Technologie. Das Spektrum der eingesetzten Software-Agenten reicht dabei von einfachen, händisch eingerichteten Workarounds bis hin zu komplexer Software auf einer virtuellen Maschine.

Während man die Automatisierung von Fertigungsprozessen im Zuge von Industrie 4.0 weitgehend akzeptiert hat, ist der Trend, einfache, sich wiederholende Prozesse im Büro von Softwarerobotern übernehmen zu lassen, von Excel-Makros einmal abgesehen, noch ziemlich neu und wenig bekannt.

Dafür gibt es verschiedene Gründe: Zum einen kommen bei Robotic Process Automation (RPA) – anders als bei der automatisierten Fertigung in den Fabrikhallen – keine physischen Roboter zum Einsatz. Es handelt sich vielmehr um Software, die aufgespielt wird und andere Programme wie E-Mail, Excel oder SAP quasi wie von Geisterhand bedient.

Zum anderen darf man vermuten, dass Unternehmen die Verwendung entsprechender Tools wegen ihres schlechten Images als (vermeintlicher) Jobkiller nur bedingt kommunizieren, von der Politik ganz zu schweigen. Dies bestätigt auch Stefan Gössel, Geschäftsführer bei der Unternehmensberatung Leadvise Reply, der bei Reply den (leicht) übergeordneten Bereich Data Robotics betreut. Ihm zufolge liegt Deutschland bei dem Thema neben USA, Australien und Asien vorne, auch wenn man hierzulande nur wenig von Firmen, die RPA einsetzen, hört.

Gemessen nach Umsätzen ist der RPA-Markt aktuell noch ein zartes Pflänzchen – aus dem aber sehr schnell ein kräftiger Baum werden soll. So schätzt die auf KI und Robotics spezialisierte Analystenfirma Tractica, dass der weltweite Umsatz mit RPA-Software und -Services von 151 Millionen Dollar in 2016 bis 2025 auf über 5,1 Milliarden Dollar anwächst. Zu den wichtigsten Branchen für RPA-Implementierungen zählen laut Tractica Finanzdienstleister und Banken, Versorgungsindustrie und Telekommunikation, Einzelhandel und Gewerbe sowie Gesundheitswesen und Versicherungen. Die größten Marktchancen für RPA-Produkte und -Services erwarten die Analysten im Prognosezeitraum in Europa, dicht gefolgt vom Asien-Pazifik-Raum und Nordamerika.

RPA – Zu Risiken und Nebenwirkungen
Was die Prognosen zu den Einsparpotenzialen betrifft, gehen Marktforscher im Prinzip zwar davon aus, dass sich ein Großteil aller (bezahlten) Tätigkeiten der sogenannten Knowledge Worker automatisieren lassen. Mittlerweile haben aber auch die Chefoptimierer von McKinsey erkannt, dass selbst die Automatisierung von einfachen Geschäftsprozessen nicht ganz trivial ist. Die Management-Beratung führt dafür gleich eine ganze Liste an möglichen Problemen und Fragen auf, etwa:

Was, wenn die Daten – etwa einer Gehaltsabrechnung – in unstrukturierten Format vorliegen oder sich das System geändert hat?

  • Wer pflegt Tausende von Robots und übernimmt Wartung, Upgrades und Security?
  • Plattformen, auf denen die Robots interagieren, wechseln häufig und die erforderliche Flexibilität lässt sich manchmal nicht konfigurieren.
  • Geänderte Regularien, die minimale Änderungen an einer Eingabemaske erfordern, können ein RPA-Projekt um Monate zurückwerfen.
  • 30 Prozent Automatisierung ergeben meistens nicht 30 Prozent Kostenreduktion, der an einer Stelle durch RPA entfernte Flaschenhals kann sich lediglich verlagern.
  • Was, wenn Mitarbeiter an der Konfiguration eines Roboters arbeiten, der sie letztendlich ersetzen soll?

Immerhin: Was die letzte Frage anbelangt, beobachtet Reply-Partner Gössel bei deutschen Firmen nur selten, dass im Zuge eines RPA-Projekts Arbeitsplätze gestrichen werden. Als Grund dafür sieht er insbesondere den aktuell herrschenden Fachkräftemangel hierzulande. Wegen der bereits vorhandenen Domain-Kenntnis gebe es derzeit nur wenige Fälle, in denen Firmen Mitarbeiter, deren Arbeitsplatz wegfällt, ziehen lassen. Sie würden eher für neue – attraktivere – Aufgaben geschult.

Ohnehin diene Automatisierung eher dazu, Angestellte produktiver zu machen, indem man simple, regelbasierte und sich stetig wiederholende Tätigkeiten von Maschinen übernehmen lässt, um Prozesse zu entschlacken, argumentiert Gössel. „Ohne Unterstützung besteht die Tätigkeit eines Vertrieblers zu 50 Prozent aus Vertrieb, zu 50 Prozent aus Systempflege – mit Hilfe von RPA beträgt das Verhältnis künftig 80 zu 20 Prozent“, führt er als Beispiel auf.

RPA macht Insourcing interessant
Wie der Reply-Partner erzählt, hat die Möglichkeit, routinebasierte Aufgaben preisgünstig durch Softwareroboter erledigen zu lassen, noch einen anderen Vorteil: Bereits ausgelagerte Tätigkeiten werden mit RPA wieder interessant und kehren zurück.

Dies sei besonders im Zuge der digitalen Transformation wichtig für Unternehmen, so Gössel, denn: „Wenn ich einen Prozess ausgelagert habe, kann ich keine Innovation mehr damit betreiben.“ Allerdings nutzten insbesondere auch die großen Offshore Outsourcing-Anbieter RPA, um die Kosten herunterzufahren und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Doch worauf müssen Unternehmen achten, die den Einsatz von RPA in Betracht ziehen? „Wichtig ist die Erkenntnis, dass der Einsatz maschineller Arbeitskräfte eine strategische Entscheidung ist“, erklärt Reply-Partner Gössel. Dazu müsse man Fragen wie „Wie und wo manage ich das Betriebsmodell?“ bereits im Vorfeld beantworten und entsprechende Fähigkeiten aufbauen. RPA ist keine Insellösung, sondern sollte in ein Konzept integriert werden, so Gössel: „Die Enterprise Automation Roadmap ist Teil der digitalen Strategie. Ohne eine solche ist es schwer, RPA einzuführen.“

Dem Reply-Partner zufolge gibt es beim Einsatz von Software-Robotern gewisse Parallelen zur Beschäftigung neuer Mitarbeiter: Man automatisiert einen Prozess und ordnet diesen einem Roboter zu. Der Bot wird nach Lizenz berechnet/bezahlt, bekommt User-Namen, Passwort und häufig eine eigene E-Mail-Adresse, meldet sich in SAP oder Salesforce an und wird auf bestimmte Eingabemasken gesetzt. Anschließend ist er rund um die Uhr im Einsatz, wobei die Kosten eines Roboters in etwa ein Zehntel einer hiesigen oder ein Drittel einer Offshore-Arbeitskraft betragen.

Den passenden Anbieter wählen

Hier hört die Vergleichbarkeit für Gössel aber auch schon auf. Der Onboarding-Prozess sei nicht adäquat, denn es gebe weder eine Personalabteilung noch ein Assessment Center für Roboter. Missverständnisse kämen insbesondere bei der Auswahl der Lösung auf, erklärt der Reply-Mann.

Die Kunden würden häufig nach einem Marktführer rufen. Dies sei im Grunde genommen auch ganz verständlich – aber das Problem dabei: Wenn ein Unternehmen kleiner als z.B. die Allianz mit 150.000 Mitarbeitern sei, gelte es bei den großen Anbietern in dem Bereich als C-Kunde – das heißt, man gehe gar nicht erst ans Telefon, so Gössel. Unternehmen sollten sich daher lieber einen passenden Anbieter auf Augenhöhe suchen, für den sie ein A-Kunde sind.

Was die Integration der Lösung betrifft, gehe diese schnell vonstatten – wenn auch nicht ganz so schnell, wie häufig vermittelt wird, so Gössel, sondern etwa ein Viertel länger. Handelt es sich um einen geeigneten Prozess, werde der Return on Invest (ROI) in der Regel bereits in drei Monaten, spätestens jedoch in neun Monaten erreicht.

*Manfred Bremmer ist Redakteuer der Computerwoche.


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