RPA – so gelingt der Einstieg

Software-Bots können bei digitalen Prozessen viele Routineaufgaben übernehmen. Um das volle Potenzial von Robotic Process Automation (RPA) auszuschöpfen, gilt es bei der Einführung einiges zu beachten. [...]

Der Roboter ersetzt den Menschen - diese Assoziation verbinden viele Menschen mit Software-Bots. Tatsächlich dienen RPA-Tools aber eher dazu, Menschen von Aufgaben zu befreien, die keinen Spaß machen (c) pixabay.com

Die Digitalisierung erhöht den Druck auf Unternehmen, Kosten zu senken und Prozesse zu beschleunigen. Dass diese beiden Ziele nicht immer Hand in Hand gehen, zeigt das Beispiel der Versicherungsbranche: „Dort wünschen sich die Kunden, dass ihre Anfragen in Echtzeit beantwortet werden. Bei einer manuellen Bearbeitung lässt sich das aber nur mit mehr Personal – und damit höheren Kosten – bewerkstelligen“, sagt Gerrit de Veer, Vertriebschef bei Signavio.

Einen Weg aus diesem Dilemma können RPA-Tools weisen. Vom Kundenservice bis zum Dokumenten-Management: Wo immer digitale Prozesse festen Regeln folgen, lassen sich Softwareroboter einsetzen. Sie können zum Beispiel Ansprüche auf der Basis bestehender Regularien prüfen, diese genehmigen oder ablehnen und Kunden mit einer passenden, vorformulierten Begründung informieren. „Mitarbeiter können sich so von Routineaufgaben befreien und auf komplexere Sachverhalte konzentrieren“, sagt Ricardo Ullbrich, Digital Workforce Manager beim RPA-Anbieter Blueprism. „Das hebt die Motivation bei der Arbeit und macht wichtige Ressourcen frei“.

Automatisieren statt outsourcen?

RPA kann auch eine attraktive Alternative zu Outsourcing sein. Nicht selten lagern Unternehmen ganze Bereiche, etwa das Finanzwesen oder den Kundenservice, an Drittanbieter aus. Sie hoffen so Kosten zu senken, sich stärker auf die eigenen Kernkompetenzen fokussieren oder Prozesse flexibler skalieren zu können.

Mit RPA können Abläufe teilweise oder sogar vollständig automatisiert werden. „Damit holen wir die Prozesskompetenz zurück in die Firma, und wir reagieren wesentlich schneller und flexibler auf schwankende Bedarfe“, sagt Sarah Lewandowski, Managerin bei der Strategieberatung Leadvise Reply. Auch die Dienstleister werden zu RPA-Werkzeugen greifen, um ihre Prozesse zu optimieren und so ihr Outsourcing-Angebot günstig und effektiv zu gestalten.

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Wann lohnt sich RPA?

Ob und in welcher Variante sich RPA für Unternehmen lohnt, hängt nicht zuletzt von den Kosten für die Umsetzung und den Betrieb von RPA ab. Um den Return on Investment (RoI) zu berechnen, müssen die Lizenzkosten ebenso berücksichtigt werden wie der Implementierungsaufwand, die Betriebskosten, und der Nutzgewinn. „Dieser setzt sich aus den eingesparten Arbeitsminuten multipliziert mit dem Tages- oder Stundensatz zusammen“, erklärt Lewandowski. Dazu kommen weitere Positivfaktoren wie höhere Effizienz oder eine niedrigere Fehlerquote, die sich unmittelbar auf den Umsatz auswirken.

Bei Arla, einer großen schwedisch-dänischen Molkereigenossenschaft, geht die Rechnung auf: Das Unternehmen setzt RPA als Problemlösungs-Framework für den Supply-Chain-Betrieb ein. Innerhalb von drei Jahren konnten so etwa 1,25 Millionen Euro eingespart werden; eine optimierte Produktverwaltung steuerte weitere 400 000 Euro Ersparnis bei. Zugleich sank die durchschnittliche Bearbeitungszeit für ein Service-Ticket dramatisch – von 15 Minuten auf 20 Sekunden.

Identifizieren, dokumentieren, optimieren

Wer herausfinden möchte, ob sich RPA-Tools lohnen, sollte sich zunächst mit der Geschäftsprozess-Optimierung und Automatisierung generell beschäftigen. Wichtig ist die Wahl eines geeigneten Pilotprojekts: Erst einmal müssten dazu alle beteiligten Parteien an einen Tisch kommen, betont Ullbrich: „Nur wenn Management, IT und Fachabteilungen zusammenarbeiten, lässt sich das nötige Wissen über alle Prozessschritte hinweg erfassen“.

Für die ersten Schritte mit RPA eigen sich Prozesse, die schnell und unkompliziert umzusetzen sind und trotzdem einen Einspareffekt bringen. Um diese zu identifizieren, empfiehlt Signavio-Vertriebler de Veer, sich folgende Fragen zu stellen: Wiederholt sich der Prozess häufig? Folgt er festen Regeln oder Richtlinien? Basiert er auf Daten? Läuft er vollständig digital ab? Ist er standardisierbar? „Wenn alle Fragen mit Ja zu beantworten sind, lässt sich der Prozess in den meisten Fällen gut automatisieren“, so der Manager.

Process Mining als Stütze

Auch Process Mining kann bei der Auswahl geeigneter Prozesse eine Stütze sein: Diese Programme rekonstruieren Geschäftsprozesse mithilfe digitaler Spuren in vorhandenen IT-Systemen und stellen somit die realen Geschäftsabläufe grafisch dar. Neben den Prozessen zeigen Process-Mining-Tools auch deren Performance. Anwender erfahren also wie lange bestimmte Schritte dauern und wo Stellen oder Engpässe sind, die besonders viel manuelle Verarbeitung erfordern.

Ist der geeignete Pilotprozess auf diese oder andere Weise erst einmal identifiziert, erfolgt die Dokumentation der einzelnen Prozessschritte auf dem Key-Stroke-Level. Es wird erfasst, wie lange ein Mitarbeiter im Durchschnitt braucht, um den Prozess mit den bestehenden Systemen fehlerfrei zu bearbeiten. Daraus ergeben sich Optimierungspotenziale: Können einzelne Prozessschritte zusammengefasst oder sogar weggelassen werden? Wo lassen sich Abläufe standardisieren?

„Die Buchhaltung ist hier ein einfaches Beispiel“, erklärt Ullbrich. „Anstatt Rechnungen an individuelle Mitarbeiter zu verschicken, wird eine zentrale Rechnungsadresse eingerichtet. Der Prozess ist standardisiert, und der Softwareroboter muss auf nur ein Postfach zugreifen.“

Beispiel PostIdent-Verfahren

In manchen Fällen ist das Automatisierungspotenzial sogar schon im aktuellen System angelegt – es wird bloß nicht genutzt. Leadvise-Reply- Manager Alexander Beeck erklärt das am Beispiel PostIdent im Banking-Bereich: „Bei der manuellen Bearbeitung wurden die PostIdents als Scans aus dem Webportal der Deutschen Post heruntergeladen. Ein Mitarbeiter musste die Daten dann einzeln auslesen, dem richtigen Kunden zuordnen, und mit den Angaben aus der Antragsstrecke der Bank abgleichen. Dabei stellt die Deutsche Post die Idents auch als XML-File zur Verfügung! Dieses maschinenlesbare Format war für die Automatisierung dieses Prozesses natürlich Gold wert.“ Heute wird der gesamte Prozess, vom Auslesen bis zur Korrektur von Daten, von einem Softwareroboter ausgeführt.

Doch zurück zum Pilotprojekt: Ist der richtige Prozess gefunden, dokumentiert und optimiert, geht es ans Testen. Um Schwierigkeiten so früh wie möglich zu erkennen und zu beheben, müssen Tests in enger Absprache mit den Prozessverantwortlichen erfolgen. Läuft alles nach Plan, kann der Prozess aus der Testumgebung in den realen Betrieb überführt werden. Er sollte aber noch eine Weile intensiv beobachtet und gegebenenfalls angepasst werden. Sind auch die letzten Probleme beseitigt, wird der Prozess an die für die Automatisierung verantwortlichen Mitarbeiter übergeben. Jetzt meldet sich der Serviceroboter zum Dienst.

Vorsprung durch Technik-Kombinationen

Sein volles Potenzial entfaltet RPA im Zusammenspiel mit anderen Technologien. Signavio-Mann Gerrit de Veer spricht von „Hyperautomation“. Gefragt sind dabei Lösungen zum Vereinfachen, Entdecken, Entwerfen, Messen, Verwalten und Automatisieren von Arbeitsabläufen. „Setzt man zum Beispiel künstliche Intelligenz zusammen mit Software-Robotern ein, erhält man Intelligent RPA“, ergänzt Ullbrich. Im Idealfall entstehen Bots, die kognitive Fähigkeiten mitbringen und so auch unstrukturierte Daten erkennen und verarbeiten können.

Ein Einsatzszenario kann die Buchhaltung sein: Dass Software auf einer eingehenden Rechnung Bestandteile wie Betrag, Absender oder Datum erkennt und verarbeitet, ist heute Standard. Ein Serviceroboter schafft das sogar, wenn diese Informationen in verschiedenen Dokumenten und an unterschiedlichen Stellen stehen. Diese gesammelten Informationen werden dann entlang des Prozessflusses weiterverarbeiten.

Wem das noch nicht genug ist, der kann seinen Serviceroboter nach individuellen Bedürfnissen weiter aufrüsten. Einige Angebote enthalten beispielsweise Data-Analytics-Anwendungen, die die Effizienz des RPA-Einsatzes auswerten. Auch können Angebote oft mit Anwendungen externer Anbieter integriert werden, die sich auf entsprechenden Online-Marktplätzen finden.

Die Mitarbeiter müssen den Sinn erkennen

RPA bietet Personal, doch viele Anwender sind bei ihren ersten Gehversuchen auch schon auf Widerstände gestoßen. Wichtig ist es, die Mitarbeiter von Anfang an mit an Bord zu haben. Sie sind es, die von optimal eingesetzten Software-Bots am meisten profitieren. Je klarer und überzeugender das Management dies vermitteln kann, desto sicherer ist die Unterstützung der Basis.

Schließlich hat kein Controlling-Mitarbeiter Freude daran, für ein Monatsreporting händisch Daten aus unterschiedlichen Quellen zu aggregieren, in das richtige Format zu bringen – und dann festzustellen, dass irgendwo unterwegs eine Null verlorengegangen ist. Nimmt ein Serviceroboter diese Aufgabe ab, kann sich das Controlling wieder auf Aufgaben konzentrieren, die seiner Kompetenz entsprechen – eine Win-Win-Situation, die Unternehmen wie Mitarbeitern viele Möglichkeiten eröffnet.

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*Bernd Müller ist freier Autor in Stuttgart.


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